Auch wenn sich in der weltweit tätigen Kreuzschifffahrt einiges zum Besseren bewegt hat, sind viele Schiffe von einem klimafreundlichen Betrieb noch weit entfernt. Bei der Vorlage seines Kreuzfahrt Rankings 2022 forderte der Umweltverband NABU am Dienstag in Hamburg den schnellen Ausstieg aus dem Schweröleinsatz sowie ab 2040 einen komplett klimaneutralen Betrieb der gesamten Flotte.
Für sein inzwischen zehntes Kreuzfahrt-Umweltranking, das sich wiederum auf die Kreuzfahrtaktivitäten in Europa beschränkt, nahm der NABU insgesamt 19 Reedereien unter die Lupe und befragte sie zum Thema Klima- und Umweltschutz. Danach räumen die großen europäischen Kreuzfahrtunternehmen dem Thema nach wie vor keinen hohen Stellenwert ein. Bei einem Großteil der Bestandsflotten würde noch immer Schweröl als Treibstoff eingesetzt. Zukunftstaugliche Projekte seien Mangelware.
Bei der Befragung konnten die Reedereien maximal 17 Punkte erreichen. Die norwegischen Hurtigruten, die das Ranking als umweltfreundlichstes Kreuzfahrtunternehmen anführt, erreichte allerdings gerade einmal die Hälfte der Punktzahl. Alle anderen Reedereien schnitten noch schlechter ab als die auch im Kreuzfahrtsektor tätige norwegische Postschiffreederei.
Drei deutsche Unternehmen unter den Top fünf
Immerhin befinden sich unter den ersten fünf Plätzen auch drei deutsche Kreuzfahrtunternehmen, die als deutsche Niederlassung der Costa-Gruppe zum amerikanischen Carnival-Konzern gehörende Rostocker Reederei Aida Cruises und Hapag-Lloyd Kreuzfahrten sowie TUI Cruises, die Teil eines in Hamburg ansässigen Joint Ventures des TUI-Konzerns mit der amerikanischen Royal Caribbean-Gruppe sind. Laut NABU können diese insbesondere für Maßnahmen auf großen und sehr großen Schiffen als Vorreiter gelten. Immer unter dem Vorbehalt, dass die zaghaften Versuche hin zu mehr Klimafreundlichkeit tatsächlich zeitnah im größeren Maßstab umgesetzt werden.
Positiv hebt der NABU auch hervor, dass die meisten Reedereien eine Klimastrategie haben und sich zu den Klimazielen von Paris bekennen. Erste Reedereien nutzen bereits moderne Technologien wie Batterien und Brennstoffzellen als Ergänzung zum
Verbrennungsmotor. AIDA Cruises hat die AIDAprima bereits mit einem 10 MWh-Batteriesystem nachgerüstet und TUI plant sogar ein Schiff, das klimaneutral erzeugtem Methanol als Brennstoff nutzen kann.
Insgesamt sieht der Naturschutzbund bei den Reedereien aber noch großen Nachholbedarf: Nur eine Reederei plane Tests mit E-Fuels, und die tatsächliche Nutzung von Landstrom sei noch sehr gering. Außerdem punkteten Hurtigruten Expeditions, Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und Ponant zwar mit Schwerölausstieg und Landstrom, eine bessere Umweltbilanz pro Person hätten die kleinen Expeditionsschiffe aber trotzdem nicht.
„Die Ergebnisse zeigen auch, dass von den Unternehmen vor allem schöne Worte und Ankündigungen kommen, bislang aber nur wenig konkret umgesetzt wird, um die Situation zu verbessern“, so der NABU. „Nur Unternehmen, die heute aus dem Schweröl aussteigen und für alle Neubauten Nullemissionen als Standard vorsehen, können glaubhaft machen, dass die Ankündigungen für eine klimaneutrale Zukunft der Kreuzschifffahrt wirklich ernst gemeint sind,“ sagte Malte Siebert, Vorsitzender des NABU Hamburg. Er zeigte sich erfreut darüber, dass sich das Ranking in den vergangenen zehn Jahren als Marktanalyse in Sachen Umwelt- und Klimaschutz im Kreuzfahrtbereich etabliert habe Dabei habe sich auch die Haltung zahlreicher Kreuzfahrtreeder von anfänglicher Skepsis, Kritik und Zurückhaltung bei der Herausgabe von Informationen stark gewandelt habe. Rückblickend könne man feststellen, dass man vom „Kampf“ in die „Kooperation“ übergegangen sei. Schließlich hätten auch die Kreuzfahrtreeder erkannt, dass gerade der deutsche Markt das Thema Umwelt und Klimaschutz auf Seereisen mit zunehmender Aufmerksamkeit begleite.
Auf hinteren Plätzen des NABU-Rankings landeten Costa Cruises, Phoenix Reisen und Marella. Letztere britische Reederei, die von TUI UK betrieben wird, erreichte nicht einen Punkt. Costa Crociere sowie Phoenix Reisen konnten immerhin in Bezug auf den Stopp von Schweröl, das Paris Agreement und/oder eine vorhandene Klimastrategie punkten.
Die erstplatzierte Reederei Hurtigruten zeige, so der NABU, dass Kreuzfahrten auf festen Routen in eher küstennahen Gewässern die notwendigen Klima- und Umweltmaßnahmen berechenbarer und damit leichter umsetzbar machen. Zudem beweise das gute Abschneiden der Flotte, dass strenge Regulierungen helfen. Norwegen hat seit 2007 ein striktes Stickoxidregime und bestimmte Fjorde dürfen zukünftig nur noch mit Nullemissionsschiffen befahren werden. Auch fördert Norwegen über den sogen. „NOx-Fonds“ den Einsatz besonders umweltfreundlicher Technologien in der Schifffahrt.
Der NABU fordert daher flächendeckend strengere Gesetze, um in der gesamten Branche eine vergleichbare Entwicklung zu forcieren. Dazu zählt der NABU unter anderem ein generelles Schwerölverbot, eine Landstrompflicht, eine E-Fuel-Quote sowie strengere Effizienzvorgaben und die großflächige Ausweisung von Null- und Niedrigemissionsgebieten auf See. JPM