Hamburg Cruise Net ist eine Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft, ein Netzwerk, um die wichtigsten Player um den Kreuzfahrtmarkt herum zusammenzubringen. Über Ziele und Aufgaben sprachen wir mit der Geschäftsführerin Christine Beine.
Was sind die Hauptaufgaben des Cruise Net? Und wie viele Mitglieder haben Sie heute?
Wir haben zur Zeit knapp hundert private und öffentliche Mitglieder. Cruise Net ist ein Cluster, das die Ziele der Kreuzschifffahrtsinitiative des Hamburger Senats in vier Schwerpunktthemen umsetzt. Zum einen geht es darum, die Wertschöpfung aus der Kreuzfahrtindustrie am Standort Hamburg weiter zu stärken. Hierbei geht es z. B. um die Weiterentwicklung von bestehenden und Ansiedlung von neuen kreuzfahrtaffinen Unternehmen oder Kooperationen z. B. mit Start-ups. Zum zweiten geht es darum, die Rahmenbedingungen für diese Branche in Hamburg weiter zu verbessern – das reicht von infrastrukturellen Themen im Hafen bis zur Frage, wie das Gästemanagement am Hauptbahnhof optimiert werden kann – auch Fragen der Ausbildung spielen hier eine große Rolle. Der dritte Punkt ist operativer Art und hat viel mit „Willkommenskultur“ zu tun – unsere Kollegen sind in den Terminals in Hamburg vor Ort, begrüßen und versorgen die Kreuzfahrer mit notwendigen Hamburg-Informationen. Das Marketing für den Kreuzfahrtstandort Hamburg gehört viertens ebenfalls zu unseren Aufgabenbereichen, beispielsweise die Koordination der Hamburg-Präsenz auf den einschlägigen Messen in Miami und Hamburg. Die gemeinsame Klammer für all diese Aktivitäten ist das Netzwerkmanagement, das uns der Senat für diesen Bereich übertragen hat. Gerade in diesen Tagen ist es wichtig, eine Plattform für die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zu bieten. Also eine Verbindung zwischen z. B. Universitäten, Reedereien, Hafenagenten oder Schiffsausrüstern und Touristikern herzustellen, um sich auszutauschen, Synergien zu schaffen und Projekte anzustoßen.
Also eine Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft?
Ja, und dazu auch ein Rahmen, um ein Zusammenwirken der Unternehmen in diesem Bereich zu ermöglichen.
1998 wurde der Vorläufer des Hamburg Cruise Net gegründet, damals mit 20 Mitgliedern. Jetzt 23 Jahre später steckt die Kreuzfahrt in einem komplett neuen Umfeld und die Welt befindet sich inmitten einer Pandemie. Was waren die wichtigsten Meilensteine in diesen über 20 Jahren? Wo steht Ihrer Meinung nach die Kreuzfahrtindustrie und insbesondere der Kreuzfahrttourismus in Hamburg heute?
2004 war sicherlich der wichtigste Meilenstein für die Entwicklung der Kreuzfahrtdestination Hamburg. In diesem Jahr wurde der Terminal in der HafenCity eröffnet und auch zum ersten Mal die QM2 empfangen. Das war für die dynamische Entwicklung der Kreuzfahrt ein wichtiger Schritt, aber auch für die Entwicklung der HafenCity. Diese beiden Bereiche gehen Hand in Hand. Und das Jahr 2004 hat auch gezeigt: Die HamburgerInnen haben eine emotionale Bindung zu ihrem Hafen, die weit über seine Bedeutung für Wirtschaft und Arbeit hinausgeht.
Gibt es vergleichbare Organisationen für die Branche in Wettbewerbshäfen bzw. deutschlandweit und was ist der Vorteil eines solchen Alleinstellungsmerkmals?
Ich kenne bisher kein anderes Netzwerk, das sich auf diesen Bereich so spezialisiert hat wie wir. In Kopenhagen gibt es mit CruiseCopenhagen eine ähnliche Einrichtung, aber mit einem etwas anderen Aufgabenspektrum. Natürlich arbeiten wir auch mit anderen Häfen zusammen, wenn es z. B. um gemeinsame Auftritte bei internationalen Messen wie die Seatrade geht.
Nachdem es seit 2008 mit jährlichen zweistelligen Zuwachsraten bis 2019 eine Verzehnfachung des Passagieraufkommens gegeben hatte, gab es 2020 statt der erwarteten neuen Rekordmarke von mehr als 1 Mio. Gästen Pandemie-bedingt einen dramatischen Einbruch fast bis zum Stillstand. Gibt es schon genaue Zahlen für 2020?
Die 2020er-Zahlen werden noch veröffentlicht. Die letzten Monate haben aber gezeigt: Hamburg ist für die Reedereien ein sehr guter Partner – nicht nur in guten, auch in schlechten Zeiten! Nach dem ersten Lockdown haben die Behörden in Hamburg in Kooperation mit den städtischen Unternehmen CGH und HPA sowie den Reedereien sehr schnell Leitlinien für die Rückkehr in den Betrieb entwickelt. So gab es Ende Juni bereits einen Rahmen, in dem der Neustart erfolgen konnte.
Ohnehin wurden für die Jahre bis 2023 etwas niedrigere Zahlen erwartet, aber wo könnte sich das Niveau nach der Pandemie einpendeln für Hamburg?
Ich bin davon überzeugt, dass das Bedürfnis der Menschen nach Reisen, Erholung und auch Kreuzfahrten ungebrochen ist und nach der langen Pandemie noch stärker wird. Ich vermute aber, dass das Jahr 2021 für den Tourismus und die Kreuzfahrt insbesondere aufgrund des schleppenden Fortschritts bei der Impfung der Bevölkerung noch sehr holprig wird. 2022 könnte es zu einer Konsolidierung kommen und 2023 idealerweise zu einer Rückkehr auf das Vorkrisen-Niveau. Insgesamt ist das aber ein Blick in die Glaskugel. Wir wissen alle nicht, ob und welche Strukturverschiebungen es in der Branche geben wird und wie sich die Präferenzen der Gäste entwickeln werden – vielleicht zunächst hin zu Kurzreisen oder auch kleineren Schiffseinheiten.
Wird es künftig Ihrer Auffassung nach auch wegen der negativen Schlagzeilen über die Branche eine Reduzierung der Nachfrage und wegen der zahlreichen Verschrottungen und reduzierter Neubauten-Anzahl auch weniger Schiffe geben?
Schiffe werden derzeit aus dem Markt genommen, einige Neubauten kommen – wenn auch etwas später – hinzu. Die Nachfrage insgesamt schätze ich recht stabil ein.
Was bedeutet das für Hamburg in Bezug auf die Wertschöpfung der Branche? Wo lag sie etwa vorher (bis jetzt)?
Die Branche ist hier am Standort Hamburg für eine Wertschöpfung von 400-500 Millionen Euro p.a. verantwortlich. Der gesamte touristische Konsum beläuft sich auf ca. 8 Milliarden p.a..
Wird der seit langem angedachte vierte Kreuzfahrtterminal für Hamburg noch benötigt oder reichen die Kapazitäten für einen stark saisonabhängigen Kreuzfahrthafen?
Mitten im Lockdown ist sicher nicht ganz der ideale Zeitpunkt, um dieses Thema weiter zu diskutieren. Man darf es aber trotz der aktuellen Situation nicht völlig aus den Augen verlieren, langfristig sollte eine anforderungsgerechte Infrastrukturentwicklung das Ziel bleiben.
Könnte das im Juli letzten Jahres fertiggestellte und bisher nur von wenigen Schiffen genutzte Kreuzfahrt-Terminal Baakenhöft – es sollte zunächst eine Überganglösung bis zur Fertigstellung des am Grasbrook zur Fertigstellung 2023 in Bau befindlichen Cruise Center HafenCity (CC-1) sein – zu einer Dauerlösung werden?
Der Terminal Baakenhöft ist nach meinem Kenntnisstand für eine Betriebszeit von zehn Jahren ausgelegt.
Die Hamburger Kreuzfahrt-Terminals sind öffentliche Anlagen und es gab immer wieder Bestrebungen und Anfragen von Reedereien zur Schaffung von „dedicated Terminals“. Sie werden und wurden in verschiedenen anderen Kreuzfahrthäfen gebaut und mit Erfolg betrieben. Wäre ein solches Modell auch für Hamburg ein sinnvolles Mittel zur Bindung der Reedereien an diesen Hafen?
Das ist eher eine Frage an den Senat. Ich persönlich fände es richtig, Beteiligungen nicht von vornherein auszuschließen.
Hamburg ist als Metropole mit guter Verkehrsanbindung Flug-, Straße und Schiene – nicht nur für die Gäste, sondern wegen der Konzentration von Hafendienstleistern, Ausrüstern, Ver- und Entsorgern, Schiffsreparatur- und Serviceanbietern etc. gut aufgestellt. Sind vor diesem Hintergrund die manchmal von den Reedern kritisierten hohen Anlaufkosten durch lange Revierfahrt, Zeitverluste, Lotsen- und Liegegebühren etc. noch ein Thema?
Hamburg ist natürlich durch die lange Revierfahrt etwas teurer als andere Häfen. Das müssen wir an anderer Stelle ausgleichen, wie z. B. durch die Qualität der Dienstleistungen, durch die Attraktivität der Destination oder die gute Anbindung. Meine Vermutung ist, dass die Gäste immer die Gesamtreise und nicht nur den Aufenthalt an Bord bewerten. Dazu gehört auch die Struktur vor Ort.
Was sind die langfristigen Goals um den Tourismus im maritimen Bereich in Hamburg zu stärken und weiter zu fördern?
Hamburg hat eine ganze Reihe von maritimen Attraktionen – die Peking ist wieder zurückgekehrt, es gibt das Maritime Museum und viele weitere attraktive Ziele. Die maritimen Attraktionen im Hafen könnten z. B. durch ein gemeinsames Erlebnisgebiet noch stärker in Szene gesetzt werden.
Man hat einige Jahre lang über den Masterplan zur Kreuzfahrt gesprochen. Wie steht es damit heute?
Es ist wichtig, ein gemeinsames Zielbild für den Kreuzfahrtstandort Hamburg zu entwickeln. Das wird derzeit zwischen den verschiedenen Akteuren diskutiert und abgestimmt. Ich gehe davon aus, dass hierzu im ersten Halbjahr etwas vorliegt.
Wie haben Sie Ihre Aufgaben im Pandemie-Jahr 2020 wahrnehmen können? Wurden Arbeitsabläufe adaptiert und wie?
Das Jahr 2020 ist überall anders gelaufen, als man es erwartet hat. Unsere Zusammenarbeit mit den Unternehmen hat sich entsprechend auch verändert, ist digitaler geworden. Gleichzeitig haben wir die Zeit genutzt, um andere Themen wie Lebensmittelspenden der Reedereien an die Hamburger Tafel oder die digitale Weiterentwicklung der Willkommenskultur voranzutreiben; für letzteres haben wir mit einem Start-up zusammengearbeitet. Im Rahmen unseres neuen YouTube-Kanals „Hamburg Cruise News“, den wir gemeinsam mit der Cruise Gate Hamburg aufgebaut haben, haben wir auch die neuen Hygiene- und Sicherheitskonzepte porträtiert – davon wird sicher etwas in der Post-Pandemie-Zeit erhalten bleiben.