Tradewind Voyages ist eine britische Tochtergesellschaft der kroatischen Werftengruppe DIV, die den eigentlich für Star Clippers gebauten Großsegler „Flying Clipper“ unter dem Namen „Golden Horizon“ in Fahrt bringen und vermarkten soll. Michael Wolf sprach mit dem CEO der neuen Firma, Stuart McQuaker.
Wie gestaltet sich der Start von Tradewind Voyages in einer Zeit, in der sich die gesamte Kreuzfahrtbranche inmitten einer Pandemie befindet?
Wir hatten das Glück, dass wir niemals vor Mai 2021 starten wollten. Wir können uns somit auf dieses Datum allein konzentrieren und unsere Vorbereitungen weiterverfolgen.
Ich habe eine signifikante Sympathie für all unsere Kollegen in der Branche. Es muss sehr schwierig sein, sich in einer kontinuierlich ändernden Situation mit potenziellen Re-Start-Daten, Routenänderungen etc. zu befinden.
Wir können uns dagegen auf unseren Start im Mai konzentrieren – so wurden unsere Vorbereitungen nicht besonders schwer von COVID getroffen.
Natürlich müssen wir abwarten, wie es nächstes Jahr aussehen wird. Im Moment sind wir zuversichtlich für die ersten sechs Monate unserer Reisen, die wir in Großbritannien und Nordeuropa haben werden, die ohne Fluganreisen stattfinden.
Gibt es ein Konzept, ab Mai mit weniger Passagieren zu beginnen?
Aktuell verfolgen wir die Entwicklung in der Industrie. Wir lesen alle neuen Protokolle der unterschiedlichen Kreuzfahrtgesellschaften die veröffentlicht werden. Wir schauen uns die formellen Regularien von Großbritannien, den USA und den großen Cruise Lines an.
Wir haben den „Luxus“, dass das Schiff derzeit noch bis April kommenden Jahres in der Werft liegt, die auch dem Schiffseigner gehört. Wir können also noch fast bis zum Schluss noch Änderungen an Bord des Schiffes vornehmen, wenn es wichtig sein sollte. Wir haben noch viel Zeit um zu schauen, wie es sich entwickelt.
Deshalb legen uns noch nicht fest, wie unsere COVID-Protokolle aussehen werden. Aber wir verpflichten uns, die höchsten Industriestandards beim Start zu erfüllen. Jetzt haben wir noch die Zeit zu schauen, was die anderen machen, was die Reglements vorsehen.
Wie und wo im Markt möchten Sie sich mit dem Unternehmen positionieren, auch im Hinblick auf bereits etablierte Reedereien wie Star Clippers in Monaco oder den deutschen Anbieter Sea Cloud Cruises?
Wir sehen uns als ein 4,5-Sterne Produkt. Wir sind nicht super-luxuriös, aber wir sind absolut in einem High-End-Bereich; also 4,5-/5-Sterne.
Wir haben einige Änderungen am Schiff vorgenommen, um es auf ein höheres Level bringen zu können, als es eigentlich für das Schiff vorgesehen war.
Welche Änderungen sind das?
Luxus definiert sich über drei Schwerpunkte: eines davon ist das Crew-Passagier-Verhältnis. Wir haben zehn Innenkabinen aus dem Angebot genommen und für Crew vorgesehen. So hat jeder Passagier eine Außenkabine und die Crew-Passagier-Rate wurde von 2.1 auf 1.7 gesenkt. Das erlaubt uns ein besseres Maß an Service anbieten zu können.
Wir haben zudem einige weitere Anpassungen vorgenommen. Wir werden einen ständigen casual-informal Grill-Dining-Bereich auf dem Oberdeck-Bar einrichten, dazu kommt eine Bar im Schiffsinneren, wo wir eine große Auswahl von Gins und Whiskeys anbieten werden.
Unser Executive-Küchenchef kommt aus dem 6-Sterne-Luxus-Kreuzfahrtbereich. Diese drei Elemente: der Stellenwert der Küche, die strukturellen Anpassungen des Schiffes und das Crew-Passagier-Verhältnis, werden es uns erlauben, das Schiff noch wertiger zu machen, als zuvor geplant war.
Wir werden nächste Woche bereits mit dem Verkauf der Reisen beginnen und in wenigen Monaten die Namen der Kapitäne, der Hoteldirektoren und des Executive Chefs bekannt geben.
Wird die Führungsmannschaft britisch sein?
Nein, sie kommen aus verschiedenen Ländern.
Einige Offiziere sind Briten, aber die Intention war es, Leute zu bekommen, die unser Konzept verstehen. Wir sorgen uns nicht um die Nationalitäten. Natürlich ist das Produkt aktuell auf den britischen Markt fokussiert. So müssen wir sicherstellen, dass die Menschen die dort arbeiten, den UK-Markt verstehen, aber sie müssen nicht unbedingt Briten sein.
Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal (USP)?
Im Gegensatz zu andere Kreuzfahrtgesellschaften haben wir unsere Routen nach rein maritimen Prinzipien erstellt.
Es ist ein echtes Segelschiff, gebaut als Replik der „France“, die die Passatwind-Reisen gemacht hat. Daher auch der Name des Unternehmens (Anmerkung: Tradewind = Passatwind).
Es war sofort klar für mich, dass wir das Schiff nicht an einer Location für eine Saison positionieren sollten. Denn nur wenn wir weiterfahren, den Winden folgen und die Strömungen nutzen, dann können wir signifikant länger segeln.
Natürlich werden wir auch in der ersten Saison im UK versuchen, so viel wie möglich zu segeln. Wenn wir danach Großbritannien verlassen und Richtung Ferner Osten starten, richten sich die Routen nach den Karten, die Winde und Strömungen berücksichtigen. Auf diesen Routen werden wir fast nur segeln – die Westküste von Indien hinunter.
Es ist ein schwieriges Unterfangen, man muss schauen, wohin man geht und wo das Wetter ebenfalls gut ist. Glücklicherweise gibt es immer so eine Art „Kreuzung“, wo man eine Wahl hat, in welche Richtung man gehen möchte.
Was sind Ihre Routen-Favoriten?
Ich bin Segler, war die meiste Zeit meines Lebens auf See. Also wäre für mich die aufregendste Reise im Süd-Indischen Ozean von Bali nach Ostafrika, wenn wir wirklich „fliegen“ und inmitten der Passatwinde sind. Das wäre eine unbeschreibliche Erfahrung.
Bisher fokussieren Sie sich auf den UK-Markt als Hauptquellmarkt. Sind Reisen auch mit Gästen aus den DACH-Ländern vorgesehen? Wie wichtig ist dieser Markt für Sie?
Wir haben uns bewusst erstmal dafür entschieden den UK-Markt anzusprechen. Das alles musste schnell organisiert werden: Wir haben uns als Team erstmals im März getroffen, der Verkauf der Reisen beginnt im November. Normalerweise würde man zwei Jahre benötigen, um ein Brand, Routen und Marketing zu kreieren. Wir mussten uns darauf konzentrieren, was wir einfach umsetzen können und was wir kennen, also den UK-Markt. Danach werden wir schauen, wie wir ein wenig expandieren können. Außerdem sollen weitere Schiffe in den Dienst gestellt werden. Der Eigner plant, bis 2027 vier Schiffe im Dienst zu haben. Dann würden wir auf die anderen europäischen und weltweiten Märkte schauen.
Sollen das Schwesterschiffe werden?
Sie werden anders sein. Sie würden ähnlich aussehen, klassische Windjammer, große, mehr-mastige Tallships. Das Gefühl wäre gleich. Sie sollen etwa 10 Meter länger sein, dazu etwas breiter und höher. Bewusst für einen höheren Luxusmarkt designt, ausgelegt für etwas weniger Passagiere, aber etwas mehr Crew.
Gibt es bereits einen Zeitplan?
Sie werden im Moment designt. Ich denke, die Intension des Eigners ist es, die Kapazitäten der Schiffswerft zwischen anderen Aufträgen zu nutzen, um die eigenen Schiffe zu bauen. Ich könnte mir vorstellen, dass das nächste Schiff in 2,5 Jahren kommt.
Der Verkauf startet am Montag. Verkaufen Sie die Reisen nur direkt oder arbeiten Sie mit internationalen Travel Partnern zusammen?
Wir arbeiten mit vielen UK-Reiseveranstaltern zusammen. Wir können Direktbuchungen über das Schiff annehmen, sind aber kein Travel Agent. Etwa 60 Veranstalter arbeiten im Moment mit uns und haben das Produkt im Angebot. Natürlich sind diese in der Lage, die Reisen von Europa oder Deutschland für die Leute anzubieten/zu organisieren. Im Moment haben wir aber noch keinen GSA in Europa oder Deutschland.
Wie hoch wird der Tagespreis sein?
Etwa 350 englische Pfund pro Tag, das hängt von den Reisen ab.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie derzeit?
Wir sind bei Tradewind nun 18 Leute. Ich war am 2. Januar der Erste, war zuhause mit meinem Telefon und Schreibtisch – nichts weiter. Im März hatte ich einen Product Director, Sales Director, Marketing Director, einen Head of Marine Operations und andere. Viele haben wegen der Pandemie im Home-Office gearbeitet, alles lief über Videokonferenzen. Einige habe ich erst viel später real kennengelernt.
Wer wird sich um das Crewing und technische Management kümmern?
Der Schiffseigner ist der Besitzer der Brodosplit Werft und des Brodosplit Ship Managements, die bereits einige kleinere Schiffe betreuen. Er hat sein Team vergrößert, um auch auf die Bedürfnisse beim Betrieb eines größeren Schiffes mit weltweiten Einsatz reagieren zu können. Es gibt eine Einheit in Split und für den Hotelmanagement-Bereich in Monaco. So sollen die Ressourcen des Eigners genutzt werden. Er hat einige Unternehmen gekauft, um auch Management für andere Schiffe anbieten zu können.
Wann und wo soll die Taufe stattfinden?
Der Eigner plant eine Zeremonie in Split. Das Timing ist trotz der aktuellen schweren Zeiten gut für uns, das Schiff ist sehr passend, weil nicht zu groß. Für Leute, die gern kreuzfahren, aber Angst vor großen Menschenmengen, großen Schiffen, Landgängen und Bussen voller Menschen haben, wären wir ideal. Wir sind klein, wir gehen zu abgelegenen Zielen – das ist genau, was die Menschen suchen.
Wissen Sie ob das Arbitrage-Verfahren zwischen der Werft und Star Clippers bereits beendet ist?
Das sollten Sie den Eigner fragen.
Wenn es nicht beendet ist und das Schiff an seinen ursprünglichen Besteller geht, stehen Sie vielleicht kurzfristig ohne Schiff da…
Ich habe vollstes Vertrauen, dass unsere Pläne realisiert werden.
Das nächste Schiff soll voraussichtlich in 2,5 Jahren kommen, heißt: Sie müssen bis dahin ein 1-Schiff-Unternehmen führen, was kostenintensiv ist.
Wir haben das Glück, dass unser Eigner der DIV-Gruppen-Eigner (eine große Gruppe in Kroatien) ist und ihr die Brodosplit Werft gehört. Er kann ein Schiff zum Kostenpreis bauen. Das ist ein Vorteil gegenüber anderen Kreuzfahrtlinien.
Sie haben bereits viele interessante berufliche Stationen im Kreuzfahrtbereich besetzt. Welche davon ist im Blick auf den heutigen Job am meisten hilfreich gewesen?
Die Chief Operating Officer Position bei Saga Cruises, da ich dort volle Verantwortung hatte für alles, was mit dem Betreiben der Schiffe zusammenhängt. Wir waren ein kleines Team. Ich habe direkt an den CEO berichtet, der einzige andere Posten auf meiner Ebene war der des Sales & Marketing Direktor.
Als ich im vergangen Jahr um Weihnachten herum eingeladen wurde, um mit dem Eigner zu sprechen, hatte ich bereits eine klare Vorstellung davon, welche Schritte gegangen werden müssen, um uns dahin zu bringen, wo wir nächste Woche sein werden, also unsere Reisen zu verkaufen.
Stuart R. McQuaker
„Die See und die Seefahrt sind meine Passion. Ich habe nie etwas anderes gemacht“, sagt Stuart R. McQuaker, den es schon im zarten Alter von acht Jahren auf das Meer hinauszog. Er war Ende 2019 dem Ruf der 1990 gegründeten und u.a. im Schiffbau tätigen privaten kroatischen Industrie-Gruppe DIV Grupa D.O.O. gefolgt, den Seereisen-Veranstalter Tradewind Voyages UK Ltd. mit Sitz in Hadleigh, Suffolk, zu etablieren, als dessen CEO er seit Gründung im Februar dieses Jahres fungiert. Der Master of Science-Absolvent der Universität Plymouth, der auch Direktor der zu Jahresbeginn in das Handelsregister eingetragenen McQuaker Maritime Ltd. ist, war fast 20 Jahre für die Royal Navy u.a. als Commanding Officer des HMS Northumberland und Commander and Executive Officer des HMS Illustrious tätig sowie fünf Jahre im britischen Verteidigungsministerium u.a.für Port Operations zuständig. Als Consultant übernahm er u.a. Beratungsaufgaben für die Hafenbehörde von Lagos, bevor er in die kommerzielle Schifffahrt wechselte, wo er zwischen 2014 und 2018 für die britische Saga plc-Gruppe tätig wurde, bei der er u.a. Erfahrungen als COO für Saga Cruises sammeln konnte. JPM
Das Schiff
Um den größten Rahsegler der Welt handelt es sich bei der Golden Horizon, die der 1911 im französischen Bordeaux als seinerzeit größter Frachtsegler erbauten France II nachempfundenen Fünfmastbark-Neubau, der dank seiner Eisverstärkung selbst in polaren Regionen operieren kann und u.a. auch aufgrund seiner für Schiffe dieser Art ungewöhnlichen Safe-Return-to Port-Auslegung einen Platz im Guiness-Buch der Rekorde finden dürfte. Ursprünglich sollte dieser bereits vor fünf Jahren bestellte und auf Probefahrten bereits bewährte Neubau, dessen Entwurf von dem bekannten polnischen Konstrukteur Zygmunt Choren stammt, von seinem Auftraggeber, Star Clippers-Gründer Mikael Krafft 2017 zum 25-jährigen Jubiläum seiner in Monaco ansässigen Reederei als neues Flaggschiff unter Malta-Flagge in Dienst gestellt werden, was sich durch Verzögerungen und Differenzen zwischen den Parteien nicht realisieren ließ. Das noch im Besitz einer Tochtergesellschaft der Werft bzw. ihrer Muttergesellschaft befindliche und am Ausrüstungskai in Split liegende Schiff wurde zwischenzeitlich an den im Februar mit DIV-Beteiligung gegründeten Betreiber Tradewind Voyages verchartert. Bekanntlich ist die 1990 gegründete DIV-Gruppe neben ihren Schiffbauaktivitäten bereits seit 2013 mit der Tochtergesellschaft DIV Cruises d.o.c. selbst mit einer Flotte von kleinen Kreuzfahrtschiffen, Megayachten und Seglern sowie als Charteragent auf dem Kreuzfahrtmarkt tätig. Das 162,2 m lange und 18,5 m breite 8770 BRZ-Schiff, das über 140 Kabinen, darunter 34 Balkonkabinen und vier Eigner-Suiten, für 272 Gäste verfügt, soll von Tradewind Voyages mit einer von 138 auf 159 Personen verstärkten Crew betrieben werden. Das von uns bereits mehrfach vorgestellte Schiff (u.a. an Bord 4/2019 und im Web: Mit „Golden Horizon“ statt „Flying Clipper“ zum Nordkap) verfügt über fünf Decks, drei Pools und eine ausklappbare Marina am Heck, die für Wassersportaktivitäten bis auf 50 cm über der Wasserfläche abgesenkt und durch einen ausziehbaren Teil um 50 Prozent vergrössert werden kann. Einer der Pools verfügt über einen Glasboden, der das Sonnenlicht in das darunterliegende Atrium funkeln lässt, während der im Heckbereit angeordnete 5,5 m tiefe und über zwei Decks reichende mit 50 cbm Inhalt grösste Pool über Glaswände verfügt, durch die die Gäste die darin agierenden Tauchschüler beobachten können, für die ein professioneller Tauchlehrer entsprechende Kurse anbietet. Auf dem offenen Teakdeck stehen u.a. drei Bars zur Verfügung. Zur Ausstattung gehören neben Wassersportgeräten wie Kajaks auch acht Schlauchboote und vier Sportboote. Die vier großen Rettungsboote können auch als Tender genutzt werden. Mit 42 Segeln können an den fünf Masten mit Alu-Rahen bis zu 6347 qm Fläche an den Wind gebracht werden, mit denen unter günstigen Bedingungen eine Geschwindigkeit bis zu 20 kn und mit Maschinenantrieb 16 kn erreicht werden soll. Dank der Ausrüstung mit Bugstrahlruder und Doppelruderanlage ist das über eine redundante Maschinenanlage und doppelte Brücke verfügende Schiff besonders manövrierfähig. JPM
Technische Daten:
Typ: Fünfmastbark, Eigner: XB AHTS Hero Shipping Inc. (DIV-Gruppe), Charterer: Tradewind Voyages UK Ltd., IMO-Nr: 9793545, Rufzeichen; 9AA7492, Flagge: Kroatien, Bauwerft: Brodosplit, Split/Kroatien, Bau-Nr: 483, Brennstart: 09.12.2015, Stapellauf: 10.6.2017, Fertigstellung: Sommer 2019, Länge über alles: 162,22 m, Seitenhöhe: 12,50 m bis Hauptdeck, Breite: 18,50 m, Tiefgang max: 6,40 m, Bruttoraumzahl (BRZ): 8770, Tragfähigkeit: ca. 2000 tdw, Kabinen: 140, Gäste: 272, Crew: 159, Antrieb: 42 Segel mit insges. 6347 qm bzw. dieselelektrische Maschinenanlage mit vier Caterpillar- Dieseln (2x Typs 3516C à 2250 ekW und 2x 3512C à 1700 eKW) mit entsprechenden Generatoren, zwei Caterpillar-Verstellpropeller.