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Abhängigkeiten bergen Gefahren-Kreuzfahrt-Krise offenbart dramatische Entwicklung des deutschen Schiffbaus

Die pandemiebedingte Krise der Kreuzfahrtindustrie hat die dramatische Entwicklung der deutschen und europäischen Schiffbauindustrie offengelegt. Denn die Konzentration der heimischen Schiffbauindustrie auf die High-End-Märkte wie Kreuzfahrtschiffe, Yachten, Marineeinheiten und andere Behördenfahrzeuge war als Ausweg aus den jahrzehntelangen Marktverzerrungen gesehen worden. Gegen Dumpingpreise in anderen Marktsegmenten waren europäische Werften wehrlos, so dass zahllose Produktionsstandorte schließen mussten, stellte der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) bei der diesjährigen Vorlage seines Jahresberichts fest.

Das Marktsegment der Kreuzfahrtschiffe mit einem Bestellvolumen von rund 80 Mrd. € in den Jahren 2016-2019 habe die zivile Schiffbauproduktion in Europa dominiert. Doch neue Bestellungen blieben in den vergangen zwei Jahren bis auf wenige Ausnahmen aus. Zwar konnte 2021 die Schiffbauproduktion stabilisiert und im Vergleich zum schwachen Vorjahr wieder deutlich erhöht werden, der schwache Auftragseingang weise aber schon jetzt auf eine erhebliche kommende Unterauslastung hin. Die Situation in Deutschland lasse sich eins zu eins auf ganz Europa übertragen. Der jahrelange Substanzverzehr an Schiffbaukapazitäten sei insbesondere vor dem Hintergrund der erwarteten stark wachsenden Nachfrage besorgniserregend. Um einen unwiederbringlichen Fähigkeitsverlust zu vermeiden, sei eine dringende Korrektur politisch gesetzter Rahmenbedingungen erforderlich: Trotz einer Verdopplung der globalen Schiffbaunachfrage, nahmen die Bestellungen in Europa auch im Vergleich zum extrem schlechten Vorjahr noch einmal um 20% ab. 85% aller Aufträge 2021 weltweit gingen an China und Korea, die beiden Nationen, die ihre maritimen Industrien seit Jahren mit massiven Subventionen unterstützen, erläuterte VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken. Selbst Japan, das immer noch eine hohe Inlandsnachfrage aufrechterhält, trägt inzwischen keine 10 Prozent mehr bei. Europas Marktanteil fiel auf unter 4%. Gleichzeitig sehen sich viele maritime Zulieferunternehmen wie in anderen Branchen mit wachsenden Problemen in ihrem Chinageschäft konfrontiert. Local-Content, Diskriminierung, Gängelung durch Parteifunktionäre – gute Geschäfte lassen sich nur noch machen, wenn der chinesische Kunde auf das Produkt unbedingt angewiesen ist.

Es drohe ein dramatischer Verlust schiffbaulicher Fähigkeiten in der EU. Deutsche Werften könnten nur bei auskömmlichen Vertragspreisen Aufträge akquirieren. Sie könnten weder subventionierte Preise anbieten noch darauf hoffen, dass der Staat Verluste ausgleicht. Obwohl einige Marksegmente eine Rekordnachfrage verzeichnet haben, böten chinesische Werften heute Baupreise, die um bis zu 30% niedriger sind als vor 15 Jahren, während im selben Zeitraum die durchschnittliche Entlohnung in China um knapp 400% gestiegen ist. Koreanische Werften, die in diesem Preiskampf mitgehalten haben, hätten einen Verlust von 3,3 Mrd. $ in 2021 zu verzeichnen. „Ohne durchgreifende Veränderung der politischen definierten Rahmenbedingungen wird Europa in den kommenden zehn Jahren die Fähigkeit zum zivilen Seeschiffbau in signifikanten Umfang verlieren“, warnt VSM-Präsident Harald Fasssmer. Schon heute sei die maritime Wirtschaft in Europa und überdurchschnittlich in Deutschland – in erheblichem Umfang von Lieferungen aus China abhängig. Deutsche Reeder platzierten Neubaubestellungen im Wert von 4 Mrd. €, davon 55% in China und 44% in Korea, der G20-Volkswirtschaft mit der größten Abhängigkeit von chinesischen Vorprodukten. Obwohl die Reedereiwirtschaft durch erhebliche Steuermittel unterstützt werde, verblieben gerade einmal 1% der Neubauinvestitionen in der EU. Dank europäischer Investitionen wachse der Einfluss Chinas auf den globalen Güterverkehr Tag für Tag. China produziere 96% aller Container und 80% aller Containerbrücken. Der Einfluss des Reichs der Mitte auf den globalen Güterverkehr sei schon heute exorbitant, wie die aktuellen Störungen durch die covidbedingten Hafenschließungen zeigten. Gleichzeitig baue China auch über günstige Finanzierungen der platzierten Neubauaufträge seinen weltweiten Einfluss auf die Handelsflotten kontinuierlich weiter aus. Die Bundespolitik habe die schmerzhafte Abhängigkeit von russischen Energieträgern erkannt und adressiere diese entschlossen. Der VSM fordert die Bundesregierung auf, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und auch die stetig wachsende maritime Abhängigkeit und den drohenden Verlust der Freiheitsindustrie Schiffbau entschlossen und mit strategischem industriepolitischem Weitblick entgegenzutreten. Dabei reichen die Wünsche von einem dauerhaften KfW-Förderprogramm für den Bau besonders umweltfreundlicher Schiffe über einen durch staatliche Garantien abgesicherten Investitionsfonds für eine umweltfreundliche Küstenschiffsflotte bis zu kostenneutralen Hermeskreditversicherungen für inländische Schiffseigner auch dann, wenn sie ihr Deutschland gebautes Schiff im Ausland einsetzen. JPM