Gemeinsamer Aufruf zur Gleichstellung von Frauen in der Schifffahrt
Auch wenn in der Kreuzfahrtbranche der Anteil der Frauen selbst in Führungspositionen an Bord und an Land vergleichsweise weit über dem Durchschnitt liegt und zunimmt, ist die weibliche Präsenz in der Schifffahrt weltweit nur marginal und der Weg zur Gleichstellung noch weit.
„Ich bin davon überzeugt, dass es sich die maritime Branche nicht erlauben kann, auf die Kompetenz und das Engagement junger Frauen zu verzichten. Wir wissen aus Untersuchungen, dass Unternehmen mit einem hohen Maß an Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auch kreativer, innovativer und erfolgreicher sind“. Das stellte Hamburgs Wirtschaftssenatorin Dr. Melanie Leonhard am 31. Mai in ihrem Grußwort vor den mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Senatsempfangs zum „2. Internationalen Tag der Frauen in der Schifffahrt“ im Hamburger Rathaus fest.





Fotos: Jens Meyer
2021 hatte die internationale Schifffahrtsorganisation IMO beschlossen den 18. Mai eines Jahres als Datum für einen Tag aufzurufen, an dem die Frauen in der maritimen Branche gewürdigt und ihre Position gestärkt werden sollte. In Deutschland wurde danach der 1. Internationale Tag der Frauen in der Schifffahrt am 18. Mai 2022 in Bremen veranstaltet.
Bei dem in diesem Jahr in der Hansestadt an der Elbe als bedeutendstem deutschen Schifffahrtsstandort zwar nicht exakt zu diesem vorgegeben Datum, dafür aber mit überwältigender weiblicher Präsenz durchgeführten Veranstaltung gab es bei allen Gastrednerinnen und den an der Podiumsdiskussion Beteiligten einen breiten Konsens darüber, dass man sich zwar inzwischen auf einem guten Weg befinde, aber noch viel zu tun bleibt, um die angestrebten Ziele zu erreichen.
Dabei geht es nicht nur darum, Frauen in der maritimen Wirtschaft sichtbarer zu machen und angesichts des auch in dieser Branche spürbaren Fachkräftemangels u.a. deren vorhandene Managementkompetenz zu nutzen, sondern auch um Beiträge zur Förderung des Verbleibs und der dauerhaften Beschäftigung von Frauen im maritimen Sektor, Schärfung des Profils von Frauen in der Schifffahrt, Unterstützung der Arbeit zu Beseitigung des derzeitigen Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern in der Schifffahrt und die Stärkung des Engagements der IMO für das UN-Nachhaltigkeitsziels Nr. 5, der Gleichstellung der Geschlechter.
Wirtschaftssenatorin Leonhard, die die Gleichstellung der Geschlechter als ein wesentliches Ziel des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg unterstricht, räumte zwar ein, dass die Ausbildung und ein Berufsweg auf See sicherlich herausfordernd sind, doch zugleich sei die maritime Wirtschaft eine spannende Branche, bei der man am Thema nachhaltige Logistik unmittelbar mitwirken kann. Dafür lohne es sich für alle Beteiligten, Frauen in der maritimen Wirtschaft noch mehr zu fördern und voranzubringen.
„Frauen haben in der Schifffahrt eine lange Geschichte, in der sie oft unsichtbar und unterrepräsentiert waren. Das hat sich heute verändert, es gibt viele talentierte Frauen, die in verschiedenen Rollen auf Schiffen und in unseren Reedereien tätig sind“, betonte auch die Präsidentin des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Dr. Gaby Bornheim, die den anwesenden Frauen als Wegbereiterinnen Respekt zollte und überzeugt ist, dass Frauen alles können, was auch Männer können und daß dies auch technische Berufe nicht ausschliesse.
„Wir sind stolz darauf, dass immer mehr Frauen in der Schifffahrt Karriere machen und führende Positionen in unserer Branche einnehmen“, so die Präsidentin, die auch schon beim „1. International Day of Women in Maritime“ in Bremen als Gastrednerin die Leistungen und Beiträge von Frauen in der maritimen Industrie gewürdigt und die Bedeutung der Geschlechtervielfalt in dieser Branche betont hatte.
„Wir müssen fortwährend daran arbeiten, eine inklusive und gerechte Arbeitsumgebung für Frauen in der Schifffahrt zu schaffen und die Chancengleichheit zu fördern. Ich möchte alle Frauen in der Schifffahrt ermutigen, ihr Talent und ihre Fähigkeiten voll auszuschöpfen und sich für ihre Karriereziele einzusetzen“, so Bornheim weiter. Es gebe heute viel bessere Einstieg und Möglichkeiten für eine erfüllende Karriere, denn die maritime Wirtschaft durchlaufe derzeit einen umfassenden Wandel, der durch einen Tsunami von drei Ds – Dekarbonisation, Digitalisierung und einem echten Ruf nach Diversifizierung – angetrieben werde.
Handlungsbedarf sah auch Sabine Zeller, Geschäftsführerin der Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt (BBS), Bremen, hinsichtlich des Nachwuchsmangels, der Arbeitsbedingungen an Bord, der Work Life-Balance und Geschlechterfrage. Vor dem Hintergrund des diesjährigen Mottos des Frauentages in der Schifffahrt „Mobilisierung von Netzwerken für die Gleichstellung der Geschlechter“ ging sie dabei insbesondere auf die noch unzureichende Netzwerk-Situation für Frauen ein.
Die seit Dezember 2021 im Amt befindliche VDR-Präsidentin Dr. Gaby Bornheim thematisierte u.a. die aktuelle Unterrepräsentation der Frauen in der maritimen Branche mit konkreten Zahlen: Bereits am 18 Mai hatte auch der Präsident des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Helge Heegewaldt, darauf hingewiesen, dass nach IMO-Angaben nur etwa 1,2 Prozent der 1,9 Millionen Seeleute weltweit weiblich sind. An Bord der deutschen Handelsflotte arbeiteten seien rd. 400 Frauen tätig, was etwa sechs Prozent der rd. 6900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Handelsflotte entspreche. Damit stehe Deutschland im internationalen Vergleich zwar gut da, dennoch bleibe „noch ganz viel Luft nach oben“.
Die Vorteile einer größeren Vielfalt in der Belegschaft auch in der maritimen Wirtschaft lägen auf der Hand. Leider werde im maritimen Bereich gerade auf Schiffen und im nautischen Bereich noch viel zu wenig auf die Kompetenz und das Engagement von Frauen gesetzt. „Das müssen wir ändern“, so Heegewaldt. Man müsse Frauen ermutigen, Verantwortung auch für Arbeitsbereiche mit einem hohen Männeranteil zu übernehmen- auch in Führungspositionen. Stärkere Vernetzung sei eine wesentliche Voraussetzung für die Erreichung des Ziels einer Gleichstellung. Arbeitgeber müssten attraktivere Angebote machen wie Arbeitsmodelle in Teilzeit und mit der Möglichkeit zum Homeoffice. „Wir müssen kommenden Generationen Mut machen, in der Schifffahrtsbranche tätig zu werden“. Hamburg gehe mit gutem Beispiel voran: Bereits 1981 habe hier die erste Konferenz „Ladies in Shipping“ stattgefunden. Und nach 115 Jahren leite mit Dr. Gaby Bornheim erstmals eine Frau den Verband Deutscher Reeder.
„Wir als Verband Deutscher Reeder werden weiterhin daran arbeiten, die Bedingungen für Frauen in der Schifffahrt zu verbessern und die Geschlechtervielfalt in unserer Branche zu fördern“ verspricht auch Dr. Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des VDR. JPM