Ursprünglich sollten die drei innovativen Plug-in-Hybrid-Fähren-Neubauten bereits ab Ende 2021 die Flotte der HADAG Seetouristik und Fährdienst AG, Hamburg, verstärken. Stattdessen wird die Übergabe des Trios nunmehr erst zwischen Januar und August 2024 erwartet. Ein entsprechender Festauftrag ist am 19. Juli 2022 in Hamburg mit der SET Schiffbau- u. Entwicklungsgesellschaft Tangermünde mbH unterzeichnet worden.
Zwar war die Werft bereits bei der 2019 angekündigten und 2020 erfolgten europaweiten Ausschreibung als günstigster Anbieter hervorgegangen und Ende des gleichen Jahres mit dem Auftrag bedacht worden, doch dann zog die unterlegene – und bekanntlich im Sommer 2021 in die Insolvenz gerutschte – Hamburger Pella Sietas Werft dagegen vor das Hanseatische Oberlandesgericht. Dieses hat nach monatelangem Rechtstreit mit seinem Urteil die Entscheidung der Vergabekammer gekippt, in dem es deren Wertungskriterien für vergaberechtswidrig erklärt und den versuchten Ausschluss der Hamburger Werft von der Auftragsvergabe gerügt hat.
Wie viele Werften in der danach mit den überarbeiteten Vergabekriterien durchgeführten Runde neue Angebote vorgelegt haben, ob sich dabei Preiserhöhungen gegenüber der ersten Runde gezeigt haben oder auch weiterhin noch Optionen für drei Nachbauten im Raum stehen, wurde nicht mitgeteilt. Verständlich aber ist die Erleichterung von SET-Geschäftsführer Olaf Deter über die erneute Bestätigung: „Unsere Freude ist sehr groß, dass wir uns in einem äusserst intensiven Ausschreibungs- und Vergabeverfahren letztendlich gegen unsere Mitbewerber durchsetzen konnten“, sagte er anlässlich der Unterzeichnung der Vertrages am Dienstag an Bord des 1962 erbauten Hafenfähren-Oldies „Kirchdorf“.
Bei den in Zusammenarbeit mit der Flensburger naValue GmbH als Typ 2030 entwickelten Neubauten, die unter den SET- Bau-Nrn. 212, 213 und 214 geführt werden, handelt sich um den heutigen „Bügeleisen“-Fähren ähnliche Schiffe mit batterie-elektrischem Hybridantrieb die mit 33,40 m Länge jedoch rd. 3 m länger und 8 m breit sind. Das senkt den Energiebedarf und schafft mehr Raum für Multifunktionsflächen. Auch die Einstiegsbereiche wurden einem steigenden Fahrgastaufkommen angepasst. So gelangen die Fahrgäste beim Einstieg nicht direkt in den Innenbereich oder auf die Außentreppe, sondern zunächst auf ein großes Außendeck, von dem sich aus der Fahrgaststrom verteilen kann. Dies ermöglicht einen zügigeren Passagierwechsel und sorgt damit auch für einen geringeren Verbrauch. Das neue Außendeck auf dem Hauptdeck ist zudem gut für die Mitnahme von Fahrrädern geeignet. Die Kapazität der knapp 12 kn schnellen Schiffe, die ebenfalls im Ein-Mann-Konzept gefahren werden, wird mit 250 Personen angegeben.
Im ersten Schritt werden die Batterien des Schiffes nachts mit Landstrom aufgeladen, um einen möglichst großen Teil des Betriebes elektrisch durchführen zu können. Da die Batteriekapazität für den gesamten Betrieb nicht ausreichen wird, ist ein sogenannter Range-Extender notwendig. Diese Funktion wird zunächst durch einen Dieselgenerator abgedeckt, der zu einem späteren Zeitpunkt durch die Nachrüstung mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellensystem ersetzt werden kann.
„Die innovativen Plug-in-Hybrid-Antriebe sind technisch bereits für den Einsatz der Wasserstofftechnologie konzipiert und ermöglichen in Zukunft einen komplett emissionsfreien Betrieb auf der Elbe. Für uns bedeuten die neuen Schiffe vom Typ 2030 einen riesigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität“, so HADAG-Vorstand Dr. Tobias Haack. Er ist überzeugt: „Mit der SET-Werft haben wir einen erfahrenen und innovationserprobten Anbieter an Bord. So steht einer emissionsfreien Zukunft der HADAG nichts mehr im Wege“.
Aktuell verfügt die HADAG über eine Flotte von 26 Schiffen mit Kapazitäten zwischen 114 und 250 Passagieren im Einmann-Betrieb. Auf sieben Linien mit 20 Anlegern und einer jährlich zurückgelegten Strecke von mehr als 330 000 Seemeilen werden im ganzjährigen Betrieb mehr als 180 000 Abfahrten geboten. In den letzten 20 Jahren hat sich die Fahrgastanzahl auf rd. 10 Mio. Fahrgäste mehr als verdreifacht. Die HADAG wurde 1888 als Reederei unter dem Namen Hafendampfschiffahrts-Actien-Gesellschaft gegründet. Seit ihrer Überführung in staatliche Hand 1921 ist sie Betreiberin aller öffentlichen Fährverbindungen im Hamburger Hafen. Als Bestandteil des HVV leistet sie mit ihrer Flottenstrategie einen Beitrag zu den Zielen des Klimaplans der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Neubauten sind ein weiterer Teil dieser Bestrebungen, neben dem 2017 und 2018 bei Pella Sietas erfolgten Bau der dieselelektrischen Typ 2020-Schiffe „Kehrwieder“ und „Elbphilharmonie“- eine Weiterentwicklung des zwischen 1997 und 2014 gebauten Typs 2000 – sowie der Nachrüstung der bestehenden HADAG-Flotte mit Abgasnachbehandlungssystemen.
Künftig auch auf der Alster Elektroantrieb obligatorisch
Auf Beschluss des Hamburger Senats soll auch auf der Alster ab 2025 die Elektromobilität ausgebaut, Dienstfahrzeuge elektrifiziert und die Ladeinfrastruktur an den öffentlichen Liegeplätzten ausgebaut werden. Bis 2030 soll der Verkehr auf der Aster weitgehend elektrifiziert sein. Dazu soll u.a. die Alsterschifffahrtsverordnung so angepasst werden, dass künftig nur noch Wasserfahrzeuge mit elektrischen Antrieb zugelassen werden und für Schiffe mit Verbrennungsmotor eine Übergangsfrist festgesetzt wird. Davon wäre dann auch die Flotte der HADAG-Schwestergesellschaft ATG Alster Touristik GmbH betroffen. JPM