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Bis zur Arretierung

Das Kreuzfahrtschiff New Imperial Star war nicht von Anfang an ein „neuer imperialer Star“, es hat eine lange, aufregende und zuletzt tragische Geschichte.

Imperial ist eine Sprachableitung von Imperium, und die bezieht sich auf den römischen Herrscherbereich. Als das antike Imperium Romanum beherrschte die damals bekannte Welt. Das Schiff, um das es hier geht, besaß nie ein Imperium, war nie kaiserlich und hatte keine herrschaftliche Schiffsarchitektur.

Ursprünglich hatte das Schiff einen anderen Namen erhalten, den von Dimitri Schostakowitsch (1906-1975), ein russischer Komponist und Pianist in der Sowjetzeit. Er schuf Sinfonien, Instrumentalkonzerte und ganze Bühnenwerke, die zu den großen Kammermusikrepertoires des 20. Jahrhundert zählen. Die Stalinzeit überlebte er nur knapp, und das passt irgendwie zum Schiff, das seinen Namen, in der Translation offiziell als Dmitriy Shostakovich geschrieben, trug.

Das Schiff, ursprünglich als Passagier/Autofähre konzipiert, wurde als Baunummer B 492/01 in von der polnischen Werft Stocnia Szczecinska im Adolfo Warskiego in Stettin erstellt. Am 10. Januar 1979 fand die Kiellegung statt, am 29. Dezember 1979 erfolgte der Stapellauf. Das Motorschiff war das Typschiff einer Baureihe von sieben Fährschiffen, die von den Polen in ihrer Stettiner Werft zwischen 1980 und 1986 erstellt wurden. Auftraggeber des Neubaus war die sowjetische Reederei Black Sea Shipping Company, mit Odessa als Heimathafen.

Anfangs sollte das Schiff als Autofähre im Schwarzen Meer eingesetzt werden, dazu kam es aber nicht. Man hatte bei der Planung die Heck- und Seitenpfortenhöhe auf international übliche Kaihöhen ausgerichtet, nicht aber auf die unterschiedlichen Abmessungen im Schwarzen Meer. Später, nach dem Umbau zum reinen Kreuzfahrtschiff konnte ein Großteil des Autodecks nunmehr als „Parkdeck“ für Fahrzeuge der Passagiere genutzt werden. Ein Anlanden der Autos auf Reisen war aber aus zollrechtlichen Gründen nicht möglich.

Von der Reederei organisierte Kreuzfahrten zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer wurden bereits ab Ende 1980 für sowjetische Passagiere angeboten. Das schlechte Seeverhalten mit dem breiten Bug führte 1985/86 zu einer notwendigen größeren Umgestaltung des Vorschiffes auf der Öresundsvarvet im schwedischen Landskrona. 1991 erfolgte eine weitgehende Erneuerung der Inneneinrichtung auf der Lloyd Werft in Bremerhaven. Die polnische Qualität des „Innenlebens“ erwies sich als dringend sanierungsbedürftig.

Das Schiff hatte auch nach der Sanierung eine bescheidene Ausstattung. Es gab sechs Passagierdecks für 350 Passagiere in 174 Kabinen, die von 150 Crewmitgliedern betreut wurden. Neben dem Hauptrestaurant gab es anfangs ein zweites, einfaches Buffet-Restaurant, welches anlässlich der Umbauten in das Hauptrestaurant integriert wurde. Zwei Aufzüge waren vorhanden, auch ein kleines Casino und Kino sowie ein Außenschwimmbad, aber ohne Whirlpools.

Das Schiff war 133,15 Meter lang und 21 Meter breit, der Tiefgang lag bei 5,60 Metern. Die Vermessung wurde zuletzt mit 12.586 BRZ angegeben. Angetrieben wurde es dieselmechanisch mit vier Dieselmotoren von Sulzer-Skoda des Typs 6 LZ40/48 über zwei Verstellpropeller. Die Leistung der Motoren lag bei 12.800 kW (17.403 PS), die Höchstgeschwindigkeit betrug 18 kn (33 km/h).

Die sowjetische Black Sea Shipping Company übergab nach den Wirren um Glasnost das Schiff zuerst an eine Nachfolgefirma namens Blasplan und nach weiteren finanziellen Wirren erfolgte eine Übergabe zusammen mit einem Schwesterschiff als „Pfand“ für unbezahlte Kohlenlieferungen im April 2000 an ein Unternehmen in der Schweiz.

Foto: Jürgen Saupe

Eingetragen für die Reederei Macro Maritime wurde das Schiff in Paloma umbenannt und im deutschen Chartermarkt angeboten.

Mit Columbus Kreuzfahrten, Neckermann Seereisen und später Hansa Touristik begann dann die Karriere der Paloma als preisgünstiger Kreuzfahrer für den deutschen Markt.

Die Schweizer fühlten sich mit ihren so genannten Pfandschiffen als Reeder nicht gerade glücklich und suchten nach einem Käufer. Im Dezember 2001 konnte die Paloma an die italienische Reederei Di Maio & Partners (D&P Cruises), Neapel, verkauft werden.

Die touristische Vermarktung mit Hansa Touristik wurde trotz dieses Verkaufs erfolgreich fortgesetzt. Doch auch die Reederei Di Maio & Partners blieb von finanziellen Turbulenzen nicht verschont. Einhergehend mit einem erneuten Flaggenwechsel und Umbenennung in Paloma I wurde das Schiff am 27. Oktober 2003 an die Partnerfirma Dimaiolines Srl. übertragen. Das geplante Kreuzfahrtprogramm für 2007 wurde Anfang des Jahres überraschend abgesagt und das Schiff kurzfristig als Kasinoschiff an Everis Capital Holdings nach Fernost verkauft.

Nach einem Umbau (das bisherige Hauptrestaurant mutierte zum Kasino, das Restaurant wechselte in die bisherige Lounge) kam das Schiff als Royale Star unter St. Vincent & Grenadines-Flagge mit Heimathafen Kingston in Fahrt.

Foto: Sammlung JSA

Das Schiff wurde über die Jahre arg vernachlässigt und befand sich in keinem guten Zustand. Die jährlich notwendigen Arbeiten nannte man „Renovierungen“. Everis Capital Holdings Limited beschloss, den „Dampfer“ nach Singapur zu bringen, um ihn dort als Kasinoschiff in den Gewässern um den Inselstaat schippern zu lassen. Das lief auch hier nicht optimal, weshalb es 2013 zum erneuten Verkauf kam. Die chinesische Reederei Skywill Management Limited übernahm das von der Arising International Holdings, Hongkong, angekaufte Schiff. In seinen letzten Jahren trug es nun den Namen New Imperial Star. Eine Zeitlang soll das Schiff laut einiger Medien in kriminelle chinesische Machenschaften verwickelt gewesen sein. Im Oktober 2015 kam es im Hafen von Hongkong zu einer hafenstaatlichen Überprüfung, die wegen 27 schwerwiegenden Mängeln zu einer Arretierung führten. Die Crew saß ohne Heuer über Monate auf dem „Dampfer“ fest, bis ihre Rückkehr ermöglicht wurde. Danach wurde die New Imperial Star zwangsversteigert für 1,46 Millionen US-Dollar. Bald darauf wurde dem Schiff obendrein die Klasse entzogen.

Foto: Sammlung JSA

Im September 2016 wurde es noch einmal umbenannt in New und unter die Flagge von Palau gebracht. Einen Monat später ging es zum Abbruch ins indische Alang.

Würde dieses Schiff sprechen können, hätte es viel zu klagen. Es war, so sagen Schiffsexperten, ein „putziger“ Kreuzer, zwar puristisch nach heutigen Maßstäben, aber auch originell. Doch ihm war zu lange zu arg zugesetzt worden.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer und Jürgen Saupe