Die RMS Empress of Canada war das Flaggschiff des kanadischen Kreuzfahrtgewerbes. Es bereiste alle Ozeane, bis es tragisch endete.
Vor Beginn der 1920er Jahre wollten auch die Kanadier Passagierschiffe bauen, um ihre Bürger angenehmer in die große weite Welt zu bringen und von anderen Destinationen aus Menschen nach Kanada zu holen. Deshalb begann 1920 der Bau des Dampfers Empress of Canada, das war ein großes und ambitioniertes Projekt.
Die Geschichte der Linien- und Kreuzfahrtschiffe kennt mehrere Ozeandampfer, die unter dem Label Empress weltweit unterwegs waren. Die 1922 in Dienst gestellte RMS Empress of Canada war aber das stattlichste Schiff mit diesem Namen, es fuhr unter der Flagge Kanadas, Heimathafen war Vancouver am Pazifik.
Die kanadische Reederei Canadian Pacific Steamship Company wollte ein Schiff nach dem Stand der seinerzeit besten Technik bauen lassen und hatte ein klares Konzept. Der Dampfer sollte im transpazifischen Passagier- und Postverkehr zwischen der Westküste Kanadas und Japan, Hongkong sowie China eingesetzt werden. Man wollte auf Nummer sicher gehen, weshalb der Auftrag nach Europa ging. Denn der gewählte Name war eine Verpflichtung – Empress heißt schließlich Kaiserin.
Das Schiff wurde als Bau-Nr. 528 von der Bauwerft Fairfield Shipbuilding and Engineering in Govan nahe dem schottischen Glasgow erstellt, am 18. August 1920 lief es vom Stapel. Der Bau sollte am Ende 6,8 Millionen Dollar kosten.
Die Empress of Canada war 199 bzw. 191,11 Meter lang und 23,71 Meter breit, der maximale Tiefgang betrug 12,7 Meter. Vermessen wurde sie mit 21.517 BRT, die Indienststellung erfolgte am 5. Mai 1922 in Falmouth. Die Jungfernfahrt ging zunächst nach Suez und Hongkong. Danach erfolgte der Einsatz auf transpazifischen Routen. Die Empress of Canada war damals das größte Schiff, das im Transpazifik-Dienst Personen beförderte. Ihre „Namensschwestern“ waren die Empress of France, die Empress of Britain, die Empress of Australia und andere. Es war eine noble Gesellschaft. Der erste Kapitän des kanadischen Dampfers war A. J. Hailey.
Das Schiff wurde von sechs Dampfturbinen angetrieben, die Leistung lag bei 26.000 PS (19.123 kW) und wurde auf zwei Propeller abgegeben. Als Höchstgeschwindigkeit wurden zunächst 18 und nach einem 1928 erfolgten Maschinenwechsel 21 kn (39 km/h) erreicht. In jener Zeit stellte sich die Klassengesellschaft auch im Schiffsverkehr dar. In der Ersten Klasse waren 488 Personen untergebracht, in der Zweiten Klasse 106 und in der Dritten Klasse 926 Passagiere. Die genaue Anzahl der Besatzung ist nicht überliefert.
Es war ein stolzes Schiff, die langen Rumpfseiten waren weiß bemalt worden, dazwischen ein rotes Band rund um das gesamte Schiff. Es besaß drei Schornsteine und verfügte über je einen hohen Mast auf dem Vor- und Achterschiff. In der Flotte der Canadian Pacific Steamship Company war es das mit Abstand attraktivste Schiff.
1923 war die Empress auf Fahrt nach Tokio. Dort traf sie am 4. September ein, drei Tage nach dem verheerenden Kantö-Erdbeben auf der Hauptinsel Honshu. Der Auf- und Ausbruch der Erde forderte Tausende Todesopfer, eine genaue Zahl wurde nie ermittelt. In diesem Ausnahmezustand hatte der britische Konsul sein Hauptquartier auf ein am 20. Dezember 1913 für die Hapag in Stettin als Admiral von Tirpitz vom Stapel gelaufenes „Schwesterschiff“ der Canadian Pacific verlegt, auf den im Juli 1921 von der Canadian Pacific Steamship Company aus England angekauften Dampfer Empress of Australia. Die gerade angekommene Empress of Canada wurde in Tokio an den Rettungs- und Hilfsarbeiten umgehend beteiligt. Kurzerhand waren 31 Japaner, 362 Chinesen und 587 Europäer an Bord genommen und nach Kobe gebracht worden, eine Großstadt auf Honshu. Dieser schnelle Beistand in einer Katastrophenlage fand weltweit Beachtung und Anerkennung.
War die Empress of Canada bis dahin zwischen der Westküste Kanadas und dem Fernen Osten eingesetzt gewesen, kam es am 30. Januar 1924 von New York aus zur ersten Weltumrundung des Schiffes, organisiert von Canadian Pacific. Im September 1929 kehrte es vom britischen Southampton aus nach Québec zurück über den Panamakanal nach Vancouver. Die Empress of Canada galt nun als renommiertes Kreuzfahrtschiff. Auf der Pazifikroute hatte es 200 Fahrten zurückgelegt.
Zehn Jahre später, im November 1939 und nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Empress of Canada vom kanadischen Staat als Truppentransporter eingezogen. Das Schiff wurde komplett umgebaut, Fotos von damals zeigen, dass dort, wo sich die Kabinen befanden, auf großer Fläche Feldbetten in die weiten Räume gesetzt wurden. Das Schiff gehörte ab sofort zu den Schiffen des ersten Konvois (US 1) zwischen Australien und Neuseeland, was zunächst noch geheim gehalten wurde. Bestimmt war es für die Zubringung von Soldaten in die Region Nordafrika.
Am 6. Januar 1940 verließ die Empress of Canada den Hafen im neuseeländischen Wellington und schloss sich dem australischen Schiffskonvoi an. Am 8. Februar erreichte sie Aden in Jemen, wo sie den Konvoi verließ und in Richtung Suez weiterfuhr. Im September 1941 war das Schiff Teil der „Operation Gauntlet“, es evakuierte Alliierte von Spitzbergen, nachdem die Sowjetunion die nordeuropäische Insel angegriffen hatte. Die Funktion der Empress of Canada war weiterhin, ANZAC-Truppen aus Neuseeland und Australien nahe an die europäischen Kriegsgebiete heranzubringen. Bis 1943 war sie ein Transportschiff für Soldaten, brachte aber auch Flüchtlinge und Kriegsgefangene in Sicherheit. Sie war nun schon vier Jahre im militärischen Dienst.
1943 wurde zum letzten Jahr der RMS Empress of Canada. Das Schiff unter dem Kommando des Kapitäns George Goold war im März des Jahres auf der Fahrt im Südatlantik von Durban in Südafrika nach Takoradi in Ghana. An Bord befanden sich 1346 Menschen, darunter 499 italienische Kriegsgefangene, dazu polnische und griechische Flüchtlinge. Am 13. März kurz nach Mitternacht griff das italienische U-Boot Leonardo da Vinci auf Befehl seines Kommandanten, Kapitäns Gianfranco Gazzana Priaroggia, die Empress of Canada an. Ein einziger Torpedotreffer genügte, um den Beginn des Absinkens einzuleiten. Das Schiff befand sich rund 400 Seemeilen südlich von Cape Palmas entfernt vor der Küste Westafrikas.
Auf dem Dampfer brach das totale Chaos aus, vor allem bedingt durch die Sprachschwierigkeiten der Passagiere. Zudem sank es schnell, was zu einer Panik führte und die Rettungsaktion massiv behinderte. Der Kapitän des U-Boots gewährte für die Evakuierung nur eine halbe Stunde. Kapitän Goold und seiner Besatzung gelang es nicht, sich an Bord durchzusetzen und die Rettung geordnet durchzuführen. 392 Menschen ertranken beim Untergang des Schiffes im Atlantik, darunter 90 Frauen, die es nicht mehr schafften, von Bord zu kommen, und 44 Mitglieder der Besatzung. Fast die Hälfte der Todesopfer waren geschwächte italienische Gefangene. Auch für jene, die es geschafft hatten auf Rettungsboote zu gelangen, war das Überleben ein Kampf. Sie trieben zwei Tage auf dem offenen Ozean, der Wellenschlag war hoch und die Erschöpften wurden von Haien und Barrakudas attackiert.
Vermutlich kann sich niemand die Qualen der Überlebenden vorstellen. Erst am 15. März, zwei Tage nach dem Angriff, trafen der Zerstörer Boreas und die Korvetten Petunia und Crocus an die Untergangsstelle ein, am Morgen des 16. März kam noch die Corinthian der Ellerman Lines dazu. Die Schiffe nahmen die Dahintreibenden auf und brachten sie nach Durban, wo sie an Land kamen. Die meisten wurden von dort nach Liverpool gebracht.
Insgesamt hatte das U-Boot Leonardo da Vinci 17 feindliche Schiffe in diesem Krieg versenkt, die Empress of Canada war das größte unter ihnen. Die Kanadier ehrten ihr verlorenes Schiff, indem sie einen zweiten Neubau dieses Namens in Newcastle upon Tyne in Auftrag gaben, der im April 1961 in Dienst gestellt wurde. Dieses mit 27284 BRT etwas größere und mit Dieselmotoren angetriebene Schiff wurde im Januar 1972 an die im gleichen Jahr gegründeten Carnival Cruise Lines verkauft, die es nach Umbenennung in Mardi Gras als ihr erstes Schiff in Fahrt setzten und mehr als 20 Jahre betrieben.Nach einem1993 erfolgten Weiterverkauf nach Griechenland, mehreren Namenwechseln und jahrelanger Aufliegezeit erfolgte 2003 der Abbruch im indischen Alang.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer