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Da war das Schiff nicht mehr da

Die RMS Lakonia war in den frühen 1960er Jahren ein beliebter Luxusliner. Bis es zu einer Katastrophe kam, die niemand bewältigen konnte.

Es war ein Höhepunkt des Kreuzfahrt-Booms. Die Passagiere in den sechziger Jahren waren begeistert, über die Meere geschippert zu werden. An Bord Shuffleboard spielen, während das Schiff die Wellen durchpflügte, auf dem Oberdeck im Liegestuhl die Sonne zu genießen und, wenn es zu warm wurde, in den Pool zu steigen. Die Werbung für die Lakonia lautete: „mit absoluter Freiheit von Sorgen und Verantwortung“. Was für eine Verheißung.

Dem seinerzeit jungen Volker Gredig aus Bremerhaven, heute ein älterer Herr, war es gelungen, einen Job als Assistent des Zahlmeisters an Bord zu bekommen. Er war zu der Zeit auf der Lakonia, als sie zum beliebten Kreuzfahrtschiff mit großer Fan-Gemeinde avanciert war. Gredig hat das Ende in schicker weißer Uniform, von der Mütze bis zu den Schuhen, miterlebt und die Dramatik, als das Schiff in Brand geriet. Er ist einer der letzten Zeugen mit Aussagekraft.

Die Lakonia war 1930 an der holländischen Küste erbaut worden. Damals hatte das Passagierschiff, das von vornherein als Luxusliner entworfen worden war, im Liniendienst den Namen Johan van Oldenbarnevelt erhalten, nach einem populären Politiker und Diplomaten. Geplant war es für den damals regen Passagier- und Frachtdienst zwischen den Niederlanden und Niederländisch-Ostindien. Es gehörte der 1870 gegründeten niederländischen Stoomvaart Maatschappij „Nederland“, im internationalen Geschäft bekannt als Netherland Line.

Der Neubau entstand auf der Nederlandse Scheepsbouw Maatschappij in Amsterdam. Die Johan van Oldenbarnevelt war zusammen mit dem 1929 in Dienst gestellten Schwesterschiff Marnix van St. Aldegonde das größte Schiff, das bis dahin in den Niederlanden gebaut wurde. Beim Stapellauf am 3. August 1929 ließ Taufpatin Tegelberg-Hooft die Flasche am Rumpf des Schiffes zerschellen. Es konnte 770 Passagiere aufnehmen, dazu eine Ladung von 9000 Tonnen.

Die Einrichtung im Innern des Schiffes war exklusiv. Es wurden eigens zwei Künstler engagiert, der Bildhauer Lambertus Zilj und der Maler und Lithograph Carel Adolph Lion Cachet. Das Schiff strotzte von hochwertigen Materialien. Polierter Marmor, Teakholztäfelungen, Kupferpaneelen in den Aufenthaltsräumen, dazu Kronleuchter, Statuen, Tapisserien und Mosaiken. Der Rauchsalon der Ersten Klasse war mit Edelhölzern möbliert worden, er breitete sich unter einer Glaskuppel aus, vier Panoramafenster eröffneten den Blick auf das Vordeck. Drei Speisesäle, ein Schreib- und Leseraum, ein Musiksalon, der Kindergarten und mehrere Bars gehörten zur Ausstattung. Schon damals erhielt das Schiff auf dem Sportdeck einen Swimmingpool, der bei schlechtem Wetter überdacht werden konnte mit einem Glasdach. Es war ein Schiff der Spitzenklasse.

Mit der Kiellegung als Baunummer 194 ging es am 29. Juni 1928 ans Werk. Die Fertigstellung des mit 19040 BRT vermessenen Schiffes erfolgte am 13. März 1930. Es war 178,7 Meter lang, 22,8 Meter breit und der Tiefgang lag bei maximal 12,5 Metern. Die Maschinenanlage bestand aus zwei 10-Zyl.-Dieselmotoren der Sulzer AG mit einer Leistung von 14.000 PS (10.297 kW). Über zwei Propeller wurde eine Geschwindigkeit von max. 19 kn (35 km/h) erreicht. In der Ersten Klasse bot das über sieben Decks verfügende Schiff Platz für 366 Personen, in der Zweiten Klasse 280, in der Dritten Klasse 64 Passagiere und in der vierten Klasse 60, zur Besatzung gehörten 136 Mitglieder.

Johan van Oldenbarnevelt, Foto: Sammlung JSA

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, charterte die Holland-America Line die Johan van Oldenbarnevelt und ließ das Schiff im indonesischen Djakarta registrieren. Zunächst setzte man es in der Frachtfahrt ein. Ab Januar 1941 wurde es von der nordirischen Werft Harland & Wolff in Belfast zum Truppentransporter umgebaut, es konnte bis zu 4000 Soldaten der Alliierten aufnehmen. Das Management lag seinerzeit bei der Orient Line. 1943 wurde das Schiff in Willemstad auf Curacao registriert. Nach Einsatz in Indien, Singapur und Penang kehrte das Schiff erst am 13. Februar 1946 zurück in den Heimathafen Amsterdam, im März des Jahres wurde es der niederländischen Regierung übergeben. Nach der Rücklieferung durch die Regierung unterzog die Netherland Line das Schiff einem Refit und setzte es 1946 wieder zwischen Amsterdam und Djakarta ein. Als 1945 in Indonesien der Unabhängigkeitskampf begann, hatte das Schiff bis 1950 holländische Soldaten zu repatrieren.

Im September 1950 wurde das Schiff aus der Ostindienfahrt zurückgezogen und im Liniendienst zwischen Australien und Neuseeland eingesetzt. Weil das gut anlief, ließ man das Schiff in Amsterdam komplett umbauen zum Passagierschiff für 1414 Gäste ohne Klassensystem und mit einer um acht auf insgesamt 24 erhöhten Zahl an Rettungsbooten. 1958 erfolgte bei der Amsterdamsche Droogdok Maatschappij (ADM) eine weitere Modernisierung, bei der die Kabinen umgebaut und vergrößert wurden sowie drei Luxussuiten dazu kamen.Das war hohes Niveau, es entsprach dem vor dem Krieg. Die Passagierzahl wurde dabei von 1414 auf 1210 Personen reduziert. Zum Umbau gehörten neben den weiteren drei Luxussuiten ein neuer Nachtclub, Kino, Souvenirgeschäft, eine größere Promenaden-Lounge und ein zweiter Swimmingpool. Der Hauptmast wurde umgesetzt, die Decks achtern verlängert, die Schornsteine erhöht und der schwarze Rumpf grau gestrichen. Die Johan van Oldenbarnevelt war nun zum Kreuzfahrtschiff geworden.

Am 2. April 1959 bekam das Schiff einen neuen Heimathafen: Southampton. Sie wurde eingesetzt für Weltumrundungen, die letzte Reise startete am 30. Juni 1962 und endete am 3. Februar 1963 in Sydney, wo die Netherland Line die Johan van Oldenbarnevelt außer Dienst stellte, nach 33 Jahren. Sie nahm dann Kurs auf Genua, wo sie am 7.März 1963 eintraf.

Die Reederei hatte einen Abnehmer gefunden: Am 8. März 1963 übernahm dort die griechische Shipping Investment Corporation das Schiff. Die Griechen versprachen sich einen Erfolg und ließen weitere zeitgemäße Umbauten vornehmen. Decks und Aufenthaltsräume wurden neu gestaltet, zwölf Kabinen kamen hinzu und der achtere Swimmingpool wurde vergrößert. Eine Klimaanlage wurde im gesamten Schiff installiert.

Das auf 20314 BRT vergrösserte und mit einem weißen Rumpfanstrich versehene Schiff wurde in Lakoniaumbenannt, nach der griechischen Region Lakonien auf der Halbinsel Peloponnes. Der neue Betreiber, die auch als Greek Line bekannte Ormos Shipping Company (Goulandris) setzte das Schiff ab 24. April 1963 von Southampton aus zu Rundreisen von Southampton nach den Kanarischen Inseln ein. Bei einem kleineren Refit vom 9. bis 13. Dezember 1963 wurde u.a. ein pneumatisches Brennstoff-Einspritzsystem installiert. Einige Kabinen renoviert, sowie Küche und Pantry erneuert, sowie ein automatisches Brandalarmsystem und zwei Feuerbekämpfungsstationen mit entsprechender Spezialausrüstung installiert. Die 24 Rettungsboote konnten insgesamt 1455 Personen aufnehmen, in den Kabinen gab es Rettungswesten für alle Personen an Bord und weitere 400 zusätzliche an Deck.

Foto: Sammlung JSA

Am 19. Dezember 1963 legte die Lakonia in Southampton zu einer 11-tägigen Weihnachtsreise in Richtung Kanarische Inseln ab. Um etwa 23 Uhr am 22. Dezember fiel einem Steward auf, dass Rauch hinter der Tür des Friseursalons aufstieg. Als der Raum geöffnet wurde, brannte er bereits lichterloh. Rasend verbreitete sich die Feuerbrunst in den Korridor mit den Kabinen. 180 Meilen nordwestlich von Madeira wurde auf der Brücke Alarm ausgelöst, während Passagiere noch im Kino waren oder im Ballsaal tanzten.

Die Passagiere, die bereits ins Bett gegangen waren, kamen aus ihren Kabinen nicht mehr heraus – sie wurden die meisten Opfer unter den 646 Passagieren, bis auf 21 alles britische Staatsbürger, und den 376 Mitgliedern der vorwiegend aus Griechen und Deutschen bestehenden Crew. 128 Menschen, darunter 95 Passagiere und 33 Besatzungsmitglieder, verloren in dieser Nacht ihr Leben.

Foto: Sammlung JSA

Volker Gredig erinnert sich, dass die Flammen das Oberdeck erreichten, aber es wurden keine Gegenmaßnahmen getroffen. Kessel und Gasflaschen explodierten, das Schiff war im Nu in eine schwarze Rauchwolke getaucht. Gredig fand den Kapitän Mathios Zarbis wie gelähmt auf der Brücke. Er flehte ihn an, Kommandos zu geben, doch: „Der Kapitän starrt mit ausdrucksloser Miene auf das Meer.“ Wie er in einem Erinnerungsvortrag im Historischen Museum Bremerhaven berichte.

Gredig und andere Crewmitglieder versuchten, das Feuer zu löschen, die Flammen schienen sie zu verbrennen, die Löscheinrichtungen funktionierten nicht. Das Schiff trieb herrenlos dahin.

Foto: Sammlung JSA

Schnell waren andere Schiffe eingetroffen, sie hatten Rettungsboote. Doch man hielt sich zurück, weil eine große Explosion auf der wie eine Fackel brennenden Lakonia befürchtet wurde. Auf dem Schiff selbst wurde kurz vor 01.00 Uhr durch den Purser des Schiffes aufgefordert, man solle es so schnell wie möglich verlassen, weil es zu kentern drohe. Volker Gredig stieg die Strickleiter herunter ins Meer, er wollte nicht in den Sog des untergehenden Schiffes gerissen werden. Sein Glück war, dass er eine Rettungsweste hatte. Nach mehreren Stunden im kalten Wasser gelangte er auf ein Beiboot des 130 m langen britischen Frachters Montcalm, der gegen 04.00 Uhr an der Unfallstelle eingetroffen war. Da war das Schiff schon ausser Sicht. Dem norwegischen Schlepper Herkules gelang es am 24. Dezember gegen 05.30 Uhr eine Schleppverbindung zur Lakonia herzustellen und zusammen mit dem portugiesischen Schlepper Praia da Adraga und zwei anderen Schleppern mit dem weitgehend ausgebrannten Anhang Kurs auf Gibraltar zu nehmen. Unterwegs erhöhte sich dessen Schlagseite immer stärker, so dass er gegen 02.00 Uhr am 29. Dezember über seine Steuerbordseite kenterte und innerhalb von drei Minuten 230 Seemeilen südwestlich von Lissabon und 250 Seemeilen westlich von Gibraltar versank.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer