Die Prinzessin Victoria Luise war das erste Schiff der Welt, das als Kreuzfahrtdampfer gebaut wurde. Es hatte keine lange Lebensdauer.
Kaiser Wilhelm II. war von 1888 bis 1918 im Deutschen Reich der Herrscher, aber auch bekannt für seine maritime Begeisterung. Er regierte zeitweise von seinen Schiffen aus das Land, immer in Paradeuniform und mit einem aufgedrechselten Schnurrbart. Er war auch befreundet mit dem Hamburger Reeder Albert Ballin, dem Generaldirektor der Hapag.
Unter Wilhelms Nachfahren gab es nur eine Tochter, die Prinzessin Victoria Luise, und Ballin wollte das neu geplante Schiff nach dem jungen Kind benennen. Das entzückte den Kaiser, er beriet seinen Freund Ballin bei der Ausstattung des Schiffes. Es war ein Dampfer, der nicht Passagiere von A nach B transportierte, sondern mit ihnen über die Ozeane fuhr. Die Prinzessin Victoria Luise galt als Schiff fürs Vergnügen.
Das Schiff mit einer yachtähnlichen Form lief am 29. Juni 1900 als Bau-Nr. 144 bei der Hamburger Werft Blohm & Voss vom Stapel. Bereits am 19. Dezember 1900 wurde es in Dienst gestellt. Es war 137,7 bzw. 121,92 Meter lang und 14,33 Meter breit. Die Tragfähigkeit betrug 1480 tdw, vermessen wurde es mit 4419 BRT. Der Antrieb erfolgte durch zwei Vierfach-Expansions-Dampfmaschinen mit einer Leistung von 3600 PS (2648 kW), die auf zwei Propeller arbeiteten und für eine Höchstgeschwindigkeit 15 kn (28 km/h) sorgten. Ein luxuriöses Schiff mit 120 Erste-Klasse-Kabinen für 192 Passagiere und Unterkünften für 161 Besatzungsmitglieder.
Die Idee zu Luxuskreuzfahrten kam schon 1891 auf, da war Albert Ballin noch Leiter des Passagiergeschäfts der Hapag. Zunächst wollte er Schnelldampfer auf der Nordatlantikstrecke in den verkehrsarmen Wintermonaten umnutzen, um sie für Mittelmeer- und Orientreisen einzusetzen. Dazu kam es auch zunächst mit der Augusta Victoria, aber Ballin wollte das Geschäft ausweiten, 1896 schwebten ihm Kreuzfahrten zwischen den Westindischen Inseln vor. Das Projekt wurde umgesetzt, die Passagiere waren angetan, aber nicht begeistert.
Denn es zeigte sich, dass die nur wenig umgebauten Schnelldampfer an Bord kaum Abwechslung bereitstellten. Die Mehrklassenschiffe waren für die schnelle Fahrt zu ihren Zielhäfen konstruiert worden, nüchterne Schiffsbauten und zudem nicht für einen angenehmen Aufenthalt in südlichen Gewässern eingerichtet. Die Passagiere erlebten nur etwas, wenn sie auf Landausflügen waren.
Ballin hatte schon früh Pläne von eigenständigen Kreuzfahrtschiffen entwickelt, es fehlte nur das Geld. Zu Hilfe kam der Spanisch-Amerikanische Krieg 1898/1899, als zwei Schnelldampfer der Hapag – Columbia und Normandie – kurzfristig an die Spanier zu günstigen Preisen verkauft werden konnten. Sie wurden als Hilfskreuzer gebraucht. Dieser Deal führte auch dazu, dass Albert Ballin souverän als Generaldirektor an die Spitze der Hapag rückte. Jetzt wollte er ein Schiff, das ausschließlich für Kreuzfahrtzwecke benutzt wurde.
Das war nicht einfach, denn der Chef wurde in seinem Direktoriumskollegium als zu spleenig empfunden. „Es fehlte selbst in meiner allernächsten Umgebung nicht an Leuten, die glaubten, es sei in meinem Oberstübchen nicht alles ganz richtig“, beschwerte sich Ballin. Blühendes Bordleben, Musik, Spiele, festliche Dinner, eine Bordzeitung, weder Post noch Ladung – das war für die Traditionalisten nicht vorstellbar. Aber Ballin setzte sich energisch durch, er wollte Qualität auf den Weltmeeren.
Die Prinzessin Victoria Luise war zweimastig, mit eleganten schmalen Schornsteinen, einem runden Heck und einem Klipperbug, dekoriert mit üppig vergoldetem Zierrat, mit einem langen Bugspriet und einer Galionsfigur. Sie stellte die Prinzessin dar und prunkte über dem weiß gestrichenen Rumpf. Es war ein Dampfer für Gutbetuchte, für Kommerzienräte, Rittergutsbesitzer oder Konsuln. Die Kabinen hatten sämtlich Erste-Klasse-Format, alle bestanden aus Wohn- und Schlafzimmer, zusätzlich mit eigenem Bad und Toilette. Zu den beliebten Aufenthaltsräumen gehörten eine Bibliothek, ein Trainingsraum und eine Dunkelkammer für Fotoamateure. Als Kaiser Wilhelm II. nach Fertigstellung das Schiff auf einer Probefahrt in der Kieler Bucht inspizierte, soll er sichtlich neidisch gewesen sein über den Neubau, der luxuriöser ausfiel als seine Hohenzollern und zudem noch etwas länger war. Er rang sich dann aber zu der Würdigung „Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser“ durch.
Albert Ballin wollte groß auftrumpfen mit dem ersten Kreuzfahrtschiff – der Dienst sollte mit einer Weltreise beginnen. Schon im Mai 1900 sollte die Prinzessin Victoria Luise von Hamburg auf der Ostroute durch asiatische Gewässer nach San Francisco fahren, von dort hätten die Gäste im Luxuszug die USA durchquert, um dann mit einem Schnelldampfer nach Europa zurück zu reisen. Die Arbeiter machten ihnen einen Strich durch diese Rechnung, als sie auf der Bauwerft einen Streik begannen und sich dadurch der Start verschob. Zudem war bekannt geworden, dass es in China Unruhen gab und man das Land lieber nicht besuchen sollte. Der Plan musste geändert werden.
Am 5. Januar 1901 begann in Hamburg die Jungfernfahrt nach New York, über die Stationen Boulogne-sur-Mer und Plymouth. Das Wetter war dem ranken Schiff und seinen Passagieren nicht gewogen, die Winterstürme auf dem Nordatlantik ließen nicht nur einen großen Teil des kostbaren Geschirrs zu Bruch gehen, sondern auch viele Passagiere seekrank werden, sie stiegen erst am 17. Januar auf festen amerikanischen Boden. Gut dagegen liefen die Weiterfahrt von New York am 26. Januar nach Westindien und die zweite Kreuzfahrt durch das Mittelmeer bis ins Schwarze Meer. Unterwegs bewunderten viele Leute das prächtige Schiff, selbst hochrangige Würdenträger einiger Staaten besichtigten es. Als die Luxusyacht im darauffolgenden Sommer Großbritannien besuchte, eine führende Seefahrtsnation, wurde ihr viel Anerkennung zuteil.
In der guten Jahreszeit wurden Nordlandfahrten, vor allem nach Norwegen und Spitzbergen sowie Reisen zu skandinavischen Hauptstädten durchgeführt. Ballins Konzept entwickelte sich gut, das Schiff wurde zum Geldbringer. Deshalb konzipierte man eine neue Weltreise für 1904, die aber ebenso scheiterte, nachdem der Russisch-Japanische Krieg ausgebrochen war. Es gab einen finanziellen Einbruch, weil die Hapag in diesem Krieg versuchte, ihre alten Schnelldampfer zu verkaufen, damit aber nicht den Gewinn erzielte, der erwartet war.
Nach der sechsten Überführungsfahrt von Hamburg nach New York begann das Desaster. Am 12. Dezember 1906 startete die nächste Westindienkreuzfahrt, aber schon am 16. Dezember ging alles schief. Das Schiff war mit 14 Knoten entlang der Küste von Jamaika unterwegs und wurde sieben Stunden später in der Hauptstadt Kingston erwartet. Doch es waren keine Lotsen an Bord, Kapitän Brunswig meinte – gegen den Rat seiner Offiziere – ohne Helfer auszukommen. Er fuhr weiter mit hohem Tempo, bis er gegen 21.30 Uhr begriff, dass er von einer Position ausging, die falsch war. Da waren weder eine rechtzeitige Kursänderung noch eine Geschwindigkeitsreduzierung möglich. Das Schiff krachte bei Plum Point nahe Port Royal mit voller Wucht auf die karstigen Felsen des Ufers. Verzweifelte Versuche, das Schiff freizubekommen, scheiterten. Schon nach zehn Minuten erkannte der Kapitän seine grandiose Fehlleistung. Er verließ die Brücke und richtete in seiner Kammer sein Jagdgewehr auf sich selbst. Erst am Morgen bei Sonnenaufgang kamen erste Rettungsboote zum Einsatz, um alle Passagiere samt ihrem Gepäck zu evakuieren.
Das Schiff war auch mit „voller Fahrt zurück“ und später auch durch Abschleppversuche durch den Kleinen Kreuzer Bremen einfach nicht freizubekommen, es hatte Schlagseite und an den Spanten des Rumpfes gab es große Schäden. Die Maschinen wurden beim Aufprall aus den Fundamenten gerissen, Wasser war eingedrungen. Am 19. Dezember 1906 wurde die Prinzessin Victoria Luise als Totalverlust aufgegeben.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer
Fotos: Archiv Udo Horn, Hapag-Lloyd AG (Hamburg), Sammlung JSA