Die Admiral Nachimow war ein deutsches Schiff, später kam sie in russische Hand und ging durch menschliche Dummheit verloren.
Es muss irre gewesen sein, als am 31. August 1986 die meisten Passagiere der Admiral Nachimow in dem Tod ins Auge blickten, während der Marsch der Sowjetmarine aus dem Bordlautsprecher über das Schiff dröhnte. Ein großer Teil von ihnen konnte nicht gerettet werden. 398 Sowjetbürger, nach anderen Angaben 423 Personen, ertranken im Schwarzen Meer. Es war eine der größten Schiffskatastrophen der Kreuzschifffahrt.

Um 22.30 Uhr dieses Unglückstages begann das Passagierschiff unaufhaltsam zu sinken. An Bord des riesigen Dampfers, der auf die Stadt Noworossijsk zufuhr, befanden sich Urlauber, die als gute Arbeiter, Vorarbeiter oder Ingenieure mit ihren Familien bevorzugt waren, auf die Schwarzmeertour zu gehen. Für sie alle ein großes Ereignis. Die Organisation des „Republikrats für Tourismus und Exkursionen der Ukraine“ hatte die Buchungsstimmung in Fröhlichkeit gestaltet, die Erwartungen waren hoch. Dann begann das Grauen, das Schiff sackte regelrecht ab als sei es sich selbst zu schwer. Es war mit einem Massengutfrachter zusammengekracht, jede Hilfe kam zu spät. Ein schlimmeres Schiffsunglück hatte es auf dem Schwarzen Meer zuvor nie gegeben.
Die Admiral Nachimow – Russisch Admiral Nakhimow – war ein ursprünglich deutsches Schiff, 1925 vom Norddeutschen Lloyd mit dem Namen Berlin in Dienst gestellt und am 26. September des Jahres auf die Jungfernfahrt geschickt worden. Ihr Fahrtgebietbereich im Passagierservice war der Nordatlantik, die Route verlief zwischen Bremen, Southampton, Cherbourg und New York. Der geplante Bau eines Schwesterschiffes wurde nicht realisiert. Man kaufte die Ormuz an, die mit dem Namen Dresden in den Dienst genommen wurde.

Zudem wurde die Berlin bald auch als Kreuzfahrtschiff genutzt, Urlaubsfahrten mussten angeboten werden, um das geräumige Schiff auszulasten. Die erste Kreuzfahrt begann von Bremerhaven am 4. Januar 1928 über Südirland nach Madeira und zu den Kanaren. Eine im gleichen Jahr geplante vierwöchige Polarfahrt wurde gestrichen.
Der bekannte Kapitän Leopold Ziegenbein übernahm 1927 den Dampfer. Ihm gelang es 1929 mit der Bremen einen Geschwindigkeitsrekord zu erreichen, womit das Blaue Band gewonnen wurde.
Der Bau des Großdampfers erfolgte 1924/25 beim Bremer Vulkan in Bremen-Vegesack, am Heck führte er die Flagge des Deutschen Reiches. Am 24. März 1925 lief er als Bau-Nr. 614 vom Stapel, die Ablieferung erfolgte am 17. September des gleichen Jahres. Das Schiff war 174,3 Meter lang und 21,1 Meter breit. Die Verdrängung wurde mit 23.480 t angegeben, die Vermessung mit 15.286 BRT (8988 NRT), nach dem Umbau 17.053 BRT (8496 NRT). Die Tragfähigkeit betrug 9000 tdw, der Rauminhalt 6191 Kubikmeter. Die beiden Dreifachexpansions-Dampfmaschinen mit einer Leistung von 11.880 PS (8738 kW) arbeiteten über zwei Wellen auf zwei Propeller. Die Höchstgeschwindigkeit war betrug 16,5 Knoten (31 km/h).
An Bord waren in der Ersten Klasse 220 Personen zugelassen, in der Zweiten Klasse 284 und in der Dritten Klasse 1100 Personen (nach Umbau). Die Besatzung bestand aus 326 (nach Umbau 350) Personen.
Es gab ein Auslastungsproblem wegen der Überkapazitäten, vor allem im Südamerikaverkehr. Deshalb hatte die Norddeutsche Lloyd das Schiff schon vor Bauende an die HAPAG weiterverkaufen wollen, zu dem Deal kam es aber nicht.
Am 13. November 1928 wurde die Berlin zum Lebensretter, sie nahm 23 Passagiere und Besatzungsmitglieder der Vestris (10494 BRT) auf, die am Tag zuvor vor der Küste Virginias untergegangen war, nachdem ein Sturm Wassermassen in den Kohlenbunker gewuchtet hatte. Der größere Teil der in Not geratenen Menschen war vom Schlachtschiff Wyoming der US-Marine in Kooperation mit der American Skipper außer Gefahr gebracht worden.

Bereits 1929 kam es für die Berlin zum ersten Umbau der Einrichtung. Man wollte unbedingt mehr als 1000 Passagiere befördern. Im Jahr 1932 wurde die Kapazität etwas reduziert. Ab 1933 fanden die Abfahrten ab Cuxhaven ab, das geschah auf Anweisung der NS-Regierung, die einen gemeinsamen Dienst der beiden großen deutschen Reedereien erzwingen wollte. Auf Befehl des Staates wurde die Berlinab 1934 in eine Charter der Kraft-durch-Freude-Organisation angeliefert. Das im Winter 1938 aufgelegte Schiff machte im Mai 1939 seine letzten beiden KdF-Kreuzfahrten.

1939 ging die Berlin an die Kriegsmarine. Bei der Überfahrt nach Swinemünde zur Übernahme am 17. Juli 1939 kam es zu einer gewaltigen Kesselexplosion, 17 Menschen starben. Umbau und Reparatur bei Blohm + Voss wurden zügig durchgezogen, bereits am 23. August war die Berlin als Lazarettschiff A mit 400 Betten und fünf Fachabteilungen sowie Unterkünften für 165 Besatzungsmitglieder zum Einsatz durch das Sanitätsamt Ost fertiggestellt. Verwundete im Zweiten Weltkrieg wurden in Danzig und Kopenhagen aufgenommen. 1941 verlegte man das Schiff an die Murmansk-Front. Als der Krieg sich zu wenden begann, wurden verwundete Wehrmachtsoldaten in großen Gruppen vor Estland und Riga zum Schiff gebracht, bis über 1500 Verletzte.
Ab Januar 1945 wurde die Berlin im Rahmen der Operation Hannibal als Flüchtlingstransporter genutzt. Am 31. Januar des Jahres erlitt das Schiff einen Minentreffer vor Swinemünde und wurde für die Verschleppung nach Kiel auf den Haken genommen. Sie traf dann jedoch eine weitere Mine und wurde auf Position 54°2,6N/14°19 O in flachem Wasser auf Grund gesetzt. Bis zum 15. Februar 1945 wurde die gesamte noch brauchbare Ausrüstung abgeborgen und das Schiff aufgegeben.
Nach Kriegsende gelangte die Berlin unter die sowjetische Besatzungsmacht, wurde 1948 gehoben und nach Rostock verschleppt. Ab September 1951 ging es an den Neuaufbau des Schiffes bei der Warnowwerft in Warnemünde. Die Schornsteine wurden niedriger und breiter, der Rumpf weiß gestrichen und der Dampfer bekam einen Promenadengang.
Am 2. Mai 1957 wurde das fertiggestellte Schiff der Sowjetunion für den Einsatz durch die staatliche Black Sea Steamship Co. unter dem Namen Admiral Nachimow übergeben, Heimathafen war Odessa. Das in Deutschland gebaute Schiff war das größte der sowjetischen Schwarzmeer-Seereederei.

Am Tag des großen Unglücks war der weiße Dampfer auf dem Weg nach Sotschi. Zuvor hatten die Passagiere in der Heldenstadt Noworossijsk am großen Denkmal den Sieg der Sowjetunion gehuldigt. Im nicht weit entfernten Moldawien hatte es in der Nacht zuvor ein schweres Erdbeben mit vielen Zerstörungen gegeben. Doch die Menschen aßen, tranken und tanzten weiter.
13 Kilometer entfernt von Noworossijsk dampfte die Admiral Nachimow mit zehn Knoten Tempo in ruhiger See entlang der Küstenlinie, als ihm der Frachter Pjotr Vassev entgegenkam. Kapitän Wadim Markow, der 27 Jahre auf der Brücke des Schiffes stand, blieb gelassen. Der von Kapitän Viktor Tkatschenko geführte 18604-BRT-Frachter wollte das Urlauberschiff kreuzen. Das war nach internationalem Seerecht unangemessen, eines der Schiffe hätte das Tempo drosseln sollen. Auch Markow ordnete das nicht an. Navigationsoffizier Stepanischtschew hätte Alarm geben sollen, das tat er nicht, er überließ es dem Lotsen. Später wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt.

Steuermann Smirnow nahm Funkkontakt auf, aber vom Frachter hieß es: „Nur keine Aufregung, wir kommen aneinander vorbei.“ Als Smirnow ahnte, „dass der Frachter uns rammen würde“, war es schon zu spät. Der enorme Zusammenprall fand mittschiffs statt, er riss ein Leck in die Außenhaut zwischen Maschinen- und Kesselraum von 84 Quadratmetern. Die Ruderanlage versagte, die Elektrizität fiel aus, kein Rettungsboot konnte zu Wasser gebracht werden. Der Sinkvorgang dauerte nur acht Minuten. Die schreienden Menschen rutschten über Bord. Die Überlebenden schwammen in ausgelaufenem Dieselöl, manche wurden abgetrieben.
Der Massengutfrachter Pjotr Vassjev nahm Menschen aus dem Wasser auf, aus Sotschi flogen Hubschrauber heran, die den Katastrophenort mit Scheinwerfern beleuchteten. Von den 1234 Passagieren und aus der Besatzung wurden 863 gerettet. 116 Leichen konnten geborgen werden, 398 Tote, die im Schiff geblieben waren, gingen mit ihm 47 Meter tief auf den Meeresboden.
Die beiden Kapitäne der Kollisionsgegner wurden wegen schwerem Fehlverhalten zu jeweils 15 Jahren Haft verurteilt, jedoch 1992 begnadigt.
Bilder vom Unglück durften nicht gezeigt werden, befahl die Moskauer Regierung. Die Begründung: das strahlende Propagandabild der heilen Sowjetunion durfte nicht beschädigt werden, im April des Jahres war bereits das Atomkraftwerk Tschernobyl explodiert. Erst Tage später wurde eingeräumt: „Es gibt Opfer.“
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer