Die RMS Empress of Ireland war ein kanadisches Passagierschiff, das 1914 nach einer Kollision im Sankt-Lorenz-Strom dramatisch unterging. Es war erst 1906 in Betrieb genommen worden.
Es war das anspruchsvollste und größte Schiff Kanadas – und endete als schwerstes maritimes Unglück in der Geschichte des nordamerikanischen Staates. Die zivile Schiffskatastrophe zog mehr als 1000 Menschen in den Tod, sie galt als ein Unglück vergleichbar mit dem der Titanic. Auch weil zu der Zeit an Bord Adelige, bekannte Künstler und Politiker mit ihren Ehefrauen weilten. Die Katastrophe war ein von Menschen verursachtes Geschehen. Sie geschah so schnell, dass die meisten der Passagiere nicht die geringste Chance hatten, sich zu retten. Das schrecklichste Schiffsunglück des 20. Jahrhunderts war es, weil der Tod für die meisten zu schnell kam.
1903 war die Empress of Ireland zusammen mit ihrem Schwesterschiff Empress of Britain in Bau gegangen. Auftraggeber war Baron Thomas G. Shaughnessy, Präsident der Canadian Pacific. Die „Ireland“ hatte die Baunummer Nr. 443 erhalten, die Bauwerft war die Fairfield Shipbuilding & Engeneering Co. in Govan im schottischen Glasgow. Am 10. April wurde sie auf Kiel gelegt. Über den Dampfer wurde viel berichtet, die Inneneinrichtung war ein großzügiges, modernes Design in verschiedenen Stilrichtungen. Das Schiff war technisch auf dem höchsten Stand der damaligen Zeit. Es hatte acht Decks, zwei Schornsteine und wurde von Vierfach-Expansionsmaschinen angetrieben. Die Passagierunterkünfte waren nobel gestaltet. Kanada wollte mit diesem Dampfer auf dem Nordatlantik auftrumpfen.
Die Empress of Ireland gehörte der Canadian Pacific Railway, der Heimathafen war Québec. Am 27. Januar 1906 fand der Stapellauf statt, anwesend waren sämtliche Repräsentanten und Honoratioren von Werft und Reederei. Die Ehefrau des leitenden Direktors Alexander Gracie der Fairfield-Werft, war auserkoren worden, das Schiff auf den Namen Empress of Ireland zu taufen. Es waren viele Schaulustige anwesend, Kanada war stolz.
Die Indienststellung erfolgte am 29. Juni 1906. Das Schiff war 174,73 Meter lang und 19,99 Meter breit. Die Vermessung lag bei 14.1919 BRT, der Tiefgang wurde mit 8,23 m angegeben.
Im Maschinenraum arbeiteten zwei Vierfachexpansions-Dampfmaschinen auf zwei Propeller. Die Maschinenleistung lag bei 18.500 PS (13.607 kW), die Höchstgeschwindigkeit bei 20 Knoten (37 km/h). Zugelassene Passagiere waren 310 in der Ersten Klasse, 470 in derZweiten und in der Dritten Klasse 750 Personen. Die Mitglieder der Besatzung bestanden aus 420 Personen.
Die Jungfernfahrt begann am 29. Juni 1906 unter Führung von Captain Frank Carey, die Route war Québec – Irland – Liverpool. Das Schiff konkurrierte im regelmäßigen Liniendienst zwischen Kanada und England.
Am 28. Mai 1914 startete die Empress of Ireland in Québec, es war ihre 96. Überquerung des Atlantiks. Die Bordorchester spielten auf, als die Leinen gelöst wurden. Kapitän war mittlerweile Henry George Kendall geworden, die Stimmung war gut. Die Dritte Klasse war komplett ausgebucht, die Zweite Klasse zur Hälfte belegt, in der Ersten Klasse befanden sich nur 87 Personen. Darunter populäre Schauspielerinnen und Schauspieler, schottischer Adel, eine bekannte Schriftstellerin, Militärs, der Bürgermeister von Suva auf der Insel Fidschi mit seiner Frau, ein Journalist der Londoner Financial News mit Gattin und andere Bekanntheiten. In der Zweiten Klasse war ein Nachfahre von Johann Sebastian Bach untergekommen, Johann August Reinhold Bach, samt Tochter. Er leitete 167 Mitglieder des Abgeordnetenkontingents der kanadischen Heilsarmee, sie waren auf dem Weg zur internationalen Heilsarmeekonferenz.
Das Schiff hielt zu einem kurzen Stopp in Rimouski, um Post abzugeben. Danach lief es in die offene Mündung des Sankt-Lorenz-Stroms, der an dieser Stelle 30 Seemeilen breit war. Der dichte Nebel hatte sich in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai noch mehr verstärkt. Die zwei wachhabenden Offiziere sichteten um 01:38 Uhr von der Brücke aus Lichter eines Schiffs. Dann war es im Nebel nicht mehr auszumachen. Um 01:41 Uhr befahl Kapitän Kendall eine Kursänderung, um von dem inzwischen wieder schnell herankommenden Schiff weg zu gelangen. Es handelte sich um den norwegischen Kohlefrachter Storstad unter Kapitän Thomas Andersen. Kendall stoppte dann um 01:45 Uhr die „Ireland“, zudem gab es Warnsignale mit dem Nebelhorn.


Der große Irrtum: Auf der „Ireland“ ging man davon aus, dass die Storstad an Backbord passieren würde. Das geschah aber nicht, das norwegische Schiff tauchte plötzlich nur eine Schiffslänge voraus an Steuerbord auf die „Ireland“ zu. Ein Riesengespenst aus dem Nebel. Kendall befahl Volle Kraft voraus, um der Kollision zu entgehen.
Aber um 01:55 Uhr krachte die Storstad in die Empress of Ireland. Sie rammte den kanadischen Dampfer mittschiffs zwischen den beiden Schornsteinen. Der Riss war 13 Meter hoch und 5 Meter breit, in das Loch strömten innerhalb weniger Sekunden 300 Tonnen Wasser ein. So bekam die „Ireland“ sehr schnell Schlagseite, die Kesselräume wurden überflutet und der Strom fiel aus. Kendall befahl, das Schiff zu verlassen. Schnell brach Panik aus.
Zwar gab es auf der Empress of Ireland Schwimmwesten und Rettungsboote, aber das Schiff sank so schnell, dass man nicht nachkam, die Helfer in Gang zu setzen. Passagiere liefen im Dunklen hektisch herum, Frauen und Kinder schrien. Während des Zusammenstoßes hatten sich die meisten Passagiere bereits zur Ruhe begeben. Weil das Schiff Schräglage hatte, kamen viele aus den Kabinen nicht mehr heraus. Es legte sich auf die Steuerbordseite, die Schornsteine brachen ab und fielen ins Meer. Der Sinkvorgang dauerte 14 Minuten. Von den 1477 Passagieren an Bord überlebten 1012 nicht. Das waren 599 Männer, 279 Frauen und 134 Kinder. Einige waren bereits bei der Kollision getötet worden, anderen gelang es nicht mehr aus dem sinkenden Schiff zu kommen, sie ertranken im kalten Wasser.
Die Storstad dagegen war schwer beschädigt, aber schwimmfähig. Die Besatzung dort brachte Rettungsboote zu Wasser. Einige Passagiere wurden gerettet, 419 Männer, 42 Frauen und vier Kinder. Aber im Meer wurden von herankommenden Helferschiffen aus Rimouski Hunderte Leichen geborgen. Manche noch in derselben Nacht, andere an den Tagen darauf. Einige konnten nicht mehr identifiziert werden, viele der Toten trugen ihre Nachtgewänder, die Körper waren zerfetzt. Der Safe des Zahlmeisters konnte geborgen werden.
Später vor Gericht wurde der Storstad die Schuld gegeben. Der Erste Offizier Alfred Toftenes hatte eigenmächtig den Kurs geändert, ohne den Kapitän in Kenntnis zu setzen. Auch Kapitän Kendall wurde kritisiert, weil er die „Ireland“ im Nebel stoppen ließ, so dass sie nicht manövrierfähig war. Hätte er das Schiff weiterfahren lassen, wäre der Aufprall vermutlich verhindert worden. Später gab es eine Untersuchung in Norwegen, in der die Storstad als schuldlos dargestellt wurde.
Noch später beschrieben Schriftsteller Romane über das große Unglück, Filme wurden gedreht und es gab auch aberwitzige Spekulationen. Aber Kanada war traurig.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jürgen Saupe