SS „Regina“ von 1917 war anfangs ein Frachtschiff, doch bald wurde es zum Passagierschiff umgebaut. Es hat die Kriege des 20. Jahrhunderts und mehrere Reederei-Wechsel überstanden.
Am Anfang war ein Kaffeehaus. Es stand im 17. Jahrhundert in London, gut eingerichtet, und wurde ausschließlich von Männern aufgesucht, die Kaufleute, Schiffsversicherer und andere Personen, die mit dem Schiffsverkehr zu tun hatten, waren. Hier wurden die Geschäfte getätigt, der Kaffeehausbesitzer hieß Edward Lloyd, der mit aktuellen Informationen beim Austausch half. Er ließ ein Blatt mit Nachrichten drucken, die er einfach aufgenommen hatte und genial weiterverarbeitete. Seine Nachfolger und Erben gründeten 1760 das Register of Shipping, natürlich im Kaffeehaus und mit allerlei Kunden. Das war das erste Register dieser Art, das zusammengestellt wurde.
Zwischen 1800 und 1833 kam es zu einem teilweise erbitterten Streit zwischen Reedern und Underwritern, also Leuten von Banken, Versicherungen und Investmenthäusern. Jede Gruppe führte Listen und Bücher, das ging offenkundig ziemlich durch- und gegeneinander, so dass die beiden Parteien an den Rand des Bankrotts getrieben wurden. 1834 siegte die Vernunft, und es kam zu einer Vereinigung. Gegründet wurde das Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping. Ein Vorstand führte Wohltätigkeitsorganisationen, ein freundlicher sozialer Akt. Diese Ausrichtung wurde international anerkannt und gelobt, 1914 änderte die Organisation ihren Namen in Lloyd’s Register of Shipping.
Die Westerland wurde bis 1930 beim Lloyd unter dem Namen Regina geführt. Die britische Regierung kaufte das Schiff 1942 auf, es wurde fast in der gesamten Kriegszeit zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Allerdings fuhr der Dampfer in seiner Zeit insgesamt unter vier Namen. In den ersten Jahren gehörte er zum Vereinigten Königreich. Ab 1929 ging er kurzfristig zu Belgien über, ab 1935 zum Deutschen Reich und ab 1939 zu den Niederlanden. Ab 1942 war er nur noch bei Großbritannien. Die Flaggen wurden sorgsam getauscht.
Die Westernland entstand bei einem Nebenbetrieb der Belfaster Schiffswerft Harland & Wolf in Glasgow. Das Schiff lief am 29. April 1917 als Frachtschiff vom Stapel, es besaß einen Schornstein, einen Mast und drei Propeller. Genutzt wurde es von der britischen Reederei Dominium Line als Regina. 1918/19 war es zum Truppentransporter umgerüstet worden. Danach waren Umbauten fällig, so dass das Schiff im August 1920 wieder zu Harland & Wolff ging, diesmal an die Hauptwerft.
Man hatte entschieden, daraus ein Passagierschiff zu machen, es erhielt einen zweiten Schornstein, einen weiteren Mast und ein Promenadendeck. Platz für 600 Passagiere der Kabinenklasse und 1700 der Dritten Klasse stand zur Verfügung. Die Regina war danach fast identisch mit der ebenfalls bei Harland & Wolff gebauten Pittsburgh (Baujahr 1920) der American Line und der Doric (1923) der White Star Line.
Der erste Start als Passagierschiff fand am 16. März 1922 statt, er führte von Liverpool ins kanadische Halifax sowie Portland im US-Bundesstaat Maine. Zwar trug die Regina die Farben der Dominion Line an ihren Außenseiten, wurde aber für die Leyland Line registriert. Deren Schiffe unterstanden dem J.P. Morgan-Schifffahrtskonzern International Mercantile Marine Company (IMMC). Hier wurden die Schiffe untereinander ausgetauscht.
Vom 29. April 1922 bis zum November 1925 wurde die auf der Route Liverpool – Quebec – Montreal eingesetzt. Das wechselte vom 12. Dezember des Jahres an mit der ersten Überfahrt Liverpool über Halifax nach New York. Die fand unter der Flagge der White Star ab. Die Regina war in den Hausfarben der White Star erkennbar. Gravierend war: Im Juni 1926 wurden neue Passagierklassen eingeführt: Kabinen-, Touristen- und Dritte Klasse. Ab 1. November 1929 wurde die Route geändert, es war die letzte Fahrt der Regina für White Star.
Das Schiff hatte eine Länge von 183,1 Meter und eine Breite von 20,7 Meter, die Vermessung wurde mit 16.313 BRT angegeben. Im Maschinenraum arbeiteten zwei Dreifachexpansions-Dampfmaschinen und eine eine Abdampfturbine auf drei Propeller. Die Maschinenleistung lag bei 12.000 PS, die Höchstgeschwindigkeit betrug 15 Knoten (28 km/h).
Die Red Star Star Line besaß einen Sitz in Antwerpen, im Dezember 1929 übernahm sie das Schiff und führte es unter der belgischen Flagge. Es war aber weiter bei Leyland Line registriert, die Farben von White Star blieben erhalten und auch der Name Regina. Erst im Jahr darauf kam es zu einer Namensänderung, das Schiff hieß nun Westernland.
Das Schiff bekam den Farbanstrich der Red Star Line, es lief am 10. Januar 1930 von Antwerpen aus nach Southampton, Cherbourg und New York. Albert Einstein und seine Frau betraten im Oktober 1933 den Dampfer, der nun einen neuen Eigner hatte. Einstein war als Jude in Gefahr geraten und wollte sich in den Vereinigten Staaten aufhalten. Die Westernland blieb bis zum 30. November 1934 auf der Strecke nach New York. Nach der Abfahrt auf dieser Route wurde sie aufgelegt.
In den turbulenten Zeiten der Weltwirtschaftskrise geriet die Red Star bereits in den frühen 1930ern in einen Strudel. Das Geld fehlte, Überarbeitungen der Westernland waren nicht mehr möglich. Das nutzte Arnold Bernstein, der ein pfiffiger deutscher Reeder und Geschäftsmann war. Er erwarb 1935 das Schiff und ordnete an, dass es nun für die Red Star Line GmbH Hamburg auf Fahrt ging. Die Westernland wurde in großem Maß umgerüstet, sie war nun zu einem Einklassenschiff für nur 486 Personen der Touristenklasse geworden. Ab dem 29. März 1935 ging das Schiff wieder auf seine übliche Route Antwerpen und Southampton nach New York.
Die deutsche Übernahme der Westerland brachte aber offenbar nicht die Rendite, die sich Arnold Bernstein erhofft hatte. Er verkaufte das Schiff nach der am 6. Mai 1939 angetretenen letzten Atlantiküberquerung für die Red Star Line an die Holland-America Line – und wieder ging es ab Juni 1939 auf die übliche Route nach New York und zurück. Das Schiff befand sich nicht mehr in akzeptablen Leistungsbedingungen, der Passagierverkehr wurde am 10. April 1940 aufgegeben, es war die letzte Fahrt der Westernland. Der Krieg hatte auch die Niederlande eingeholt. Danach wurde die Westernland nur noch in Falmouth als Unterkunft für die niederländische Exilregierung genutzt.
Doch bereits ab Juni 1940 wurde sie wieder als Truppentransporter eingesetzt. Nun unter britischer Flagge. Die britische Admiralität kaufte die Westernland im November 1942 Zunächst gab es die Idee, das marodierte Schiff zum Depotschiff für Zerstörer umzubauen, doch das wurde dann verworfen.
1945 landete die Westernland wieder bei White Star, die inzwischen mit Cunard verschmolzen war. Es gab einige Überlegungen, das Schiff wieder zum Passagierschiff umzubauen, doch wegen seines Alters wurde das alsbald aufgegeben. 1946 wurde es für die Verwendung als Walfang-Versorgungsschiff verkauft, aber dazu kam es nicht, die etwaigen Interessenten lehnten alle ab. 1947 kam das Ende der Westernland, sie wurde nach Blyth gebracht und dort abgewrackt.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer