DAS LETZTE TRADITIONELLE POSTSCHIFF

Die Pendennis Castle war ein Passagierschiff, das seine längste Zeit zwischen England und Südafrika pendelte. Es geriet in eine Seefahrtperiode, in der die Passagierlinienfahrt von der Luftfahrt übertrumpft wurde. Das war ihr Schicksal.

Pendennis Castle ist eine Mischung aus einem Fort und einem Schloss bei Falmouth – am Westufer des River Fal – in der englischen Grafschaft Cornwall. Das Anwesen ließ König Heinrich VIII. in der Zeit zwischen 1539 und 1545 errichten. Anlass war die Bedrohung durch französische und spanische Überfälle. Pendennis Castle war als Verteidigungswall gebaut worden, mit einem Torhaus und einem runden Turm, von dem aus die Gegend überschaut werden konnte. Das relativ niedrige Burgschloss beeindruckt durch seine trutzige Ansicht, es wird heute als gut erhaltenes Denkmal (Status English Heritage) gehegt und gepflegt.


Foto: Sammlung JSA

Viele Engländer sind traditionsbewusst, sie wissen, dass an diesem Ort unter der Ägide Heinrichs die Abkehr vom katholischen Glauben stattgefunden hat. Woraufhin der Papst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die katholischen Könige Frankreichs und Spaniens zum Krieg angefeuert hatte. Seeschlachten und andere Angriffe konnten abgewehrt werden, zeitweise war aber die Burg belagert worden, bis zu 1000 Männer, Frauen und Kinder mussten sich wegen Hungers ergeben. An diesem Ort wurde England durch eine Reformation zu den Protestanten angeschlossen. Zugleich wurden die Royalisten – Konservative, die den Katholizismus behalten wollten – zurückgedrängt, das geschah im Englischen Bürgerkrieg.

Mit dieser dramatischen Vergangenheit wurde die von der Union Castle Mail Steam Ship Company Ltd. bestellte Pendennis Castle im Januar 1959 in den Dienst gestellt. Es war Vorgänger der Dampfer Transvaal Castle und Windsor Castle, die zeitnah folgten.

Foto: Sammlung JSA

Man wollte das in die Jahre gekommene Schiff Arundel, Baujahr 1921, nach weit mehr als 200 Reisen, ersetzen. Die Pendennis Castle war bereits im November 1955 auf Kiel gelegt worden, kurz vor der Fusion von Clan Line Steamers und Union Castle zur British & Commonwealth Shipping Company im Januar 1956. Die Arbeiten an dem zunächst als dritte Einheit der kleineren Pretoria Castle-Klasse geplanten Schiff waren bereits angelaufen, als nach mehrfacher Prüfung von Designern Änderungen beschlossen wurden, die u. a. mittschiffs eine Verlängerung zur Installation von Denny-Brown–Stabilisatoren zu ermöglichen. Es sollte das traditionelle Postschiff darstellen, aber auch ein zeitgemäßes, stromlinienförmiges Schiff werden, zudem mit mehr Tempo auf der Strecke.

Das Passagierschiff hatte seinen Heimathafen in Southampton. Die Arbeit an dem als Baunummer 1558 geführten Projekt begann bei der Werft Harland & Wolff im nordirischen Belfast. Nach einem Streik der Arbeiter lief das Schiff endlich am 24. Dezember 1957 vom Stapel. Die Taufe war bereits am 10. Dezember des gleichen Jahres erfolgt. Bis zur Fertigstellung sollte noch fast ein Jahr vergehen, am 14. November 1958 wurde es zum neuen Flaggschiff der Reederei Union-Castle Line ausgerufen. Am 1. Januar 1959 ging das Schiff auf Jungfernfahrt von Southampton nach Kapstadt und zurück in den Heimathafen. Kapitän war George Mayhew.


Foto: Sammlung U. Horn

Die Pendennis Castle blieb in der gesamten Zeit ihrer Existenz unter der Flagge des Vereinigten Königreiches. Nur die Namen änderten sich: von 1976 bis 1978 hieß sie Ocean Queen, von 1978 bis 1980 Sinbad bzw. Sinbad I. Die Fotografien des Dampfers zeigen durchweg ein erhabenes Schiff. Der Schornstein war gelb im unteren Teil, oben schwarz gehalten. Offiziell wurde der Schornstein als goldbraun bezeichnet.

Das Schiff war stolze 232,86 Meter lang und 25,48 Meter breit. Der Tiefgang lag bei 9,47 m, die Vermessung wurde mit 28.582 BRT angegeben. Der Antrieb erfolgte durch Harland & Wolff-Dampfturbinen die über Doppelluntersetzungsgetriebe auf zwei Festpropeller arbeiteten. Die Maschinenleistung lag bei 40.000 kW (54.385 PS), die Höchstgeschwindigkeit bei 22,5 Knoten (42 km/h). Mit dieser technischen Ausstattung galt das Schiff ein höchst moderner Dampfer, großräumig und elegant. Außerdem war er einer der ersten Dampfer mit Stabilisatoren.

Die zugelassene Passagierzahl lag bei 675 Personen, die Anzahl der Besatzung wird nicht genannt. Bekannt ist aber, dass erstmals Kellnerinnen seit 1962 auf einem britischen Schiff zugelassen wurden, sie hießen „Stewardettes“ und waren ausschließlich im Restaurantbereich tätig. Die Route war vorgegeben: von Southampton über Las Palmas, dann Port Elizabeth East London und Durban nach Kapstadt. Gelegentlich gab es auch einen Halt an der portugiesischen Insel Madeira.

Foto: Sammlung Jens Meyer

Im Juli 1964 wurden die Klimaanlagen aller First-Class-Kabinen erweitert, zusätzlich wurden in 21 Kabinen Duschen installiert. Zudem wurden die Freizeiteinrichtungen aufgewertet, um jüngere Passagiere, teils als Familien, anzulocken. Das war schon in der Periode, als die Konkurrenz durch die Luftfahrt eingesetzt hatte. Man musste sich etwas einfallen lassen und setzte auf Vergnügen.

1960 und 1961 wurden die bauähnlichen Schiffe Windsor Castle und Transvaal Castle von der Reederei eingesetzt, sie übertrafen die Pendennis Castle als vergrößerte Versionen. Die Konkurrenz innerhalb der eigenen Reederei begann.

Im Mai 1968 lag die Pendennis Castle in Southampton vor Anker, als ein Feuer ausbrach, das mehrere Räume mittschiffs beschädigte. Man versiegelte die Kabinen, Mitarbeiter von Harland & Wolff waren an Bord geholt worden und überarbeiteten die betroffenen Kabinen während der Fahrt.

Weil der Liniendienst nach Südafrika unrentabel wurde, entschlossen sich die Verantwortlichen, die Pendennis Castle aus dem Dienst zu nehmen. Das Ende der langen Reise war der 14. Juni 1976, danach wurde das Schiff ausgemustert und auf dem Markt angeboten.


Als „Ocean Queen“, Foto: Sammlung JSA

Im Juli desselben Jahres verkaufte Union-Castle Line das Schiff an die in Panama registrierte Ocean Queen Navigation Corp. Es sollte zum Kreuzfahrtschiff umgewandelt werden, im August wurde es nach Hongkong gebracht, mit dem neuen Namen Ocean Queen. Der Umbau wurde aber immer wieder aufgeschoben und fand dann nicht mehr statt. Elf Monate lang blieb die Pendennis Castle liegen, eine Katastrophe für ein Schiff, die Verrottung begann.

1978 erhielt das Schiff den Namen Sinbad, später Sinbad I, als es an das panamaische Unternehmen Kinvara Bay Shipping verhökert worden war. Es hieß, man könne es für Veranstaltungen, Partys oder als Unterkunft gebrauchen. Dazu kam es nicht, die einstige Pendennis Castle wurde zum Abbruch nach Kaohsiung verkauft, wo sie am 16. April 1980 eintraf.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer