Die Corona-Krise trifft nicht nur den Touristikmarkt. Im europäischen Schiffbau trübt sich durch die Krise in der Kreuzfahrt auch die Stimmung zusehends ein. 110 Schiffe waren im Frühling in den Auftragsbüchern der großen Werften. 18 Schiffe sollten 2020 abgeliefert werden. Regulär in den Passagier-Einsatz kamen bislang aber nur ganze drei Schiffe. Und auch bis zum Jahresende sieht es nicht besser aus. Vermutlich wird nur ein einziger großer Kreuzfahrtneubau 2020 planmäßig mit Passagieren in Fahrt kommen.
Die Zeichen stehen auf Vertagung der großen Feiern. MSC hat bereits die Abnahme der MSC Virtuosa vom 8. November auf das Frühjahr 2021 verschoben. Carnival verschob die Einführung seiner Mardi Gras aufs nächste Jahr und bei Princess Cruises ist für die neue Enchanted Princess inzwischen auch das erste Quartal 2021 in Planung.
Die Pandemie hat nur drei der 18 neuen Kreuzfahrer 2020 ein Debüt mit Gästen ermöglicht. Die Seven Seas Splendour von Regent, die Fridtjof Nansen der Hurtigruten und die Le Bellot von Ponant hatten nach der Ablieferung Passagiere an Bord.
Bei allen anderen Neubauten ging es direkt von der Werftpier bislang in die Warteposition. So hat die Werft Chantiers de l’Atlantique in St. Nazaire die Celebrity Apex von der Werftpier auf eine Ankerposition in der Biskaya gelegt. Die Iona von der Meyer Werft wartet seit Mai auf eine Abnahme. Die Scarlet Lady von Fincantieri hat es im März nur über den Atlantik geschafft. Das Debüt von Richard Bransons neuer Kreuzfahrtmarkte „Virgin Voyages“ wurde inzwischen von März auf den Herbst verschoben.
Bei Fincantieri ist man seit der vergangenen Woche sehr guter Dinge, dass mit der Costa Firenze im Dezember nicht nur ein Schiff abgeliefert wird, sondern sogar auch zum Einsatz kommt. Das zweite Schiff der „Costa Venezia“-Klasse soll für Costa im Mittelmeer ab Dezember eingesetzt werden.
Seit Mai haben nur die Werften Schiffe abliefern können, die im Fluss- und Expeditionsbereich tätig sind. Dazu zählten die Silver Origin von De Hoop aus den Niederlanden und National Geographic Endurance von Ulstein in Norwegen.
Bei den großen Kreuzfahrtschiffsbauern drohen durch die fehlenden Ablieferungen aber Probleme, da die entsprechenden Schluss-Zahlungen bei Ablieferungen ausbleiben.
Besonders angeschlagen sind die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern, die seit Wochen um Finanzmittel für den Weiterbau der verzögerten Schiffe für Genting kämpfen.
Inzwischen ist aber bei den drei etablierten Großwerften Fincantieri, Chantiers de l’Atlantique und der Meyer Gruppe kein Zeitplan mehr aktuell. Die Ablieferung der Mardi Gras von Meyer Turku ist von September auf den Januar verschoben worden. Alle folgenden Neubauten sind in Turku auch verschoben.
Bei Meyer in Papenburg steht das Ausdocken der Odyssey of the Seas zwar bevor. Ob das Schiff für Royal Caribbean aber wie geplant noch im Herbst 2020 die Ems verlässt, ist fraglich. Damit verschiebt sich auch die Fertigstellung der AIDAcosma, deren Rumpf erst nach dem Ausdocken der Odyssey of the Seas komplettiert wird.
Verlässliche Prognosen sind derzeit Fehlanzeige. Auch bei der Meyer Werft wird darauf verwiesen, dass man mit allen Kunden in Kontakt sei. Der Fokus liege derzeit aber ganz auf der Ablieferung der Iona und der Fertigstellung der Spirit of Adventure für Saga Cruises.
Werftchef Bernard Meyer hatte seine Belegschaft bereits darauf eingeschworen, dass das Orderbook der Gruppe möglicherweise bis Mitte des Jahrzehnts reichen muss und Neuaufträge auf absehbare Zeit nicht zu erwarten sind.
Beim Verband für Schiffbau und Meerestechnik in Hamburg wird die Lage der Werften ebenfalls mit großer Sorge gesehen. „Es ist schon so, dass Corona eine schwere Belastung für die Werften darstellt, da schlichtweg keine neuen Aufträge reinkommen. Die Werften können zurzeit nur die Aufträge abarbeiten , die unter Vertrag sind“, sagt Reinhard Lüken, Vorsitzender des Verbandes.
Strukturelle Probleme bei der Produktivität sieht der Verband bei den Werften jedoch keine. „Dem deutschen Schiffbau ging es bis Corona doch sehr gut. Wir hatten ein Rekordauftragsbuch bei den Werften. Wir waren im Vergleich zu den Werften in Asien eigentlich sehr gut aufgestellt“, so Lüken.
Für den weiteren Betrieb brauchen die Werften aber neue Aufträge und Ablieferungen. Nur dann werden Zahlungen getätigt, die die Liquidität sichern. Da sitzen Werften und Kreuzfahrtreeder derzeit symbolisch in einem Boot. Auch die Kreuzfahrtreeder brauchen neue Reisen, für die sie Kunden zur Buchung überzeugen können. FB