Die erste Queen Mary war ein Dampfer von spektakulären Dimensionen, sein Schicksal war abhängig von den Zeitläufen
Dieser gewaltige Dampfer war wohl manchen Menschen nicht ganz geheuer, sie glaubten, da seien Geister im Spiel. Passagiere erklärten, eine „White Lady“ an Bord gesehen zu haben, sie wollen erlebt haben, wie Möbel rückten und es immer wieder unheimliche Schreie gab. Andere waren einem jungen Seemann, der bei einer Feuerübung an Bord umgekommen war, im Maschinenraum beim Herumlaufen begegnet. Noch mal andere hörten angeblich ein Geistermädchen, das im Pool ertrunken war und dessen Schreie nach der Mutter nicht aufhörten. Weil die übersinnlichen Beobachtungen nicht aufhörten, holte man 2004 ein Experten-Team aus den USA auf den pensionierten Ozeandampfer, um eine Geistersuche durchzuführen. Sie brachte kein Ergebnis.
Von 1936 bis 1967 war die Queen Mary vor allem auf dem Nordatlantik unterwegs, sie gehörte der Cunard-White Star Line und wurde auf der John Brown & Company-Werft im schottischen Clydebank gebaut. Damals gab es einen wöchentlichen Expressdienst zwischen Southampton, Cherbourg und New York, daran beteiligt waren zwei Schiffe, RMS Queen Elizabeth und RMS Queen Mary. Die europäische Konkurrenz war hart für die Briten, deutsche, italienische und französische Reedereien mischten seit den 1920er Jahren mit auf dem Atlantik. Die Briten wollten mit ihren Express-Superlinern besser sein.
Schon 1926 hatte man nachgedacht, die veraltete Mauretania außer Dienst zu stellen und durch ein modernes Schiff zu ersetzen. Doch erst am 3. April 1929 wurde der Auftrag erteilt, im Dezember 1930 begann mit der Kiellegung der Bau des Schiffes. Der Stapellauf war für den Mai 1932 geplant. Dazu kam es nicht, weil die Weltwirtschaftskrise einsetzte und Cunard, in Not geraten, am 11. Dezember 1931 den Bau stoppen ließ. Erst nachdem Cunard das bei der Regierung zur Fertigstellung des Schiffes beantragte Darlehen gewährt worden war, konnte der Bau fortgesetzt werden. Der Stapellauf mit nicht weniger als 18 Schleifketten zum Aufstoppen und die Taufe durch Queen Mary erfolgten am 26. September1934. Wegen der Dimensionen des Täuflings war zuvor eine partielle Anpassung des River Clyde erforderlich.
Laut der Legende hatte der Vorstand von Cunard entschieden, das Schiff Queen Victoria zu nennen. Wegen der Tradition, die Schiffe der Reederei hatten das Suffix „ia“ am Ende, wie die Mauretania oder Aquitania. Als König George V. davon erfuhr, dass das Schiff Victoria heißen sollte, nach der Großmutter des Königs, wurde er diplomatisch. „Meine Frau würde sich freuen, dass Sie das Schiff nach ihr benennen“, sagte er. Königs Wort war den Cunard-Bossen wichtiger als die eigene Idee, also wurde es die Queen Mary.
Unter diesem Namen verließ das in dreieinhalbjähriger Bauzeit für 3,5 Mio. Pfund Sterling (heute etwa 335 Mio. Dollar) erstellte Schiff am 27. Mai 1936 Southampton zur Jungfernfahrt. Tausende schauten ihm hinterher, die Queen Mary galt als Beginn einer neuen Ära in der Passagierschifffahrt und stand für Klasse, Stil und Eleganz. Der überwiegende Teil ihrer weitgehend im Art Deco Stil designten Innenausstattung stammte von der Bromsgrove Guild of Applied Arts. Als erster Ozeanliner wurde das Schiff mit einem jüdischen Gebetsraum ausgestattet. In Großbritannien war das Schiff eine Ikone, in Friedenszeiten gingen 2,2 Millionen Gäste an Bord, im Zweiten Weltkrieg 810.000 Angehörige des Militärs. Am Starttag der Jungfernreise verkündete die bekannte Hellseherin Lady Mable Fortiscue-Harrison: „Die Queen Mary wird ihren Ruhm und ihre größte Beliebtheit erfahren, wenn sie nie wieder eine Meile segelt oder einen anderen Passagier befördert, der den Fahrpreis bezahlt.“ Eine seltsame Aussage.
Drei Jahre lang war die Queen Mary der Star unter den Ozeandampfern. Hollywood-Stars und Sternchen tummelten sich an Bord, wie Clark Gable und Bob Hope, aber auch Könige und Hochadel sowie der Politiker Winston Churchill. Sie erlebten das seinerzeit schnellste Schiff mit einem Geschwindigkeitsrekord, den in 14 Jahren kein anderes Schiff überbot. Die Ausstattung war hochwertig, alles vom Feinsten. Im September 1939 machte das Schiff das letzte Mal in New York am Pier 40 fest. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen, die Passagierbeförderung unter der Flagge des Vereinigten Königreichs wurde eingestellt.
Der Riesendampfer mit dem Blauen Band hatte die Baunummer 534 erhalten, als in Clydebank seine Fertigung begann. Am 12. Mai 1936 wurde das Schiff von Cunard übernommen, am 27. Mai in Dienst gestellt. Heimathafen war Liverpool. Die Queen Mary war 310,74 Meter lang, 36,14 Meter breit, 55,2 m hoch, der maximale Tiefgang lag bei 11,8 Metern. Vermessen wurde sie mit 80.774 BRT. 24 Yarrow-Dampfkessel in vier Kesselräumen und vier Satz Parsons-Getriebeturbinen in zwei Maschinenräumen brachten den Dampfer in Fahrt. Die Maschinenleistung betrug 200.000 PS (147.100 kW), mit vier Propellern konnte eine Höchstgeschwindigkeit bis zu 32,84 kn (61 km/h) erreicht werden.
Zwischen der französischen Normandie und der Queen Mary kam es zu einem Geschwindigkeitswettbewerb, den die Queen Mary im August 1936 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30,14 kn (westgehend) und 30,63 kn (ostgehend) und noch einmal 1938 mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 30,99 bzw. 31,69 kn gewann. Sie wurden erst 1952 von der United States eingestellt. 1101 Mitglieder gehörten zur QM-Besatzung, 2139 Passagiere waren an Bord erlaubt.
Für die britische Admiralität war der Kriegseinsatz eine Frage der Ehre. Im März 1940 entsandte sie das vornehme Schiff nach Sydney, wo es komplett – einschließlich der drei Schornsteine – in Marine-Grau gestrichen wurde, was ihm auch wegen der hohen Geschwindigkeit den Spitznamen „Grey Ghost“ einbrachte.
Das Schiff brachte Tausende Australier als Soldaten nach Großbritannien, u.a. gehörte es ab dem 29. Juni 1940 zum ersten Geleitzug WS 1 zwischen Großbritannien und Ceylon. Beim Höhepunkt des Krieges, 1942, durfte die Flottenführung nach einem Befehl das Schiff nicht mehr stoppen, wegen der Gefahr durch U-Boot-Angriffe fuhr es mit hoher Geschwindigkeit im permanenten Zickzackkurs durch die Meere. In britischen Gewässern erhielt es Geleitschutz u.a. durch den Leichten Flak-Kreuzer HMS Curocoa, ein altes Schiff von 1916, das mit der Geschwindigkeit der Queen Mary nicht mithalten konnte.
Bis zu 10.000 Soldaten waren an Bord, 14 Männer hatten sich eine Zwei-Bett-Kabine zu teilen, die schlicht ausgestattet war. Am 2. Oktober 1942 rammte die Queen Mary 80 Kilometer vor der nordirischen Küste die Curacoa, deren Navigationstechnik angeblich ausgefallen war. Ein furchtbarer Zusammenprall, der das hintere Teil des dabei durchtrennten Kreuzers sofort sinken ließ, nur wenige Minuten später auch das Vorderteil. Von der 338-köpfigen Crew verloren nach britischen Angaben 239 ihr Leben. Problematisch war, dass die Queen Mary laut Flottenbefehl keine Rettungs- und Hilfsaufgaben bei der Curacoa übernehmen durfte. Der Bevölkerung wurde die Wahrheit nicht mitgeteilt, erst nach 1945 sprach man über den tragischen Vorfall und es gab juristische Verhandlungen über die Schuldfrage. 1985 wurden die mehr als einen km voneinander getrennt liegenden Wrackteile zur nationalen Gedenkstätte erklärt.
Im Juli 1943 geriet die Queen Mary wieder in Bedrängnis, als sie mit 15740 Soldaten und 943 Besatzungsmitgliedern 1100 Kilometer vor der schottischen Küste bei Sturm von einer etwa 28 Meter hohen Monsterwelle getroffen wurde. Das Schiff erlitt eine gefährliche Schlagseite von 52 Grad. Danach waren enorme Reparaturarbeiten fällig.
Nach dem Krieg schaffte es die Queen Mary noch mal zum Lieblingsschiff für Atlantiküberquerungen zu werden. Sie war generalüberholt worden und hatte eine Klimaanlage erhalten. Bis tief in die 1950er Jahre hinein wurde sie gern gebucht, in den Sechzigern verlor sie schnell an Bedeutung gegenüber dem transatlantischen Luftverkehr. Die letzte Überfahrt fand am 16. September 1967 statt. Mit der am 27. September beendeten 1000. und zugleich letzten Transatlantikreise hat das Schiff insgesamt 2,112 Mio. Passagiere über eine Distanz von 3 792 227 Meilen (6 102 998 km) befördert. Am 31. Oktober legte es zur letzten Reise von Southampton ab und traf nach einer Reise um Kap Horn am 9. Dezember des gleichen Jahres im kalifornischen Long Beach ein, wo das Schiff nach Ankunft in Long Beach stillgelegt wurde.
Die angeblich für rd. 1230 000 Pfund an die Gemeinde Long Beach verkaufte Queen Mary avancierte dort zum schwimmenden Hotelschiff mit starkem Ambiente. Sie gilt heute als stationärer Luxusdampfer für Gutbetuchte. Die Einrichtung ist hochwertig, die Räumlichkeiten sind unterschiedlich und haben Charme. Das Hotel The Queen Mary verfügt über 365 Zimmer mit Bullaugen als Fenster und ist modern gestaltet, Wohn- und Schlafbereiche sind separat.
Das Hotel ist zugleich Museum, es gibt Führungen durch einen Teil der ehemaligen Maschinenräume und Gäste können sich über die Geschichte des Schiffes informieren. Auch Urlauber, die nicht im Hotel wohnen, werden durch den Dampfer geführt, darunter in Touren mit Themen wie „The Glory“ oder „Ghost & Legends“. Man kann den Besuchsweg auch mit einem Audio Guide absolvieren. Das Dinner im Restaurant mit Blick auf den Pazifik ist ein Erlebnis, das Schiff mit bewegter Geschichte ruht nun in Frieden.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer
Persönliche Erinnerungen von Douglas Ward
„Ich habe einen oder zwei Roundtrips von Southampton nach New York und zurück an Bord der RMS QUEEN MARY (RMS steht für Royal Mail Ship, weil Cunard den Auftrag hatte, die Post zwischen der „alten“ und der „neuen“ Welt zu transportieren) gemacht. Unter der Schiffscrew, die auf ihr gearbeitet hat, hieß es im Allgemeinen, dass das Schiff ein „wärmeres Herz“ als die RMS QUEEN ELIZABETH hat. Aber ich fand das Gegenteil richtig, ich empfand das Ambiente der QUEEN ELIZABETH edler. Passagiere, die häufiger unterwegs waren wussten, dass die QUEEN MARY bei schlechtem Wetter „wie ein Schwein rollte“, die QUEEN ELIZABETH war stabiler, neigte sich aber mehr. Mein Lieblingsort an Bord war die Observation Lounge vorn auf dem Promenaden Deck. Sie war nur für die 1. Klasse Passagiere und hatte 1930er Art Deco Elemente mit zwei Deck hohen geriffelten Säulen. Mein Trio spielte in dieser Bar während der Cocktailzeit (ja, ich war Musiker, und so kam es, dass ich Schiffe und das Leben auf See liebte). Wir spielten ruhige, gesellschaftliche Musik zum Tanzen und Zuhören. Wir benutzten einen kleinen Verstärker, aber der Strom war Gleichstrom, was bedeutete, dass wir bei der Technikabteilung des Schiffes nach einem Konverter fragen mussten. Leider brummte dieser sehr laut, was für einen Musiker irritierend war. Die Observation Bar (in Wirklichkeit eine große Lounge mit einer langen Bar) war der Ort für Passagiere, die „sehen und gesehen werden“ wollten (viele ihnen Stars aus Film und Ballett), die ihre Cocktails vor dem Mittag- und vor dem Abendessen genossen.