Die SS Chusan war ein britisches Dampfschiff im Indien– und Fernost-Passagierverkehr von P&O, wurde aber auch als Kreuzfahrtschiff eingesetzt und war weltweit unterwegs.
Ein neues Schiff soll vorgestellt und bekannt gemacht werden, seine Erbauer und Investoren waren stolz darauf. 1950 ging die SS Chusan auf ihre Reise von London nach Bombay, sie war gebaut worden für den Passagierverkehr in Indien und Südostasien, damals noch in die britischen Kolonien. Das Schiff war der Ersatz für die RMS Viceroy of India, die im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen war. Benannt wurde die Chusan nach einer kleinen Insel vor China.
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Mit der Jungfernfahrt sollte ein Zeichen gesetzt werden. In einer neuntägigen Reise von Southampton aus wurde das Schiff vorgeführt, die Tour ging von Lissabon über Casablanca nach Madeira. Fortgesetzt wurde sie am 15. September 1950 auf dem Weg nach Indien über den Suezkanal. Ihre Dienstzeit begann am 7. November des Jahres mit der Fahrt von London nach Hongkong, das würde jahrelang die Hauptstrecke sein. Geplant war, den Dampfer von da an zusammen mit den Schiffen SS Corfu, SS Carthage und SS Canton im Fernostdienst einzusetzen.
Regie führte die Reederei Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P&O), die das Schiff auch nach Yokohama sandte. Das war seinerzeit noch heikel, denn bis 1945 waren Großbritannien und Japan Kriegsgegner, nun lief ein Dampfer unter der Flagge des Vereinigten Königreichs in einen japanischen Hafen ein.
Die Chusan war das letzte und größte Schiff, das für den Fernostdienst von P&O gebaut wurde. Es besaß einen neuen Luxusstandard, der bis dahin nicht üblich war, und das sollte gezeigt werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Seefahrtsnationen zügig ihr altes Geschäft wieder in Gang bringen. Die Chusan wurde im Mai 1946 bei Vickers Armstrongs Ltd., Barrow in Furness, UK, bestellt. Im Februar 1947 wurde sie als Bau-Nr. 964 auf Kiel gelegt und anlässlich des Stapellaufes am 28. Juni 1949 taufte sie die Ehefrau von Viscount Bruce aus Melbourne, ehemaliger Premierminister Australiens.
Im Juni 1950 gab es einige Tests auf hoher See, die positiv verliefen, so dass das Schiff bereits am 14. Juni 1950 an P&O abgeliefert werden konnte. Die Neuigkeit: Es war der erste Passagierdampfer, der mit Stabilisatoren ausgestattet war.
Das Schiff war 197,1 Meter lang, 26 Meter breit und der Tiefgang betrug 8,8 m, die Vermessung wurde mit 24.215 BRT angegeben. Die Chusan war als Zweischrauben-Dampfer konzipiert. Am Bug und achtern befanden sich die beiden Masten, mittschiffs der leicht schräg gekippte Schornstein und die 18 Rettungsboote, neun auf jeder Seite. Erstellt worden war der Neubau als kombiniertes Schiff für Passagiere und Ladung. Die Chusan verfügte über sieben Passagier-Decks.
Die Einrichtung und Ausstattung des Schiffes war klassisch und anspruchsvoll mit repräsentativer Freitreppe, viel Wandkunst und Messingsäulen im Salon mit Teppichen und Sesseln. Im Restaurant dominierten moderne weiße Kleintische mit gepolsterten Stühlen, die jederzeit zu Großtischen zusammengeschoben werden konnten.
Die Maschinenanlage bestand aus sechs auf Doppel-Untersetzungsgetriebe arbeitenden Dampfturbinen mit einer Leistung von 42500 PS. Über zwei Propeller wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 23 kn (42,60 km/h) erreicht. In der Ersten Klasse befanden sich die Kabinen für 455, in der Zweiten Klasse für 517 Passagiere, insgesamt wurden 988 Personen befördert. Die Besatzung umfasste 577 Mitarbeiter.
Im Mai 1952 installierte man auf dem Dampfer einen Thornycroft-Rauchabweiser auf den Schornstein, er diente der Verringerung von Ablagerungen aus Ruß und Schmutz auf den Decks. Diese Verbesserung wurde von der R & H Green and Silley Weir Ltd. in London vorgenommen und galt als moderner Fortschritt.
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Am 12. Juni 1953 kam es zu einer Kollision im Ärmelkanal. Die Chusan krachte mit einem Frachter namens Prospector vor Goodwin Sands zusammen, was einen Riss von 7,9 Metern Länge im Rumpf zur Folge hatte. Die Reparatur konnte innerhalb von zwei Tagen in London bewältigt werden. Schwierig war auch, dass sich im März 1955 ein mit Pocken infizierter Passagier an Bord befand, der ins ägyptische Port Said gebracht wurde. Es kam zu keiner Infektionsübertragung. Am 2. September 1955 wurde während einer Mittelmeerkreuzfahrt eine Bombe an Bord vermutet, man brachte die Chusan nach Neapel, die Durchsuchung dort erbrachte, dass es sich um einen Fehlalarm gehandelt hatte.
Etwas Besonderes war für Passagiere und Besatzung die Weltkreuzfahrt für 92 Tage, die im April 1954 startete. Für P&O war das eine vielbeachtete Premiere, später wurden so lange Schiffspassagen häufiger angeboten.
1959 wurde das Klassensystem verändert, die Passagierkapazität änderte sich auf 464 in der Ersten und 541 in der Zweiten Klasse. Im Dezember des Jahres kam es noch zu einer anderen Umrüstung: eine Klimaanlage für das ganze Schiff wurde installiert. Der Arbeitsvorgang dauerte bis Mai 1960, dabei wurde das Schiff an die P&O-Orient Lines übergeben. Nach dem Umbau wurde die Chusan zu Kreuzfahrten eingesetzt, die Fahrten gingen bis nach Australien über die Zwischenstationen Hongkong und Yokohama.
1966 wurde die Chusan an P&O zurückgegeben und die Passagierkapazität abermals verändert, diesmal auf 455 in der Ersten und 517 in der Zweiten Klasse.
Im Januar 1970 gab man die Serviceroute der Chusan von London nach Indien und zurück auf. Als das Schiff in diesem Jahr in den Hafen von Southampton eintraf, kam es zu einem Brand im oberen Schornsteinbereich. 1971 versetzte P&O den Dampfer in seine Passenger Division, für einige Monate bis Januar 1972 wurden die ersten Kreuzfahrten von P&O ab Kapstadt in Südafrika durchgeführt.
Das Ende nahte. Am 26. März 1973 machte das Schiff zum letzten Mal in Southampton fest, dort wurde es offiziell ausser Dienst gestellt. Das japanische Unternehmen Mitsui & Co. kaufte die Chusan. Daraufhin erfolgte der Weiterverkauf zwecks Verschrottung an Chous Iron and Steel Company Ltd. in Kaohsiung, Taiwan, wo es am 1. Juli 1973 eintraf. Nach 23 Lebensjahren begann im September des gleichen Jahres der Abbruch des Schiffes, das so lang war wie zwei Fußballfelder.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer
Informationen zu P&O Heritage:
P&O Heritage hat sich zur Aufgabe gemacht, die großen Archive und Errungenschaften in der Seefahrtsgeschichte von P&O, einer der größten Reedereien der Welt, zu dokumentieren und zu erhalten. P&O wurde im Jahr 1837 gegründet. Unsere Sammlungen von Gemälden und Photographien, Schiffsmodellen und Zeugnissen von besonderen Ereignissen im riesigen Archiv von über 35.000 Gegenständen beleuchten die Pionierleistung der Dampfschifffahrt, die Fortschritte für die Passagiere und den globalen Handel über zwei Jahrhunderte. Ein kleines, engagiertes Team von drei professionellen Experten betreut die P&O Heritage Collection in London. Im Laufe der Jahre unserer Geschichte hat P&O zahlreiche andere Reedereien erworben und heute zählen zu unserem Archiv die Orient Line, British India, General Steam Navigation Company und viele andere. P&OSNCo., inklusive P&O Ferries wurden von DP World im Jahr 2006 gekauft. DP World ist sehr stolz auf seine Bemühungen, die P&O Heritage Collection zu erhalten und zu teilen. Unsere Website www.poheritage.com, enthält umfangreiches Informationsmaterial: 1.200 Schiffsdatenblätter, Forschungsführer, Galerien, Online-Ausstellungen und eine detaillierte Zeitlinie zu vielen Ereignissen. In unserem Online-Shop können Sie gerahmte Drucke aus unserer umfangreichen Kunstsammlung auswählen, speziell anfertigen lassen und kaufen. Für weitere Informationen, besuchen Sie unsere Webseite oder halten sich über alle unsere Aktivitäten @poheritage auf Facebook, Twitter und Instagram auf dem Laufenden.