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„Den 30. feiern wir auf der Royal Clipper“

Er kennt die deutsche Kreuzfahrtwelt besser als kaum ein anderer. Rolf Löhrke gründete vor 29 Jahren Star Clippers, die deutsche Vertretung der monegassischen Reederei. Ein Interview zur Geschichte, der aktuellen Situation und seine Einschätzung.

Die von Ihnen gegründete Firma Star Clippers Kreuzfahrten feiert 2021 ihr 30-jähriges Bestehen. Die vergangenen drei Jahrzehnte waren sicher aufregend und voller Höhen und Tiefen. Was waren für Sie die Highlights, wenn Sie zurückblicken?

Die vergangenen drei Kreuzfahrt-Jahrzehnte waren tatsächlich recht turbulent. Star Clippers Kreuzfahrten ist glücklicherweise von großen Rückschlägen verschont geblieben hat eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte geschrieben. Selbst angesichts der Corona-Krise blicken wir zuversichtlich in die Zukunft.

Rolf und Angelika Löhrke,
Foto: enapress.com

Rückblickend sind mir vor allem die Anfangsjahre prägend in Erinnerung. Als die Star Flyer 1991 vom Stapel lief und 1992 die baugleiche Star Clipper folgte, begann eine neue Ära der Passagiersegler. Diese Art Schiffe, die das Segelerlebnis mit dem Komfort einer klassischen Kreuzfahrt verbinden, gab es vorher nicht. Bevor die Star Clipper im Frühjahr 1992 zu ihrer Jungfernfahrt nach Monaco aufbrach, lag sie mehrere Tage an der Überseebrücke in Hamburg. Es kamen Tausende von Menschen, um sich diesen imposanten Großsegler anzuschauen. Ebenfalls sehr bewegend war die Taufe der Royal Clipper im Juli 2000 durch Königin Silvia von Schweden. Immer wieder eindrucksvoll sind die Ein- und Auslaufparaden beim Hamburger Hafengeburtstag und bei der Hanse Sail in Rostock. Für viele unserer Gäste – auch für mich – gehört das Auslaufen des Schiffes zum Song „Conquest of Paradise“ von Vangelis zu den berührendsten Momenten der Kreuzfahrt.

Natürlich erlebte die Kreuzfahrt in den vergangenen 30 Jahren auch Rückschläge, wobei wir als Star Clippers Kreuzfahrten nur am Rande betroffen waren. Einschneidende Erlebnisse waren die Terroranschläge vom 11. September 2001, der Irakkrieg mit Beginn 2003 und die Finanzkrise 2008. Terroranschläge und Finanzkrise hatten vor allem Auswirkungen auf den amerikanischen Markt. Während des Irakkriegs mieden viele Kreuzfahrtschiffe das östliche Mittelmeer. Wir waren dort allerdings trotzdem unterwegs.

Ein innovatives Signal für die Kreuzfahrt war das von Aida initiierte Konzept der Club-Schiffe. Damit wurde die Kreuzfahrt für ein breites Publikum interessant und erlebte einen vorher nicht geahnten Boom. Auch wir haben davon profitiert, zumal wir schon vorher auf ein legeres Ambiente ohne Kleiderzwang und strenge Etikette gesetzt hatten. Während eine Kreuzfahrt lange Zeit nur etwas für eine exotische Minderheit war, begannen sich nun ganz andere Menschen für diese Reiseform zu interessieren. Eine bezahlbare Kreuzfahrt ohne gesellschaftliche Zwänge traf genau den Zeitgeist.

Foto: Rolf und Angelika Löhrke/privat
Foto: Rolf und Angelika Löhrke/privat

Die Verbindung zum Reisen und vor allem mit Schiffen besteht bei Ihnen bereits seit vielen Jahren. Sie waren auf Schiffen unterwegs – nicht nur als Gast…

Ich war von 1969 bis 1972 als Zahlmeister auf verschiedenen Schiffen unterwegs, unter anderem auf der Bremen, die damals die Transatlantikroute bediente und im Winter durch die Karibik kreuzte. Ich wollte die Welt sehen, und die Seefahrt bot mir die Gelegenheit dazu. In meiner Zeit als Zahlmeister habe ich nahezu alle klassischen Häfen der Welt besucht und das Leben an Bord intensiv kennen gelernt. Von diesen Erfahrungen habe ich später sehr profitiert.

Warum haben Sie sich ausgerechnet in Segelschiffe „verliebt“? Spielt da die alte Seefahrerromantik eine Rolle oder gab es familiären Background?

Ich bin an der Flensburger Außenförde aufgewachsen. Da sah man damals mehr Segelschiffe als Badegäste. Wenn man als Kind ständig den Schiffen hinterherschaut, beginnt man sich in die weite Welt zu träumen. Das Leben an der Küste weckt auch die Liebe zum Meer und die Verbundenheit mit der Natur, gemischt mit einer gehörigen Portion Abenteuerlust und Romantik.

Wie und warum fassten Sie den Entschluss, Segelkreuzfahrten anbieten zu wollen?

Als Reedereikaufmann und Betriebswirt verantwortete ich viele Jahre den Schiffseinkauf für Unternehmen wie Neckermann, Kuoni Deutschland und TUI. Die Expertise und Leidenschaft für die Kreuzfahrt war vorhanden, dann kam mir das Schicksal zur Hilfe. Als ich 1990 über die ITB in Berlin schlenderte, traf ich auf den Stand von Star Clippers. Dort hingen die Pläne für diese großen Segelschiffe an der Wand und ich war sofort fasziniert. Vor allem das innovative Konzept einer neuen Art von Segelkreuzfahrt, die individuell und komfortabel ist, überzeugte mich. Außerdem würden diese Schiffe weltweit eine Alleinstellung einnehmen. Das ist, so dachte ich, eine ideale Voraussetzung, um sich als Mittelständler am Markt zu behaupten. Als Reeder Mikael Krafft mich fragte, ob ich für ihn als Reedereivertreter und Vertriebspartner für Deutschland und Österreich tätig werden wollte, sagte ich sofort zu. Im September 1991 gründete ich Star Clippers Kreuzfahrten. Im selben Jahr lief die Star Flyer vom Stapel, ein Jahr später die Star Clipper. 2000 kam dann der Fünfmaster Royal Clipper.

Foto: enapress.com

Was macht für Sie eine Kreuzfahrt aus?

Die Begegnung mit interessanten und tollen Menschen ist ein ganz wichtiger Aspekt. Sonst natürlich die unvergleichliche Kombination, dass man sein fahrendes Zuhause mit allem Komfort genießen kann, während man um die Welt fährt und fremde Länder entdeckt. Keine andere Reiseform kann das bieten. Persönlich liebe ich auch die Weite des Meeres und die Nähe zur Natur und zu den Elementen.

Haben Sie Lieblingsplätze an Bord?

Eine Besonderheit auf unseren Schiffen ist das Netz am Bugspriet, in das man hineinklettern kann. Über einem der Himmel, unten das Meer – das ist unvergleichlich.

Gibt es bereits Planungen für den großen Jahrestag?

Unseren 30. Jahrestag feiern wir im September 2021. Um diese Zeit ist die Royal Clipper immer auf einem Kurztörn im Mittelmeer. Meine Idee ist es, dort an Bord zu feiern. Für mich gibt es keinen schöneren Ort, um das Jubiläum zu begehen. Die Details liegen noch nicht fest. Vor allem müssen wir jetzt erst einmal abwarten, wie sich Corona langfristig auswirkt.

Das Thema Corona ist nach wie vor präsent und hat die Reisebranche massiv getroffen. Was muss die Industrie ändern, um wieder Vertrauen aufzubauen?

Da muss man tatsächlich differenzieren. Kleine Schiffe mit wenigen Passagieren, wie etwa Flussschiffe oder unsere Segelschiffe, werden bald wieder wie gehabt fahren können. Auf diesen Schiffen sind Abstandsregeln und Hygienevorschriften schnell umsetzbar. Die Wahrscheinlichkeit, auf einem solchen Schiff wegen eines möglichen Corona-Falls in Quarantäne festzusitzen, ist statistisch sehr gering. Anders sieht es mit den großen Pötten aus. Eine Kreuzfahrt mit einigen tausend Menschen ist quasi eine Großveranstaltung und diese sind im Moment ja sogar verboten. Die großen Schiffe fahren häufig nur rentabel, wenn sie voll ausgelastet sind, das erschwert natürlich jedes Konzept des Social Distancing. Im Moment ist noch nicht absehbar, wann die Kreuzfahrt mit ihren Mega-Schiffen wieder Fahrt aufnimmt. Den Durchbruch würde wohl nur eine Impfung gegen Corona bringen. Für Schiffe bis etwa 1000 Passagieren sehe ich bessere Chancen.

Neben der Lage auf den Schiffen spielt auch die Situation in den Häfen eine entscheidende Rolle. Erst wenn diese die Anlandung möglich machen, können die Kreuzfahrten wieder in gewohntem Maße stattfinden. Auch in diesem Punkt werden die kleinen Schiffe stark im Vorteil sein.

Von Seiten der Reedereien sind vertrauensbildende Maßnahmen nötig. Das beginnt mit durchdachten Konzepten zur Verminderung der Ansteckungsgefahr bis zu großzügigen Storno- und Rückholbedingungen. Leider hat sich die Kreuzfahrt generell ein wenig zum Buhmann für alle möglichen Probleme entwickelt – von Klimaerwärmung über Overtourism bis jetzt zu Corona-Gefahren. Das ist ein verengter Blickwinkel, da muss die Branche mit Taten und Sachargumenten gegenhalten.

Star Flyer, Foto: enapress.com

Ab Anfang Juli sollen voraussichtlich auch die Außengrenzen der EU geöffnet werden. Das Auswärtige Amt warnt aber vor Kreuzfahrten (betrifft nicht Flusskreuzfahrten mit speziellen Hygieneplänen in der EU/Schengen). Einzelne Gesellschaften wollen jetzt in ihren Heimatmärkten Kreuzfahrten wieder anbieten, unter besonderen Bedingungen, im Flussbereich gab es bereits das Revival. Sind das Ihrer Meinung nach die richtigen Signale an (zukünftige) Kreuzfahrt-Urlauber?

Eine generelle Warnung vor Kreuzfahrten durch das Auswärtige Amt sehe ich als falsches Signal. Man muss stark differenzieren und kann nicht alle Schiffe über einen Kamm scheren. Unsere kleinen Schiffe sind in Corona-Zeiten nicht bedenklicher als ein Flug nach Mallorca oder ein Aufenthalt in einem mittelgroßen Hotel. Die Flussschiffe mit ihren 100 bis 200 Passagieren fahren bereits wieder und werden gut angenommen. Kreuzfahrten in den Heimatmärkten sehe ich nur bedingt als Lösung. Wer von Bremerhaven nach Rostock möchte, muss nicht aufs Schiff gehen. Ein Ausweg könnten Themenkreuzfahrten sein, bei denen ein bestimmtes Interesse an Bord im Fokus steht und es weniger auf die Landgänge ankommt. Mit der klassischen Kreuzfahrt hat das allerdings nicht viel zu tun. Ich denke, das wird nur für einen kleineren Teil der Kreuzfahrtinteressierten in Frage kommen. Mittelfristig werden die Leute aber wieder reisen und auch auf Kreuzfahrt gehen wollen, selbst wenn das mit Einschränkungen verbunden ist. Da kann auch eine gewisse Gewöhnung eintreten.

Wann und wie will Star Clippers die Reisen wieder aufnehmen?

Das operative Geschäft können wir im Grunde sofort wieder aufnehmen. Abstands- und Hygienekonzepte sind schnell umsetzbar. Realistisch ist ein Start im August/September. Für diese Reisen haben wir auch bereits Anfragen. Ein Unsicherheitsfaktor sind im Moment noch die Häfen. Wir müssen schauen, welche Länder ihre Grenzen öffnen und unsere Schiffe ankern lassen. Das betrifft zunächst einmal unsere Gäste aus der EU und der Schweiz. Da wir ein internationales Publikum haben, wird sich die Entwicklung von Land zu Land unterscheiden. Wenn britische Gäste nach ihrer Wiedereinreise erst einmal zwei Wochen in Quarantäne müssen, wird sich die Zahl der Passagiere in Grenzen halten. Da gilt es abzuwarten. So oder so steht für mich fest: Die kleinen Schiffen werden als erste starten und bald schon wieder wie gehabt auf große Fahrt gehen.

Fotos: enapress.com, Rolf und Angelika Löhrke/privat