Die Oceanos wurde vom kombinierten Fracht- und Fahrgastschiff zum Kreuzfahrtschiff umgebaut. Es war ein beliebtes Schiff, sein Ende am 4. August vor 30 Jahren war tragisch.
Moss Hills hat etwas erlebt, was nur wenige Menschen in ihrer Biografie zu verzeichnen haben. Zwei Mal war der Bordmusiker auf Schiffen, deren Untergang er direkt miterlebte. 1991 an Bord des sinkenden Kreuzfahrtschiffes Oceanos und im Dezember 1994 auf der Achille Lauro, die als erstes Kreuzfahrtschiff von Terroristen entführt worden war und nach einer Explosion und einem Brand versank. Hills hat beide Ereignisse überlebt.

Auf der Oceanos musste er vor der Ostküste Südafrikas mit den anderen Passagieren erleben, wie der überforderte Kapitän und Teile der Schiffsleitung frühzeitig vom Bootsdeck aus Vorbereitungen trafen, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Ohne die Evakuierungsaktion der Gäste zu koordinieren, sie mitzunehmen oder ihnen gar den Vorrang zu geben, wie es traditionell bei existenziellen Notfällen in der Schifffahrt üblich ist. Ein beispielloses Versagen.



Das Schiff war am 3. August 1991 auf der Fahrt von East London in Südafrika nach Durban. Vor der Transkei geriet es in einen heftigen Sturm mit 40 kn Windgeschwindigkeit und Wellenhöhen von 9 m. Geplant war eine „Sail-away-Party“, Moos Hills und die Entertainerin Tracy Hills sollten sie durchführen. Weil die See rau war, wurde die Veranstaltung in die Four Seasons Lounge verlegt; sie hatte nicht viele Besucher, die meisten Passagiere blieben in ihren Kabinen. Beim Abendessen fielen die ersten Topfpflanzen von den Tischen und manche Speisen von den Tabletts der Kellner. Schließlich soll es zu Freak-Wellen gekommen sein, gegen 21:30 Uhr dann ein Explosionsgeräusch, und von da an eine unruhige Nacht.
Die Oceanos befand sich rund zehn Kilometer südlich der Coffee Bay, als es zu dem Unglück kam. In dieser katastrophalen Situation nahm der beliebte Gitarrist Hills mithilfe des Zauberers Julian Butler und der Reiseleiterin Lorraine Beets spontan die Organisation der Rettungsaktion in seine Hand. Alle 571 Personen an Bord konnten durch diesen Einsatz ihr Leben retten, darunter Kinder, Frauen und ältere sowie kranke Menschen. Die Künstler sangen, um die miese Stimmung zu lockern.

In der internationalen Schifffahrt gilt der Grundkodex: Der Kapitän verlässt als letzter das sinkende Schiff. Yiannis Avranas, Kapitän der Oceanos, hat diese Verantwortungsregel nicht eingehalten. Nach dem gewaltigen Knall im Maschinenraum lief durch ein Leck im Seekasten Seewasser ins Schiff und der Antrieb fiel aus. Es wurde bald klar, dass es durch den Wassereinbruch sinken würde. Ein 10 cm grosser Durchbruch für ein bei Wartungsarbeiten noch nicht ersetztes Entlüftungsrohr war nicht korrekt verschlossen worden und Rückschlagventile waren nicht vorhanden, so dass das Wasser ungehindert durch ein Schott im Generatorbereich des Maschinenraums in das Abwassertanksystem strömen und durch die Abwasserverrohrung über die Toiletten und Duschen in die unteren Decks aufsteigen konnte. Anweisungen von der Brücke wurden nicht gegeben, man kann sich kaum vorstellen, in welcher mentalen Verfassung sich die Passagiere befunden haben müssen, die schnell begriffen, dass sie um ihr Leben kämpfen mussten. Die wütenden Menschen erhielten von der Schiffsführung keinerlei Informationen. Eine fatale Stimmung kam auf, die nur durch die Bemühungen der Helfer nicht zu Panik führte.
Avranas, Jahrgang 1940, verschwand sofort von der Brücke und überließ die Passagiere und die Crew ihrem Schicksal. Es gab nicht einmal eine Alarm-Durchsage. Videos zeigen, dass andere Schiffsoffiziere die Rettungsboote einsatzklar machten, sie besetzten und sich mit ihnen aus der unmittelbaren Gefahrenzone herausbewegten.
Avranas war einer der Ersten, der bei der am Morgen des nächsten Tages anlaufenden Luftrettungsaktion aus einer an Deck wartenden Personengruppe heraus in einen Helikopter stieg, als niemand wusste, wie lange sich das Schiff noch über Wasser halten würde. Später, als die Überlebenden – dem Seemann sein Verhalten vorhielten, wurde er auch noch zynisch. „Wenn ich den Befehl gebe, das Schiff zu verlassen, ist es egal, wann ich von Bord gehe“, sagte er vor auch anwesenden Medienvertretern. „Der Befehl gilt für alle. Wenn manche Leute bleiben wollen, so können sie das tun.“ Eine groteske, ja, grausame Einstellung eines Mannes, der für 571 Menschen auf seinem Schiff verantwortlich war und seine Pflicht ihnen gegenüber nicht im Geringsten erfüllt hat.
Die Evakuierung führten Hills und Butler durch, indem sie zunächst die Passagiere geordnet in die letzten Rettungsboote setzten, die dann zu Wasser gelassen wurden. Das geschah bei starken Winden und hohen Wellen. Das Schiff hatte bereits starke Schlagseite nach Steuerbord und über das Funkgerät in der verlassenen Brücke forderten die Helden über Notruf dringend schnelle Hilfe an. Es ist nachgewiesen, dass weder Kapitän noch die Schiffsoffiziere einen Notruf abgesetzt hatten.
Gegen 03.00 Uhr am 4. August 1991 waren noch ca. 225 Passagiere und Crewmitglieder an Bord zurückgeblieben, Hills und andere betreuten sie. Denn über die noch vorhandenen Rettungsboote konnte man nicht mehr verfügen, weil es wegen der Schlagseite des Schiffes nicht mehr möglich war, sie zu nutzen.
Moos Hills und die anderen freiwilligen Helfer schafften es über das Funkgerät, eine breit angelegte Hilfsaktion in Gang zu setzen. Etwa 6:30 Uhr am Morgen flogen die Hubschrauber der South African Defence Force zur Luftrettung heran. Wegen des schlechten Wetters dauerte die Rettungsaktion mehrere Stunden bis in den frühen Nachmittag hinein. Schließlich waren 16 Helikopter um die Oceanos herum, davon 13 Transporthubschrauber vom Typ Aérospatiale SA 330. Die einzelnen Personen wurden über Seilwinde in die Fluggeräte gezogen.

Die Oceanus war im Juli 1952 als kombiniertes Passagier- und Frachtschiff unter dem Namen Jean Laborde zu Wasser gelassen und im Juni 1953 als letztes von vier Schwesterschiffen an die Reederei Messageries Maritimes abgeliefert worden. Sie wurde vor allem im Dienst auf den Routen von Marseille nach Madagaskar und Mauritius eingesetzt. Es folgten mehrere Wechsel der Eigner und Namen: Das Schiff hieß 1970/71 Mykinai, 1971 bis 1974 Ancona und von 1974 bis 1976 Eastern Princess. 1976 wurde es von der griechischen Reederei Epirotiki Lines übernommen. Deren Chefs veranlassten den Umbau zum modernen Kreuzfahrtschiff.
Das Schiff war am 12. Juli 1952 bei der Bauwerft Forges & Chantiers de la Gironde in Bordeaux vom Stapel gelaufen, es war 153 Meter lang und 20 Meter breit. Der Tiefgang lag bei sieben Metern, die Vermessung bei 14.000 BRT. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 18,5 Knoten, die Dienstgeschwindigkeit in der Kreuzfahrt bei 16 kn. Die Besatzung umfasste ca. 250 Mitglieder. Über die Ausstattung und Einrichtung des für 550 Gäste ausgelegten Schiffes ist wenig bekannt. Das Schiff hatte seine Fans. 1985 und 1986 war es sogar für zwei Filmgeschichten – „Sky High“ und „Hardbodies 2“ – genutzt worden.
Kapitän Yiannis Avranas wurde später in London vor Gericht gestellt – und freigesprochen. Er erklärte, er sei überfordert gewesen mit der Situation und habe es nicht geschafft, eine Koordination zu organisieren. Später durfte er sogar weitere Kreuzfahrtschiffe führen. Das wird von den meisten Kapitänen und Schiffsexperten als grobes Fehlurteil der Gerichtbarkeit empfunden.

Die Oceanos sank am 4. August 1991 rd. 3,5 sm vor der Küste der Coffee Bay gegen 15.30 Uhr Ortszeit. Das Schiff liegt bis heute in mehr als 91 Metern Tiefe auf Position 32°12,093“S und 29°12,029“W nahezu im rechten Winkel zur Küstenlinie in starker Strömung mit der Steuerbordseite auf dem Meeresboden. Jüngste Taucheraufnahmen zeigen, dass der Brückenbereich bereits zusammengebrochen ist.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer