Die SS Great Eastern war über Jahrzehnte der größte Dampfer der Welt. Seiner Zeit weit voraus, aber ihr doch nicht ganz gewachsen.
Reichtum bei Ideen und beim Geld schützen vor Unglück nicht. Auch ein großer Mann wie Isambard Kingdom Brunel bekam das zu spüren. Der britische Ingenieur, 1806 in Portsmouth geboren, der als technischer Pionier galt und den Schwung der Industriellen Revolution mitbewirkte, wollte nach Eisenbahnschienen und Brücken eine Weltsensation zustande bringen: das größte Schiff, das je über die Ozeane schwimmen sollte. Er hatte es mit konstruiert und gab ihm den Namen SS Leviathan, das erinnerte an das biblische Seeungeheuer. Der erste Versuch des Stapellaufs war dramatisch missglückt, was auf den fluchbeladenen Schiffsnamen bezogen wurde. Als eine Kette riss kam ein Arbeiter zu Tode, der Schiffsrumpf bewegte sich gerade mal um einen Meter.
Der nächste Versuch, das Schiff vom Stapel laufen zu lassen, geschah am 31. Januar 1858. Diesmal lief es gut, aber nur mit Hilfe der Flut und des Einsatzes hydraulischer Pumpen. Doch danach setzte eine dramatische Pannenserie ein, die sich bis in den September 1859 hinzog. Es kam zu einer Reihe von Unfällen, der Höhepunkt war ein Großbrand an Bord, der einen Austausch von Teilen des Dampfers erforderte. Brunel taufte ihn kurzerhand in Great Eastern um, aber seelisch und körperlich war der 53 Jahre alte, selbstbewusste, aber von den Schwierigkeiten geplagte Mann am Ende. Einen Tag vor der Jungfernfahrt erlitt er einen Schlaganfall, zehn Tage später war er tot. Er hatte zu viel gewagt, viel Anerkennung gewonnen aber dennoch verloren.
1837 hatten seinerzeit die Deutschen das größte Dampfschiff aller Zeiten zu Wasser gelassen. Dies sollte nun vom meerumgebenen Britannien überboten werden. 1843 folgte die englische Great Britain als erstes propellergetriebenes Transatlantikschiff, auch von Brunel unterstützt. Es hatte einen aus Eisen geschmiedeten Rumpf statt aus Holz.
1852 kündigte er das nächste ganz große Ding an: die Great Eastern, die zum Urahn aller Ozeandampfer werden sollte. Brunel war der erste, der den Rumpf mit Doppelboden und wasserdichten Schotten bauen ließ. In Großbritannien gilt Brunel bis heute als Nationalheld, auf der Prominentenliste steht er als Zweiter nach Winston Churchill.
Der geniale Konstrukteur mit Größenwahn hinterließ den Seeleuten eine schwere Überforderung. Das begann schon auf der Jungfernfahrt auf dem über 200 Meter langen und 18.000 Tonnen schweren Schiff mit rund 8000 PS. Die Antriebssysteme bestanden neben der Heckschraube von sieben Metern Durchmesser aus zwei seitlichen Schaufelrädern und vielen Segeln an den Masten. 12.000 Arbeiter werkelten an dem Dampfer, damals wurden auch noch Kinder als billige Arbeitskräfte eingesetzt. Die Kohlenbunker waren weitläufig, darin befanden sich bis zu 15.000 Tonnen, die für eine Weltumrandung gelangt hätten.
Aber erst explodierte ein Dampfkessel, ein Schornstein schoss raketenmäßig in die Höhe, mehrere Menschen kamen dabei ums Leben. Schaufelräder wurden von den Wellen abgerissen, im Sturm platzte eine Ankerwinde und spießte vier Matrosen auf. Bei einem Hafenmanöver im Sturm wurde selbst der Kapitän William Harrison im Beiboot von der Materialmasse seines Schiffs zerquetscht.
Das war kein gutes Omen und sprach sich herum. Prompt wurden auf der ersten Atlantiküberquerung 1860 nur 35 Passagen gebucht für ein Schiff, dass Platz hatte für 4000 Passagiere. Schließlich wurde noch ein Desaster bekannt: Das Schiff wurde nicht mit Champagner getauft, sondern versehentlich nur mit einer Wasserflasche beworfen worden.
Das Schiff wurde unter dem Namen Leviathan am 1. Mai 1854 auf Kiel gelegt, der Stapellauf fand am 31. Januar 1858 statt. Es war 211 Meter lang, 25,3 Meter breit und hatte einen Tiefgang von maximal 9,3 Metern. Die Verdrängung lag bei maximal 32.000 Tonnen, die Vermessung bei 18.915 BRT. An Bord waren zehn Dampfkessel installiert worden, dazu ein Propeller und zwei Schaufelräder. Der Dampfer erreichte mit einer Maschinenleistung von 8300 PS 12,4 Knoten (23 km/h). Mit sechs hohen Masten stand eine Segelfläche von 5450 Quadratmetern zur Verfügung. Für 4000 Passagiere gab es eine Besatzung von 400 Mann. Das Schiff war konzipiert für den Indien- und Australiendienst, nicht dabei bedacht wurde, dass vor allem die indischen Häfen das „Wunder der Meere“ aufgrund der Größe gar nicht aufnehmen konnten.
Gebaut wurde das Schiff in Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Konstrukteur John Scott Russell, der aber, ohne dass Brunel dies wusste, mit seiner Werft Messrs Scott, Russel & Co. (östlich von London) in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Die beiden zerstritten sich und Brunel bezichtigte Russell vor dem Vorstand der Finanziers, mehrere Tonnen Stahl verkauft zu haben, um diverse Schulden zu begleichen. Wenig später mussten die Arbeiten an dem Schiff vorläufig eingestellt werden. Die Banken übernahmen Werft und Schiff und ließen es unter Regie von Brunel weiterbauen.
Die Schiffshülle bestand vollständig aus Eisen, der Rumpf war doppelwandig. Die Schaufelräder besaßen einen Durchmesser von 17 Metern. Der Great Eastern waren fünf Schornsteine aufgesetzt worden. Wurde das Schiff in den Segelmodus versetzt, geschah das mit drei Rahsegeln und mehreren unterschiedlichen Gaffelsegeln. Die Crew hatte so viele Segel zu bedienen, dass man neue Namen kreierte: so gab es neben Hauptmast und Kreuzmast auch Fockmast, Besanmast und mehrere Vormast-Namen. Allerdings erbrachten keine der Fahrten Gewinne, denn immer noch verblieb der Ruf, man sei auf dem Dampfer nicht sicher.
Nachdem es mit dem Passagiertransport über Jahre nicht gut funktionierte, rettete sich die Great Eastern in das Geschäft mit der Kabelverlegung im Atlantik. Allerdings zwölf Jahre zu spät, die Konkurrenz der Kabellegeschiffe war gewaltig. Immerhin konnte das Schiff die vielen Kilometer langen Kabel transportieren, nachdem der vierte Schornstein entfernt worden war. Allein für die Verlegung eines Kabels zwischen Europa und Nordamerika wurden 1866 fünf Monate benötigt – mit dem Effekt, damit den Telegrammaustausch mittels Morsezeichen ermöglicht zu haben.
Aber auch das Unglück blieb dem Schiff treu. Beide Schaufelräder wurden im September 1861 abgerissen, am 27. August 1862 lief der Dampfer vor Long Island nahe New York auf ein nicht kartiertes Riff. Die äußere Schiffshaut wurde 30 Meter aufgerissen, da der Rumpf aber doppelwandig war, gelang es, aus eigener Kraft den Hafen zu erreichen.
Die Eigner gaben schließlich auf, im Oktober 1885 wurde die Great Eastern in London versteigert, laut dem preußischen „Zentralblatt der Bauverwaltung“ ging das Schiff für 524.000 Mark an die englische Firma Demattos. Der Plan war, den Dampfer nach Gibraltar zu bringen, um dort stationär Kohle an vorbeifahrende Schiffe zu verkaufen, dem Treibstoff jener Zeit. 1886 lag die Great Eastern aber immer noch in London fest. D. Lewis charterte das Schiff als eine schwimmende künstlerische Halle mit Artistenkunst in den Masten, Ausstellungen, Shows und anderem. Makaber: Damit wurde allein über Eintrittstickets mehr verdient als zuvor im Passagierdienst.
Zwischen 1886 und 1889 wurde mehrfach geplant, den eisernen Riesen zum Abbruch zu verkaufen. Dies erfolgte schließlich sogar mit Gewinn. Doch danach verrottete das Schiff im walisischen Milfod Haven, später in der Mündung des Flusses Merse vor Liverpool. Im Januar 1889 begann das Abwracken in mehreren Etappen, der Vorgang dauerte insgesamt 16 Monate. Die endlose Pechsträhne war zu Ende. Es blieb ein Buch von Jules Verne, der 1867 auf dem Schiff von Liverpool nach New York als Passagier mitgereist war. Der Roman heißt „Die schwimmende Stadt“ (1874).
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jürgen Saupe