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DER REKORDLINER

Der Dampfer RMS Umbria gehörte in seiner Zeit zu den größten Schiffen auf den Weltmeeren. Er überquerte 145 Mal den Atlantik, hatte aber auch einiges zu überstehen.

Die Umbria galt einige Zeit als Königin der Dampfschiffe. Sie gehört in die Epoche der Industriellen Revolution im späten 19. Jahrhundert, in eine Zeit, in der alles schneller und größer werden sollte. Sie war eines der letzten Dampfschiffe, die zusätzlich noch mit Segeln ausgestattet waren. Zugleich war es das erste Schiff, das moderne Kühlvorrichtungen besaß, womit sie schnell verderbliche Lebensmittel länger erhalten konnte. Das waren damals die Parameter, die zählten.

Der britischen Reederei Cunard Line ging es in den 1880er Jahren um Innovation und Geschwindigkeit. Zusammen mit der Etruria, die zur gleichen Zeit als Schwesterschiff entstand, sollte die am 1. November 1884 in Dienst gestellte Umbria das Blaue Band für lange Zeit erobern. Die Etruria kam einige Monate später, im März 1885, in Fahrt. Es war enorm prestigeträchtig, immer neue Rekorde zu erlangen. 1887 schaffte es die Umbria bei der Überquerung des Atlantiks, einen neuen Rekord einzustellen: sechs Tage, vier Stunden und zwölf Minuten. 1888 wurde der Rekord aber schon wieder knapp überholt, und das ausgerechnet von der Schwester Etruria.

Beide Schnelldampfer wetteiferten auf der Nordatlantikroute von Liverpool nach New York und zurück. Es ging darum, wer nach dem Motto „Wer schlägt wen?“ mehr mediale Aufmerksamkeit erheischen konnte.

Die Umbria war nach dem Willen der ehrgeizigen Bosse der Cunard Line eine Zeitlang auch das größte Passagierschiff der Welt. Erbaut wurde sie von der Werft John Elder & Company im schottischen Govan bei Glasgow unter der Baunummer 285, ihr Heimathafen war Liverpool. Taufpatin war eine Mrs. Hope aus Edinburgh. Es wurden mehrere Probefahrten durchgeführt, die alle zufriedenstellend verliefen. Zum Kapitän wurde Theodore Cook bestimmt, er war der dienstälteste Kapitän bei Cunard und hatte viele Jahre in deren Segelflotte gedient.

Bild: Sammlung JSA

Am 25. Juni 1884 fand der Stapellauf statt, am 1. November des Jahres wurde die Umbria auf der Nordatlantikroute in Dienst gestellt. Sie war 158,2 Meter lang und 17,43 Meter breit, der Tiefgang lag bei 12,2 m und vermessen wurde sie mit 7718 BRT. Der Antrieb des über sechs Decks verfügenden Schiffes erfolgte durch sechs Verbunddampfmaschinen mit einer Leistung von 12500 PS (9194 kW), die auf einen Propeller arbeiteten und für eine Höchstgeschwindigkeit von 29 kn (33,3 km/h) sorgten. Die Crew umfasste 560 Personen. Die zugelassene Passagierzahl lag bei 1460 Personen: 500 Passagiere in der Ersten Klasse, 160 in der Zweiten und 800 in der Dritten Klasse.

Das Schiff verfügte über drei hochragende, voll getakelte stählerne Masten. Sie waren mit mehreren starken Wanten am Rumpf befestigt, ganz obenauf flatterten die Fähnchen im Wind. Die Schornsteine fielen auf, weil sie enorm breit waren, die Umbria hatte neun Doppelend-Kessel, jeden Tag wurde in ihnen an etwa 320 Tonnen Kohle verheizt. Der massive Schiffsrumpf war in zehn wasserdichte Abteilungen unterteilt.

Überall, wo das Schiff auftauchte, sollte es vermitteln, jetzt kommt das Größte. Für den Wettbewerb um das Blaue Band, die begehrte Auszeichnung für die schnellste Atlantiküberquerung eines Passagierdampfers, war die Umbria optimal geeignet. Cunard hatte viel Geld eingesetzt, die beiden älteren Schiffe der Reederei, Parthia und Batavia von 1870, waren dazu bei John Elder & Company in Zahlung gegeben worden.

Das Kürzel RMS stand für Royal Mail Ship, es wurde den erwählten Schiffen als Abkürzung vorangestellt und bezog sich auf die Beförderung von Post der britischen Royal Mail. Cunard Line war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der größte Postverschiffer, später auch mit der RMS Titanic. In einer Periode ohne andere Übermittlungsmöglichkeiten waren Postbringer gern gesehene Schiffe in aller Welt. Noch heute gibt es Sammler von Briefmarken aus dieser Zeit, die einen hohen Wert in der Branche haben.

Die Ausstattung auf der Umbria war luxuriös im viktorianischen Stil. In die Aufenthaltsräume der Ersten Klasse hatte man geschnitztes Mobiliar und schwere Samtvorhänge gebracht. Es gab für die Oberklasse einen eigenen Speisesaal, Rauch- und Musiksalon, die Kabinen waren größer als in den unteren Klassen und näher an der Promenade. Auch die Räume der Zweiten Klasse waren ansehnlich und besser designt als auf anderen Schiffen. Die Unterbringung der Dritt-Klassen war ordentlich.

Nach kurzer Dienstzeit wurden die Umbria und die Etruria von der britischen Admiralität als Hilfskreuzer in Anspruch genommen. Im März 1885 gab es eine politische Krise zwischen Russland und Afghanistan, der Konflikt konnte aber schnell gelöst werden. Als Vorsichtsmaßnahme wurde die Umbria jedoch noch weitere sechs Monate einbehalten, während die Etruria wieder in den Passagierverkehr ging. Im September 1885 übergab man die Umbria wieder Cunard, das Schiff musste fortan mit den aufgesetzten 130-mm-Kanonen fahren, eine Bestimmung der Royal Navy für den Bedarfsfall.

Der 10. November 1888 sollte der Tag der Rückkehr von New York nach Europa sein, kurz nach dem Start kollidierte die Umbria bei Sandy Hook mit dem französischen Frachtdampfer Iberia der Fabre Line. Der Zusammenprall hatte zur Folge, dass der Iberia vom scharfen Bug der Umbria das Heck abgetrennt wurde, es ging unter. Erstmals wurde kritischer darüber gesprochen, dass die Umbria bei dem Unfall bereits eine hohe Geschwindigkeit fuhr, als sie auf das französische Schiff gekracht war, was als gefährlich gewertet wurde.

Bild: Archiv U. Horn

Am 17. April 1890 traf die Umbria fünf Tage nach dem Auslaufen von New York auf die norwegische Bark Magdalena, sie war auf einen Eisberg gestoßen und mit Wasser vollgelaufen. Die achtköpfige Besatzung mit Kapitän Gunderson wurde gerettet, nachdem man die Magdalena in Brand gesetzt hatte, um sie zu versenken. Deren Crew wurde auf der Umbria nach Liverpool mitgenommen. Im gleichen Jahr erhöhte sich die Vermessung durch ein Refit auf 8121 BRT.

Ende 1892 war für einige Tage unklar, ob die Umbria verschollen war. Am 17. Dezember war sie unter Kapitän Horatio McKay von Liverpool in den offenen Atlantik gedampft, 400 Passagiere und viel Post an Bord, in New York sollte sie am 24. Dezember ankommen. Doch noch fünf Tage lang bangte man, zumal der Kapitän des Dampfers Galileo angab, die Umbria an Heiligabend geortet zu haben. Das Schiff erschien ihm nicht mehr steuerbar, obwohl es keinen Hilferuf gab. Später stellte sich heraus, dass es bei miserablem Wetter mit starken Stürmen nach einem Schaden am Wellenlager mit den für eine Notreparatur gestoppten Maschinen in nordwestliche Richtung abgedriftet war. In New York angekommen, wurden Notreparaturen erledigt. Die Einfahrt in den Hafen wurde von Tausenden Schaulustigen mit Jubel begrüßt. Anschliessend kehrte das Schiff ohne Passagiere zu monatelangen Reparaturen nach Liverpool zurück. Dabei wurden u.a. auch die Rahen vom Haupt- und Achtermast entfernt, so dass nur der vordere Mast in Notfällen für den Segelbetrieb zur Verfügung stand.

Im Dezember 1899 bestimmte die britische Regierung, die Umbria als Hilfsschiff nach Südafrika zu verlegen. Dort hatte der Zweite Burenkrieg begonnen, auf der am 11. Januar 1900 begonnen Hinreise hatte sie Waffen und Truppen an Bord, auf der Rückreise von Kapstadt aus brachte die Umbria verwundete Soldaten nach Southampton, es waren Hunderte bis Mitte des Jahres 1901. Danach erhielt das Schiff im Rahmen einer Generalüberholung für die Rückkehr in den Liniendienst nach New York u. a. eine Funkausstattung.

Am 9. Mai 1903 wurde auf der Umbria Alarm geschlagen, angeblich war von der Mafia im Schiff eine Bombe eingeschmuggelt worden. Tatsächlich fand die New Yorker Polizei bei der Durchsuchung eine Bombe mit 45 Kilo Dynamit, sie wurde unschädlich gemacht. Der Vorgang konnte nie geklärt werden.

Inzwischen hatte Cunard zwei weitere noch größere Schiffe bauen lassen, die moderner waren (Campania und Lucania). Die Umbria wurde aufgegeben, nach der Rückkehr aus New York und dem Ausstieg der Passagiere in Liverpool am 4. Februar 1910, begann die Demontage des von der Forth Shipbreaking Company für 20 000 Pfund verkauften Liners. Später wurde das Schiff nach Bo’ness, eine schottische Stadt, gebracht und abgewrackt.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer