Die Europa war in der Genealogie der Kreuzfahrthistorie ein Meilenstein. Krieg und Luftfahrt führten das Schiff in den Ruin.
Deutschland hatte seit Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Schiffe mit dem Namen Europa, die Bezeichnung war begehrt und beliebt. Der älteste Vorfahre ist die Europa von 1891, ein Auswandererschiff für rund 200 Menschen an Bord, die es in die Neue Welt zog, um vor allem der ländlichen Armut zu entfliehen. Das Schiff war knapp 80 Meter lang. Den Passagieren ging es nur um die schnelle Überfahrt auf dem Nordatlantik, kein Hauch von Luxus.
Die nächste Europa war ab 1905 für den Norddeutschen Lloyd im Mexiko-Dienst eingesetzt. Schon ein Dampfschiff von 99 Metern Länge, aber kein Passagierschiff, sondern gebaut für die Deutsche Dampfschifffahrts-Gesellschaft Hansa. Ein weiteres Schiff mit dem Namen des Kontinents war ein umgebauter Frachter, 1889 zu Wasser gebracht, damals unter dem Namen Gutenfels. Nach dem Umbau zur Europa 1908 ging er mit 28 Mann Besatzung auf die Atlantikroute, geriet dort in Seenot und blieb seither verschollen. Den Schiffen fehlte noch gänzlich die hanseatische Provenienz.
Die dritte Europa, 1928 im Auftrag des Norddeutschen Lloyd bei der Hamburger Werft Blohm + Voss gebaut, sollte im geradlinigen Schiffslayout ein Superstar auf den Meeren werden. Von bombastischer Größe, neun Passagierdecks, Wintergarten und Ballsaal à la Titanic, zwei niedrigen Schornsteinen und den besten Turbinen, die es seinerzeit gab.
Indes: In der Nacht zum 26. März 1929, schon nahe der Indienstellung, brach unerwartet ein Großfeuer an Bord aus. Die mit enormem Aufwand erschaffene Europa, schon zu drei Vierteln fertiggestellt, brannte einen ganzen Tag. 350 Feuerwehrleute bekämpften schließlich den Brand. Das in dichten Rauch gehüllte Schiff wurde stundenlang mit so viel Löschwasser geflutet, dass es am Ausrüstungskai der Werft im Kuhwärderhafen fast 15 Grad Schlagseite erlitt und zu kentern drohte – um das zu verhindern, musste sie auf den Grund abgesenkt werden. Dazu ließ sich Betriebsingenieur Franz Küntzel in einem Kübel per Kran in dem Schiff absetzen, um die notwendige Öffnung der Bodenventile vornehmen. Das gelang zwar, aber nicht nur die Turbinenanlage war schwerstens beschädigt. Die hohen Temperaturen an Bord reichten bis zu 700 Grad Celsius, so dass das Schiff extrem in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es war ein ausgeglühtes Wrack. Mehr als 7000 Tonnen Stahl und Blech mussten entfernt werden, die verbeulten Unterdecks gerade ausgerichtet und durch neue Konstruktionen ersetzt werden. Für die umfangreichen Arbeiten wurde eine moderne Peileinrichtung zur Überwachung eingesetzt. Die erste Probefahrt konnte am 22. Februar 1930 mit Erfolg absolviert werden.
Es konnte nie geklärt werden, wie es zu diesem Schaden kam. Niemand war in der Lage, die Ursache des Feuers zu ermitteln. Die Bosse von Werft und Reederei hatten schwere Stunden, es musste sofort entschieden werden, wie es weitergehen sollte. Die Entscheidung war ein mutiger Ruck: nun gerade! Und zwar schon ab dem Tag darauf, dem 27. März. Die immens hohen Kosten – am Ende beliefen sie sich auf 18.222.564 Mark, vom Versicherungsmakler M.W. Joost reguliert –, wurden hingenommen.
Für die großartige Leistung der aufwendigen Hebung und der Wiederherstellung unter der Verantwortung von Dipl.-Ing. Carl Jacob – ihm war es gelungen, durch Pumpmaßnahmen den Durchhang des Schiffes zu beseitigen – wurden er und Küntzel zu Oberingenieuren und Schiffbaumeister Ernst Weiss zum Obermeister ernannt. Sie waren die wahren Retter. Die Instandsetzung dauerte elf Monate.
Die Europa mit ihren fast 50.000 BRT, das Schwesterschiff der Bremen, wurde regelrecht aufgerüstet vor ihrer Jungfernreise, die am 19. März begann und von Bremerhaven nach New York führte. Das Schiff war in seinen Details nun noch stärker ausgeprägt als die Schwester Bremen, dem NDL war es wichtig, in die Spitzenklasse des Transatlantikverkehrs aufzusteigen. Man verpasste der Europa trotzdem einen Spitznamen: „Drama Queen“.
Sie war ein turbinengetriebenes Passagierschiff des Norddeutschen Lloyd, die Reederei hatte auf einer klassischen, aber auch hochmodernen Silhouette und eleganter Erscheinung bestanden. Die Pluspunkte konnten schnell eingeholt werden: 1930 schaffte es die Europa auf der Erstfahrt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27,91 Knoten das Blaue Band für die schnellste Überquerung auf dem Atlantik zu ergattern. In nur vier Tagen, 16 Stunden und 48 Minuten. Die Einfahrt in den Hafen von New York war ein Triumph. Das noble Band konnte bis 1933 gehalten werden, ging dann unter anderem zeitweise wieder an die Bremen. Von Ostern 1936 ab begannen Kreuzfahrten nach den Bermudas. Am 29. Januar 1937, schon auf der Rückreise nach Deutschland, gelang es der Europa-Besatzung, drei Schiffbrüchige, die auf dem Meer trieben und zur Besatzung des deutschen Tankers Olifer gehörten, der vor Borkum gesunken war, zu retten.
Diese Europa war fortan stolz unter der Flagge des Deutschen Reiches unterwegs. Den Passagierdampfer mit der Baunummer 479 hatte man am 15. August 1928 vom Helgen 9 nach der Taufe durch Ines Glässel, Tochter des NDL-Vorstandes Ernst Glässel, vom Stapel laufen lassen, einen Tag später folgte in Bremen das von Reichspräsident Paul von Hindenburg getaufte Schwesterschiff Bremen. Der Neubau war 285,62 bzw. 282,77 Meter lang und 39,65 Meter breit. Der Tiefgang wurde mit maximal 9,75 m angegeben, die Vermessung lag bei 49.746 BRT, die Tragfähigkeit bei 12840 tdw. 24 Dampfkessel und vier Dampfturbinen, die auf vier Propeller arbeiteten, sorgten für eine Geschwindigkeit bis zu 27,9 Knoten (52 km/h). Die Maschinenleistung lag bei 136.400 PS (95.615 kW). Eine Besonderheit war ein Katapult, das Wasserflugzeugen den Start vom Typ Heinkel HE 58 und Junkers 46 ermöglichte. Die Flugzeuge waren mit Post beladen und konnten mehrere hundert Kilometer vom Zielhafen ausfliegen. Das hatte auch einen militärischen Hintergrund. Die erfahrenen Piloten hatte man sich von der Lufthansa geholt, sie erprobten die Bordflugzeuge zugleich für den Einsatz auf Kriegsschiffen. Die Besatzung an Bord war mit 965 Mitarbeitern ausgestattet, und es war Platz für rund 2000 Passagiere.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Luxus ziemlich ramponiert, das Schiff war nun ein Truppentransporter deutscher Marinesoldaten, dem Unternehmen Seelöwe angepasst, mit der die Besetzung Englands geplant war. 1940 warfen die Briten eine Fliegerbombe auf die Europa, die Kommandant Georg Enoch von und zu Guttenberg schwer verwundete; er starb bald darauf. 1945 wurde das Schiff zum Rettungsdampfer, als es am Kriegsende von Swinemünde aus vor der Lübecker Bucht Flüchtlinge aus dem deutschen Osten nach Kiel transportierte. Das Schiff überstand den Krieg technisch nahezu unversehrt. Im Mai 1945 wurde es als Kriegsbeute von den Amerikanern beschlagnahmt und als Truppentransporter eingesetzt. Am 8.6.1946 wurde es als Reparationsleistung an Frankreich weitergegeben. Dort wurde es umgebaut und erhielt 1950 den Namen Liberté.
Bei den Arbeiten am Schiff in Frankreich kam es zu einem schweren Unglück. Die Liberté wurde in Le Havre bei einem starken Sturm am 8.12.1946 losgerissen, krachte danach auf das Wrack der Paris wobei ihr Rumpf aufgerissen wurde. Daraufhin erfolgte ein massiver Wassereinbruch, so dass das Schiff auf ebenem Kiel sank. Nach der Hebung am 14.4.1947 erfolgten in Saint Nazaire Reparaturen und Umbauten bis in den April 1947 hinein. 1954 erhöhte man noch die Schornsteine, um den Rauchabzug zu verbessern, wodurch die klassische Schiffsschönheit ihre einmaligen Proportionen verlor, sie sah nun etwas plump aus.
Der Dampfer ging an die französische Reederei CGT, die die Europa am 17.8 1950 auf die erste Ausreise von Le Havre nach New York schickte. Am 14.11.1961 wurde sie aus Altersgründen ausser Dienst gestellt und wegen der Konkurrenz der Luftfahrt in Le Havre aufgelegt. Im November 1962 wurde sie ins italienische La Spezia gebracht und dort abgewrackt.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer