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DIE GRÜNE GÖTTIN

Das RMS Caronia war ein Passagierschiff in Diensten der britischen Cunard White Star Line, wurde aber auch für Kreuzfahrten eingesetzt.

Man nannte das Schiff „Green Goddess“, die „Grüne Göttin“, Baujahr 1949. Es übertraf in Größe, Ausstattung, Kapazität und Geschwindigkeit die meisten Schiffe auf den Meeren. Cunard besaß am Ende des Zweiten Weltkriegs nur noch drei Schiffe, die Passagiere von Europa nach Amerika befördern konnten: RMS Queen Mary, RMS Queen Elizabeth und RMS Mauretania, letztere war kleiner als die beiden anderen. Neben der Mauretania, so beschloss es die Reederei, sollte es zur Ergänzung ein weiteres Schiff geben. Erstaunlich war, dass die Planer es nicht nur für den Transitverkehr auf dem Nordatlantik vorgesehen hatten, sondern primär auch als Kreuzfahrtschiff. Das war erstmalig in der Geschichte der Reederei und zudem eine Überraschung für die Konkurrenz.

Foto: Sammlung JSA

Die Caronia unterschied sich deutlich von anderen Schiffen. Der Rumpf wurde nicht traditionell schwarz, sondern grün angestrichen, daher der Spitzname. Auch wenn die Caronia kleiner war als die beiden Queens, sollte sie ihrer Zeit voraus sein. Auch wurde ein Zeichen gesetzt, indem die damalige Prinzessin Elizabeth zur Taufpatin gekürt wurde. Die Bevölkerung wusste nun, dass ein weiterer Dampfer zur Verfügung stand. Die Zeit nach dem Krieg war noch sehr stark geprägt von Auswanderern, vor allem in die USA. Der Luftverkehr zwischen den Kontinenten war in der Periode noch nicht von großer Bedeutung. Die Bezahlung auf dem britischen Schiff fand allerdings vorwiegend in US-Dollar statt, weil die meisten Passagiere US-Amerikaner waren. Einmal im Jahr zeigte Großbritannien Flagge für seine Währung, bei sogenannten Sterling Cruises wurde dann das Pfund Sterling als Zahlungsmittel genutzt.

Queen Elizabeth II, im Foto bei der Namensgebung der QUEEN ELIZABETH (2010).
(Archiv), Foto: enapress.com

An Bord war das Schiff geprägt von britischer Tradition und Gegenwart. Inzwischen hatte Taufpatin Elizabeth geheiratet, von ihr und dem Gatten Prinz Philip wurde ein großflächiges Gemälde geschaffen, auf dem das Königspaar im öffentlichen Raum der Ersten Klasse – neben dem Speisesaal – in der Lounge ab dem 4. Januar 1949 unübersehbar war. An dem Tag startete das Schiff unter dem Kommando von Kapitän Donald Sorrell zu seiner Jungfernfahrt von Southampton nach New York.

Die Caronia wurde als Baunummer 635 am 13. Februar 1946 von der Werft John Brown and Company im schottischen Clydebank auf Kiel gelegt, ihr Heimathafen war Liverpool. Am 30. Oktober 1947 lief sie nach der Taufe vom Stapel, im Dezember 1948 war sie fertiggestellt und am 4. Januar des folgenden Jahres erfolgte die Infahrtsetzung. Das Schiff war 217,90 Meter lang und 27,80 Meter breit. Der Tiefgang betrug 9,66 m. Die Tonnage lag bei 34.183 BRT, veränderte sich aber in den Folgejahren geringfügig auf 34172 BRT (1956), 34274 BRT (1965) und 25794 BRT (nach Panama-Regeln 1968). Im Maschinenraum befanden sich sechs Kessel und zwei Getriebe-Dampfturbinen, die auf zwei Propeller arbeiteten. Die installierte Leistung betrug 35000 PS. Die Geschwindigkeit lag bei 22 Knoten (41 km/h). Ein Nachteil war, dass der ungewöhnlich große Schornstein sehr windanfällig war. In der Ersten Klasse konnten 581 Passagiere untergebracht werden, in der Touristenklasse 351 Personen. Neben den Unterkünften für maximal 932 Passagiere gab es noch Platz für 587 Crewmitglieder an Bord. Die Caronia war das größte nach dem 2. Weltkrieg in Schottland erbaute Passagierschiff bis zur 20 Jahre später in Dienst gestellten Queen Elizabeth 2.

Für die Bosse von Cunard war die traditionelle Route nicht ausschlaggebend, zumal die Mauretania als Schwesterschiff dort ausschließlich verkehrte. Die Kreuzfahrtqualität der Caronia war ein Unikum in der Cunard-Flotte. Schon 1949 war sie in der Karibik unterwegs, 1951 fand die erste Weltreise des Schiffes mit dem Anlauf von mehr als 30 Häfen statt und ab 1952 fuhr sie auf der Transatlantikstrecke nur noch im August und September. Die restlichen Monate war sie auf Kreuzfahrten unterwegs.

Die Ausstattung war zeitgemäß mit Badezimmern und Duschen in sämtlichen Kabinen, auch ein Außenpool war – erstmals auf einem Schiff der Reederei – installiert worden. Die öffentlichen Räume der First Class befanden sich auf Höhe des Promenadendecks. Dazu gehörten das Theater und Kino, zu denen auch die Touristenklasse-Passagiere Zugang hatten. Beide Klassen teilten sich auch die Garden Lounge und das Verandah Cafe, die Speisesäle waren aber nach Klassen unterteilt, sie befanden sich jedoch auf dem gleichen Deck.

Vorübergehend war die Caronia im Mai 1953 ein schwimmendes Hotel wegen der Feierlichkeiten der Krönung ihrer Taufpatin Elizabeth II. Weil die meisten Hotels ausgebucht waren, nutzte man das Schiff vor London als zusätzliche Unterkunft. Nach einer Grundberührung vor Messina am 31. Mai 1956, bei der sie am nächsten Tag freikam, erfolgte beim turnusmässigen Refit im November des gleichen Jahres eine Modernisierung; sie erhielt Klimaanlagen in allen öffentlichen Räumen und in den Kabinen. Das war von Cunard entschieden worden, nachdem das Schiff häufig in tropischen Gewässern unterwegs war.

1958 musste die Caronia die schwersten Beschädigungen ihrer Karriere hinnehmen, als sie auf einer Weltreise im Hafen von Yokohama beim Auslaufen einem amerikanischen Marineschiff ausweichen musste, um eine Kollision zu vermeiden und durch starken Seitenwind gegen die Wellenbrecher des Hafens gepresst wurde. Das hatte umfangreiche Deformationen zur Folge, ihr Bug und ein antiker Hafen-Leuchtturm waren ramponiert. Das Schiff wurde zur Reparatur an eine Werft in Yokosuka gebracht. Im Herbst des Jahres musste eine Mittelmeer-Kreuzfahrt wegen Unruhen im Nahen Osten gecancelt werden. Zudem reduzierten sich die Passagierzahlen auf der Transatlantikroute durch den Aufschwung der Luftfahrt. 1959 ging die Caronia noch mal auf planmäßige Fahrt auf der Transatlantikroute.

Die vier Schiffe von Cunard auf der Strecke fuhren nur geringe Einnahmen ein, deshalb ging man dazu über, die Atlantikreisen als Kreuzfahrten durchzuführen. 1962 baute Cunard weitere Liner seiner Flotte in Kreuzfahrtschiffe um und versah sie mit einem ähnlichen grünen Anstrich wie die Caronia, der nur geringfügig angepassten Mauretania auch die 1963 stärker modifizierten Schiffe RMS Franconia und RMS Carmania. In den 1960er Jahren begann die Kreuzfahrt im großen Stil, die Caronia konnte nicht ganz mithalten. 1965 lag sie zehn Wochen im Trockendock, wurde saniert und den neuen Bedingungen angefügt. Sie erhielt zusätzliche Suiten und ein Lidodeck. 1966 gab es in Großbritannien lange Hafenarbeiterstreiks, Fahrten konnten nicht mehr nach Plan durchgeführt werden. Da die Caronia zu wenig Gewinn einbrachte, wurde sie Ende 1967 außer Dienst gestellt.

Foto: Jürgen Saupe

Nachdem ein geplanter Verkauf an die jugoslawische Domus Turist – sie wollte die Caronia als Hotelschiff in Dubrovnik stationieren – geplatzt war, ging das Schiff 1968 an Star Shipping, New York, und hieß nun Columbia. Erneut stand eine Modernisierung in Griechenland an.

Cunard hatte zuletzt die planmässig fälligen Wartungen hinter die üblichen Intervalle zurückfallenlassen und die Maschinenanlage benötigte eine Generalüberholung. Die Ersatzteile wurden bei einem griechischen Unternehmen und nicht beim Originalhersteller geordert. Während der Modernisierung wurde das Schiff von dem griechischen Reeder Andrew Konstaninidis übernommen, der die Anteile der übrigen amerikanisch-panamaischen Star Shipping-Miteigner übernahm und auch eine Umbenennung vornahm, das Schiff hieß nun Caribia.

Nach Abschluss des Refits des sich nunmehr in einem komplett weißen Anstrich präsentierenden und wegen der gebührendensparenden niedrigeren Vermessung in Panama registrierten Schiffes begann der neue Betreiber Universal Cruise Line, Panama, ab Februar 1969 mit Kreuzfahrten in der Karibik, aber es gab Probleme zunächst mit der Abfallbehandlungstechnik. Auf der zweiten Kreuztour kam es zu einer Explosion im Maschinenraum, ein Besatzungsmitglied wurde getötet, andere verletzt. Der Dampfer trieb mehr als 20 Stunden ohne elektrische Energieversorgung auf See, bevor er nach vorläufigen Reparaturen nach New York zurückkehren konnte. Es war die letzte Kreuzreise des Schiffes. Danach wurde beschlossen, die Caribia aufzugeben. Der Ruf war inzwischen miserabel.

Foto: Sammlung Jens Meyer

Das im Hafen von New York aufgelegte Schiff konnte nicht für den weiteren Einsatz verkauft werden, war aber für Schiffsabbrecher interessant. Es wurde für 3 Mio. Dollar an ein Abbrecher in Kaohsiung veräussert. Am 27. April 1974 begann die Fahrt zum Abbruch nach Taiwan als Anhang des deutschen Hochseeschleppers Hamburg. Beide Schiffe gerieten am 12. August vor Honolulu in einen Sturm, die Caribia erlitt eine Schlagseite und drohte zu kentern. Es konnte nie geklärt werden, was der Grund der Instabilität war. Vor der Insel Guam hätten beide Schiffe havarieren können, deshalb wurde die Schleppleine zur Caribia gekappt. Der altehrwürdige Dampfer trieb steuerlos vor der Küste von Apra Harbor (Guam), sandete am Wellenbrecher des Hafens, wo der Schiffsrumpf in drei Teile zerbrach.

Die Ausstattung der einstigen Caronia aus ihrem Innern herauszubekommen war heikel, zumal sich an der Unglücksstelle ein Landungsschiff aus dem Koreakrieg befand, das Munition an Bord hatte und die Hafeneinfahrt versperrte. Mutige Arbeiter konnten die sich durch elegante art deco-Stilelemente auszeichnende Innenausstattung komplett aus dem Schiff bergen, im Merseyside Maritime Museum in Liverpool sind Teile ausgestellt. Das Schiff überließ man, nachdem es zerbrochen war, seinem Schicksal.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer