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Die Königin des Pazifiks

Das erste japanische Luxusschiff Asama Maru hatte nur eine kurze Lebenszeit, seine Geschichte wurde von den Zeitläufen gezeichnet.

Nachdem die Asama Maru 1929 vom Stapel lief, wurde sie berühmt. Ein Luxusschiff für Passagiere aus Japan, das war damals etwas Besonderes. Das empfand auch Mathilde Schretzenmaier so, als sie 1941 als Neunjährige auf das Schiff kam. Sie und andere Deutsche lebten auf Papua-Neuguinea, der Vater war Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde und in den Kriegswirren zu Tode gekommen. Mathildes Mutter wurde mit ihrem Kind auf der Insel Java interniert, der japanische Dampfer brachte sie nach Shanghai, das damals von Japan okkupiert war. Von dort sollten Mutter und Tochter mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Deutschland gebracht werden.

„Es war ein Schock für ein Lagerkind“, sagt die heute Neunzigjährige, vermutlich eine der letzten Zeugen. „Im Lager hatten wir kaum zu essen, jetzt gab es mehrmals am Tag wunderbares Essen. Auf den Tischen lag blitzendes Geschirr und alle waren freundlich. Wir waren in einer Erste-Klasse-Kabine untergebracht, weiße Bettbezüge und Service. Ich erinnere mich an das Schwimmbecken und an die Wände im Speisesaal mit italienischem Marmor. Wir waren in die Zivilisation zurückgekehrt.“

Foto: Archiv JPM

Der von 1927-1929 von der Werft Mitsubishi Shipbuilding & Engineering in Nagasaki für die japanische Reederei Nippon Yusen Kaisha (NYK) erbaute Liner trug den Namen eines in Japan bedeutsamen Shinto-Schreins. Getauft wurde der erste Passagierschiffneubau Japans mit Dieselantrieb vom Präsidenten des Konzerns und fuhr unter der Flagge Nippons. Ein fast komplett japanisches Produkt, vom Staat gefördert, zwei der vier Sulzer-Schiffsdiesel waren von Mitsubishi in Lizenz hergestellt worden. Der Bau der Asama Maru und zwei weiterer 1930 in Dienst gestellter Schiffe, der Tatsua Maru und Chichibu Maru, erfolgte aufgrund des Wettbewerbs im Nordpazifik, dort hielten die USA und Kanada die Vorherrschaft. Das aufstrebende Land des jungen Kaisers Hirohito, Jahrgang 1901, der sich persönlich für moderne Schifffahrt und Meeresbiologie interessierte, wollte beweisen, dass es mithalten konnte im internationalen Schiffsverkehr.

Gleich bei der Jungfernfahrt 1929 nach Kalifornien – von Yokohama über Honolulu nach San Francisco – brach das Schiff sämtliche Geschwindigkeitsrekorde europäischer und amerikanischer Passagierschiffe. Für die 3459 Seemeilen bis nach Hawaii brauchte man sieben Tage und 16 Stunden, für die 2100 Seemeilen von Honolulu nach San Francisco vier Tage und 15 Stunden. Das wurde in Japan als Triumpf wahrgenommen. Obwohl das mit 16975 BRT vermessene Schiff relativ klein war, 178 Meter lang, 22,5 Meter breit, erreichte es über seine vier Propeller eine Höchstgeschwindigkeit 20,7 Knoten (38 km/h). Auf der Rückfahrt präsentierte sich die Asama Maru noch im Hafen von Los Angeles, 15.000 neugierige Besucher bestaunten das Schiff aus dem Land der aufgehenden Sonne.

Es war im westlichen Stil ausgestattet, Luxus der Moderne jener Zeit. Es gab eine Bibliothek, eine Geschenkboutique und einen Friseursalon. Bis zu 822 Passagiere an Bord wurden von 330 Mann Besatzung betreut. Bei der ersten Fahrt waren nur 570 Gäste auf dem Schiff, denn der Liner transportierte 5500 Tonnen Ladung, 5000 Ballen Rohseide, Fisch, Konservendosen mit Meeresfrüchten und anderen Lebensmitteln in die USA.

Foto: Archiv JPM

Das Land präsentierte sich als Neuling auf dem Markt des Großschiffsverkehrs. Aber manche empfanden es als schlechtes Omen, dass das Schiff ausgerechnet am „schwarzen Donnerstag“, dem 24. Oktober 1924, Amerika erreichte – der Tag, an dem der Aktienmarkt in den USA zusammenbrach und die Weltwirtschaftskrise die ganze Welt mit in Not riss.

Dennoch stiegen in Los Angeles die Schauspieler Mary Pickford und Douglas Fairbanks auf das Schiff. Auf späteren Routen waren noch mehr illustre Gäste an Bord: Charlie Chaplin, Albert Einstein, die US-Schriftstellerin Helen Keller oder der dänische Wissenschaftler Niels Bohr. Die Asama Maru erlangte Kultstatus. Erst recht, als der Springreiter Takeichi Nishi 1931 mit seinem Pferd auf dem Schiff zu den Olympischen Sommerspielen reiste und als Sieger mit der Goldmedaille zurückkehrte.

Der Luxusliner bediente fortan die Strecke zwischen Yokohama und Honolulu, Hawaii avancierte zum beliebten Urlaubsland. Auf einer Fahrt nach Hongkong 1937 geriet die Asama Maru im Hafen in einen Taifun. Wie das italienische Passagierschiff Conte Verde vertrieb sie nach dem Bruch der Vertäuung und strandete in der Sai Wan Bay. Um sie wieder flott zu bekommen, wurde das Gewicht gesenkt durch Entfernung von zwei der vier Hauptmaschinen, Rettungsbooten und Decksmaschinen. Es wurden unter Wasser zehn Auftriebskörper am Rumpf angebracht und mit der Freibaggerung begonnen. Der Vorgang dauerte ein halbes Jahr, erst im März 1938 konnte das Schiff nach einer Notreparatur in Hongkong zur Reparatur an seine Bauwerft in Nagasaki gebracht werden. Im März 1939 wurde die hundertste Pazifiküberquerung gefeiert.

Foto: Archiv JPM

Das Kriegsgeschehen veränderte die Aufgabe der Asama Maru total. Am 21. Januar 1940 kam es 35 Seemeilen vor Chiba (nahe Tokio) zum Eklat. Der britische Kreuzer Liverpool brachte das japanische Schiff auf offener See auf, um einen Teil der an Bord befindlichen Besatzung des zuvor von ihr selbstversenkten deutschen Luxusliners Columbus gefangen zu nehmen. 51 deutsche Staatsbürger waren an Bord, 21 nahmen die Briten in Haft, weil sie militärdienstfähig waren; einige konnten sich verstecken. Die Regierung Japans protestierte aufs Schärfste. Nach schwierigen Verhandlungen wurden neun Deutsche in ein Internierungslager nach Indien verbracht, die anderen freigelassen.

Im Sommer 1940 kam es zur letzten Fahrt nach Honolulu. Die Asama Maru wurde danach vollends in das Kriegsgeschehen verwickelt. Im selben Jahr verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den USA und Japan, dem Kriegspartner Hitlerdeutschlands. 1941 nahm sie in Indonesien 666 deutsche Frauen, Kinder und Verwundete auf und brachte 120 von ihnen nach China, darunter auch Mathilde Schretzenmaier, und die übrigen nach Japan. Nachdem die USA im Dezember des Jahres in den Zweiten Weltkrieg eintraten, wurde die Asama Maru zum Material- und Truppentransporter umgerüstet. 1942 und 1943 war das japanische Schiff das einzige in Südostasien, das Zivilisten evakuierte. Die Amerikaner duldeten die humanitären Fahrten. In Hongkong, Saigon und Singapur wurden mehr als 1000 Zivilisten aufgenommen und nach Mosambik an der ostafrikanischen Küste gebracht.

Doch der humanitäre Einsatz wurde von den Kriegsgegnern nicht gern gesehen, die Asama Maru war nun ein Feindobjekt. Auf dem Weg von Manila nach Taiwan wurde das Schiff am 1. November 1944 nahe der Dongsha-Inseln, Position 20° 17’N, 117° 38 O, vom US-U-Boot Atule durch zwei Torpedos zerstört. Mehr als 1000 Passagiere konnten gerettet werden, aber mehr als 500 Menschen verloren ihr Leben, als sie mit der Asama Maru im Meer versanken. RM

Text: Roland Mischke, Fotos: Archiv JSA, Archiv JPM