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DIE KÖNIGIN IN SCHRÄGLAGE

Das RMS Queen Elizabeth galt Mitte des 20. Jahrhunderts als „Königin unter den Schiffen“. Das lange größte Passagierschiff endete in einem fatalen Unglück.

Foto: Archiv U. Horn

James Bond hatte Interesse am altehrwürdigen Dampfer. Im Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“ von 1974 soll der Superheld auf dem gekenterten Wrack der Queen Elizabeth im Namen des britischen Geheimdienstes in allerlei gefährlichen Situationen herumgeturnt sein. Die Briten hatten angeblich in dem bereits abgesackten Schiff eine geheime Einsatzzentrale mit ausgefallener Inneneinrichtung installiert. Der Spion kam mit dem Tragflügelboot von Macau nach Hongkong, bevor das Boot im Hongkonger Hafen anlegt, schallte eine Ansage über den Bordlautsprecher. Hier habe Roger Moore alias 007 agiert, um die Bösen zu vertreiben. Aber es war nur eine Werbung für den Bond-Film, ein Gag, das Havariejahr war mit dem Jahr 1971 verkehrt angegeben worden. Die wahre Queen Elizabeth kenterte vor Hongkong im Jahr 1972.

Foto: Sammlung JSA

Nicht nur für schiffsbegeisterte Briten war die Queen Elizabeth das großartigste Schiff, das je zu Wasser gelassen wurde. Ein Luxusliner als Vorbild der neuesten Schiffsgenerationen im Passagiergeschäft, das mit großer Beachtung am 30. Juni 1952 im Hafen von New York eintraf. Tausende Menschen wollten das seinerzeit größte Kreuzfahrtschiff der Welt bestaunen, es war auch das schnellste Schiff auf der Transatlantikroute. Es war unübersehbar mit seinen zwei oval gerundeten knallroten Schornsteinen, eine Legende, entwickelt von Experten der traditionsreichen Reederei Cunard Line im englischen Southampton, Heimathafen war Liverpool, ab 1970 Nassau. Es war ein Höhepunkt der Schifffahrtsindustrie und eine Pionierin der Kreuzfahrt. Fast 60 Jahre lang konnte die Queen Elizabeth die Bestmarke halten, erst 1996 kam ein Schiff, das größer war, die Carnival Destiny.

Der Ozeanliner mit der Baunummer 552 war am 4. Dezember 1936 auf Kiel gelegt worden und am 27. September 1938 vom Stapel gelaufen. Allerdings dauerte es fast noch drei Jahre, bis 1940 der Weiterbau des Stahlrumpfes abgeschlossen werden konnte. Der Bau des Schiffsköpers erfolgte in Clydebank, Schottland, auf dem Helgen Nr. 4 der Werft John Brown & Company, aber in Southampton wurden die Innenausbauarbeiten ausgeführt. 314,2 Meter lang und 36 Meter breit war das Schiff, 11,9 Meter Tiefgang hatte es und eine Tonnage von 83.673 BRT. Zum Vergleich: Die Titanic kam 1912 auf eine Vermessung von 46.329 BRT.

Die Maschinenanlage bestand aus 12 Yarrow-Kesseln und vier Getriebedampfturbinen, die auf vier Festpropeller arbeiteten, die Maschinenleistung lag bei 200.000 SHP (150 000 kW). Die Geschwindigkeit wurde mit 32 kn (59 km/h) angegeben. An Bord waren 2283 Passagiere zugelassen, die Besatzung bestand aus mehr als 1000 Mitgliedern.

Foto: Sammlung JSA

RMS steht für Royal Mail Ship – Schiff der königlichen Post. Eine historische Bezeichnung für Schiffe, deren Reedereien einen Vertrag mit dem britischen Königreich zur Postbeförderung nach Übersee erhalten hatten. Die Queen Elizabeth hatte bis zuletzt noch zylinderförmige Briefkästen, rot angestrichen, in typisch englischer Form. Die Gattin des regierenden Königs des Vereinigten Königreichs, König Georg VI., taufte den Riesendampfer anlässlich seines Stapellaufes.

Der Gigant hatte Pech. 1940 begannen heftige Auseinandersetzungen im Zweiten Weltkrieg, die britische Regierung rekrutierte das teuerste Schiff, das bis dahin je erstellt worden war, umgehend alsTruppentransporter. Ein edler Kreuzer wurde zur schwimmenden kargen Kaserne, militärisch ausgerüstet, in die mondänen Zweier-Kabinen schweißte man Metallrahmen für die Klappbetten, damit dort je 20 Soldaten schlafen konnten. Der britische Premier Winston Churchill unterstützte den Militärdienst der Großschiffe – neben der Queen Elizabeth auch der Queen Mary – und behauptete später, beide Queens hätten den Krieg um ein Jahr verkürzt. Sie beförderten massenhaft Soldaten in die Frontbereiche. Allein die Queen Elizabeth beförderte in ihrem Kriegseinsatz mehr als 750 000 Soldaten und legte dabei rd. 500 000 sm zurück.

Die offizielle Jungfernfahrt hatte am 3. März 1940 begonnen, sie wurde geheim gehalten. Die Fahrt ging nach New York und weiter nach Australien, das traute sich die Reederei nur, weil die Queen Elizabeth schneller war als deutsche U-Boote, die Reisegeschwindigkeit lag bei 28 Knoten. Mit Geleitzügen war es weniger gefährlich, die Konvois umschwärmten das Schiff.

Foto: Sammlung JSA

Erst am 16. Oktober 1946 war es erstmals als Kreuzfahrtdampfer auf dem Weg nach New York, fünf Tage auf See, zwei im Hafen. Mit hellem Deckshausanstrich, modern, kraftvoll und elegant in der Fahrt, ohne zu schaukeln bei stürmischem Wetter, nicht mal zu vibrieren. Das ultimative Nordatlantikschiff, liebevoll von Fans „Lizzie“ genannt, überquerte das Meer zwischen Europa und Amerika 908 Mal und beförderte insgesamt mehr als zwei Millionen Passagiere.

In den nächsten beiden Jahrzehnten war das Schiff die Königin auf dem Atlantik, niemand war größer und schneller, nur die France hatte ab 1960 zwar eine geringere Tonnage, aber eine um eineinhalb Metern größere Länge. Die Queen Elizabeth bot einen wöchentlichen Luxuslinerservice zwischen Southampton und New York, das Flaggschiff von Cunard trumpfte mit Klasse, Stil und Eleganz auf. Es hatte 761 Kabinen, die im Art-deco-Stil ausgestattet waren, in den Suiten gab es jeden Tag frische Blumen. Das Personal war außerordentlich gut gebrieft, es legte zum Beispiel vor dem Abendessen die Kleidung der Passagiere in den Suiten auf das Bett – Kleid, Anzug, Hemd und Krawatte. Alle Kabinen waren sauber, es roch nach Seife.

Die öffentlichen Räume waren großzügig ausgestattet worden im Stil der vierziger und fünfziger Jahre mit Kronleuchtern, neben Sälen gab es eine Bibliothek und Gottesdiensträume. Auffällig waren die Schalenstühle, damals hochmodern, und die leichten, wie geschwungenen Tische. Vor allem wurde das Schiff mit seinen vielen Panoramafenstern als heller empfunden, freundlicher als die älteren „Schwesterschiffe“ wie die Lusitania und die Mauritania.

Als die Luftfahrtindustrie die Schifffahrtsindustrie in den 1960er Jahren überrollte, fand die Queen Elisabeth nicht mehr so viele Passagiere. Cunard verkaufte den Dampfer nach der Außendienststellung 1968 in die Vereinigten Staaten, wo er nach dem Willen der The Queen Corporation als neuer Eigentümerin in Port Everglades, Florida, zum großzügigen Hotel mit Museum und Konferenzzentrum und als Touristenattraktion etabliert werden sollte. Aber die Idee konnte nicht realisiert werden. Die Betreiber konnten sich nicht einigen, fuhren Verluste ein und versteigerten das Schiff 1970 für 3,5 Mio. Dollar.

Der chinesische Milliardär C.Y. Tung wollte das für seine Reederei Orient Overseas Line übernommene Schiff auf eine andere Weise retten – als schwimmende Universität für das World Campus Afloat (später: Semester at Sea)-Programm. Es wurde in Seawise University umbenannt und nach Hongkong gebracht. Dort standen rd. fünf Mio. Pfund teure Umbauarbeiten an, die sich bis 1972 hinzogen. Am 9. Januar des Jahres kam es zu einem schweren Feuerausbruch an Bord, es wurde Brandstiftung vermutet, aber das ist nie geklärt worden. Bei den Löscharbeiten wurden riesige Wassermengen unkontrolliert in das Schiff eingebracht, so dass es nach einiger Zeit kenterte. Das Wrack, von dem Tung einen Anker und die Metallbuchstaben „Q“ und E“ des den Bug zierenden Schiffsnamens als Erinnerungs- und Ausstellungsstücke abbergen ließ, blieb – völlig ausgebrannt und in Schräglage – bis 1975 im Hongkonger Victoria-Hafen, dann begann die teilweise Verschrottung.

Die Queen Elizabeth erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. So gibt es eine Facebook-Seite, von Fans eingerichtet, bedient zumeist von älteren Menschen, die auf dem Schiff waren. Es werden Erinnerungsstücke – etwa Speisekarten – erörtert, die versunkene Welt hat immer noch eine Faszination. Und natürlich wird über das rätselhafte Ende der Königin fabuliert, das trägt zum Zauber bei. „Sie hat gelebt“, schreibt ein älterer Herr im Netz, „sie war ein Schiff mit einer Seele, mit einer starken Persönlichkeit.“

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer