Das beliebte Kreuzfahrtschiff Jupiter wurde zum Opfer eines unvorhersehbaren Crashs, der zum Untergang des Schiffes führte.
Der Name Jupiter wird von Eigentümern von Schiffen sämtlicher Kategorien gern gewählt. Vermutlich weil es einen außergewöhnlichen Planeten im Himmelsgestirn gibt, der so heißt. Er besteht nur aus Gasen, Wasserstoff und Helium, seine Außentemperatur liegt bei 150°C minus und er ist umschlungen von drei 30 Meter dicken Ringen. Das ist etwas Besonderes, Auffälliges und Erstaunliches. Und Schiffseigner wollen außergewöhnliche und auffällige Wasserfahrzeuge haben. Zudem ist der größte Planet unseres Sonnensystems nach dem römischen Hauptgott Jupiter benannt. Der Gasplanet ist eine Sensation – und Menschen lieben Sensationen.
Deshalb war es pfiffig, das Schiff Jupiter, Baujahr 1961, zu benennen, denn es war geplant für den seinerzeit wachsenden Markt für Touristenreisen. Dabei trug es anfangs einen ganz anderen Namen: Moledet, was auf Hebräisch Heimatland heißt. Das bezog sich im noch jungen Staat Israel auf eine radikale nationalistische Partei, die sich dafür einsetzte, die arabische Bevölkerung im Westjordanland zur Umsiedlung in andere arabische Staaten zu bewegen.
Die israelische Reederei ZIM Israel Navigation Company hatte das Motorschiff in Frankreich bei Ateliers et Chantiers de Bretagne, nahe Nantes, bestellt und dort lief es am 19. Februar 1961 vom Stapel. Die Israelis wollten am Kreuzfahrt-Boom teilhaben.
Die Moledet hatte als Einklassenschiff beträchtliche Abmessungen. 126,65 Meter lang und 19,89 Meter breit war sie, der maximale Tiefgang lag bei 6,45 Metern. Vermessen wurde es mit 7811 BRT (3828 NRT), die Tragfähigkeit lag bei 2104 tdw. Die Maschinenanlage bestand aus zwei 9-Zylinder-Viertakt-Schiffsdieselmotoren von SEMT Pielstick mit einer Leistung von je 4767 kW (6481 PS), die über zwei Propeller für eine Höchstgeschwindigkeit von 17 kn (31 km/h) sorgten. Die zugelassene Passagierzahl wurde mit 594 Personen angegeben.
Die Kabinen waren auf sechs Decks angeordnet, einige davon auf dem Promenadendeck etwas besser ausgestattet und mit eigener Sanitäreinrichtung. Meist waren es Kabinen für vier Personen, doch es gab auch welche für zwei und sechs Passagiere. Die anderen Decks trugen die Namen Lido-, Haupt-, Restaurant-, Theater- und A-Deck. Der große Speisesaal war für alle Passagiere geöffnet, Kinder wurden – ähnlich wie im Kibbuz – in einem eigenen Speiseraum bedient. Selbstverständlich befand sich eine Synagoge an Bord, aber es gab auch ein Kino, ein Schwimmbad und zwei weiträumige geschützte Aufenthaltsgebiete auf dem Schiff. Typisch für die Zeit war, dass die Reisenden ihre Autos im Garagendeck abstellen konnten, der Pkw-Bereich war durch eine Seitenluke im Vorschiff zu erreichen.
Die Moledet wurde im Mittelmeer eingesetzt, vom Heimathafen Haifa aus zog sich die befahrene Strecke über Limassol, Neapel, alternativ Genua, und Marseille. Die Strecke wurde in viereinhalb Tagen absolviert, die Moledet bot für Israelis sozusagen eine Südeuropareise. Es fanden aber auch Kreuzfahrten statt, aber nicht über das Mittelmeer hinaus. Das Schiff mit den merkwürdigen Namen wurde auch bei Nicht-Israelis populär, es hatte mit seinen Eigenheiten einen ganz eigenen Charme. Allerdings gab es immer wieder Schwierigkeiten mit den Motoren, was bei Passagieren als Dauerplage vermerkt wurde.
Als die Flugzeuge den Schiffen massiven Konkurrenz machten, musste man bei der ZIM im Linienpassagierdienst die Konsequenz ziehen. Nach insgesamt 225 Fahrten der Moledet wurde sie 1969 als finanzielle Last empfunden. Man entschied sich dazu, das Schiff zu verkaufen. Es ging an die griechische Reederei Epirotiki Lines mit Sitz in Piräus. Sofort danach gab die ZIM mit dem Abgang ihres letzten Passagierschiffes dieses Geschäft auf.
1970 wurde das Schiff in Jupiter umbenannt. Die Griechen veranlassten die Verlängerung des Hauptdecks nach vorn und Sanierungsarbeiten, am 7. Mai 1971 kam es zur ersten Fahrt unter dem neuen Namen. Die Jupiter blieb ein beliebtes Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer.
Am 21. Oktober 1988 kam es zu einem Unfall mit drastischen Folgen. Die Besatzung der Jupiter machte im Hafen von Piräus die Leinen los, das Schiff sollte sich auf eine Studienreise von einer Woche im Mittelmeer begeben, zu Orten aus der Antike und den bewegten Jahrhunderten an den Küsten des Meeres. An Bord befanden sich 391 Schulkinder im Alter von 13 bis 15 Jahren aus Großbritannien, begleitet wurden sie von 84 Lehrerinnen und Lehrern.
Das Schiff steuerte gemächlich aus der Hafeneinfahrt bis es rund 1,2 Seemeilen südwestlich der Ostmole auf einmal ein lautes Krachen gab. Der italienische Autotransporter Adige wollte gerade in den Hafen einfahren. Es kam um 18 Uhr zu einer starken Kollision, sie führte zu einem Leck der Jupiter von 4,5 x mal zwölf Meter an der hinteren Hälfte der Backbordseite, der zu einem schnellen Wassereinbruch führte. Die Maschinen fielen aus, das Schiff erhielt eine massive Schlagseite. Wassermassen strömten in die Jupiter, der Sinkvorgang begann über das Heck. Die Rettungsboote konnten wegen der brutalen Schlagseite nicht mehr zu Wasser gebracht werden. An Bord brach Panik aus.
Ein glücklicher Umstand war, dass das Geschehen im Hafenbereich stattfand. Kleinere Schiffe und Boote näherten sich schnell der Jupiter, sie nahmen den größten Teil der Passagiere und Besatzungsmitglieder auf, sie wurden gerettet. Etwa zwei Dutzend der Schüler und des Lehrpersonals waren ins Wasser gesprungen und konnten nach und nach von den spontanen Helfern aufgenommen werden. Nicht gerettet werden konnten eine Schülerin, ein Lehrer und zwei Besatzungsmitglieder.
Dramatisch mussten die Geretteten zuschauen, wie der Wasserspiegel die oberen Decks der Jupiter erreichte und ihn zu fluten begann. Um 18.15 Uhr, 40 Minuten nach der Kollision, war auf der Position 37 ° 56‘ N, 23° 36‘ O das Schiff bereits versunken, auf 75 Meter Wassertiefe.
Dort liegt das Wrack der untergegangenen Jupiter immer noch. Elf Jahre nach dem Versinken wurden erhebliche Mengen an Bunkeröl nach oben getrieben, vermutlich durch Schiffserschütterungen bei einem Erdbeben am 9. September 1999. Danach gingen Experten an das Auspumpen des Öls, in 43 Tagen Arbeit schafften sie es, 195 Kubikmeter Öl aus dem Wrack zu holen.
Die Kollision der beiden Schiffe ist nie grundsätzlich geklärt worden. Es waren Kinder und Jugendliche, die durch das makabre Ereignis bis heute an einem posttraumatischen Syndrom und anderen psychologischen Folgen leiden. 2009 veröffentliche das Institute of Psychiatry am Londoner King’s College eine Studie, daraufhin wurde im selben Jahr eine Facebook-Seite für die Überlebenden des Untergangs bereitgestellt. Dort können sie einander austauschen. Eine der Lehrerinnen, die mit an Bord war, schrieb ein Buch darüber. Es ist ein trauriges Kapitel der Seefahrtsgeschichte.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer