Links überspringen

Die letzte Meile

Der Strand von Aliaga ist jetzt zum Symbol für die Situation der Kreuzfahrt 2020 geworden. Innerhalb einer Woche sind dort die ersten drei Kreuzfahrtschiffe eingetroffen. Es ist die Endstation für die Sovereign, Monarch und die Carnival Fantasy. Das Trio macht den Anfang, es werden aber weitere Schiffe folgen. Bis zu 20 Schiffen droht allein bis zum Jahresende der Schneidbrenner. 

Das Recycling-Zentrum in der Türkei ist dabei im Moment sehr begehrt bei den Eignern von Kreuzfahrtschiffen. „Es geht dabei nicht um das Geld“, ist zu hören. Die 22 Abwrackbetriebe auf der Halbinsel nördlich von Izmir haben 28 Plätze für Schiffe zur Verfügung.

Dabei werden die Vorgaben zum Umweltschutz und der Arbeitssicherheit gemäß der im Mai 2009 von der internationalen maritimen Organisation (IMO) verabschiedeten Hongkong Konvention weitestgehend eingehalten werden.

Dieser Umstand beschert den türkischen Abbrechern jetzt mehr Arbeit als sie bewältigen können. „Es ist nicht eine Frage nach der Menge, es ist eine Frage der Kapazität“, sagt ein Händler zur Nachfrage. Der Markt für die Schiffsverwerter hat sich in den vergangenen Wochen komplett verändert.

Vor einem Jahr führten noch Tanker die Liste der Schiffe an, die unter die Schneidbrenner kamen. Im ersten Halbjahr 2019 gingen allein zwölf Großtanker an die Abwrackbetriebe der Welt. In den ersten sieben Monaten 2020 wurde mit dem Rohöltanker Vinland aus Norwegen erst ein Tanker verschrottet. 

Costa Victoria, Foto: enapress.com

Seit Juni sind erstmals Kreuzfahrtschiffe auf dem Markt für das Schiffsrecycling. Während die Costa Victoria in Piombino bei einer Abwrackwerft zerlegt werden soll, endeten Sovereign und Monarch zusammen mit der Carnival Fantasy in Aliaga. Die Carnival Inspiration wird nächste Woche dort erwartet.

Horizon, Foto: Frank Behling

Im Zulauf für die  Wartepositionen sind die Empress of the Seas und die Horizon. In Aliaga warten gegenwärtig auch viele Reeder aus Skandinavien und Westeuropa mit Containerschiffen und Tankern auf einen Platz. Die Plätze sind gegenwärtig bis September ausgebucht.

Kreuzfahrtschiffe sind dabei für Abwracker nicht gerade die Lieblingskundschaft. „Abgerechnet wird ja nach Tonnage, da zählt der Stahl und weniger Kunststoff oder Glas“, so ein Händler. Im Markt sind nach Branchenangaben aktuell etwa 20 Kreuzfahrtschiffe.

Die Preise für Schrott steigen trotz der Pandemie derzeit wieder. Das ist auch der Grund, weshalb ein Containerfrachter in Indien oder Bangladesch 330 bis 350 Dollar die Tonne erzielt.

Die Containerschiffe sind bei Abwrackern beliebt, da sie zu 90 Prozent aus Stahl bestehen und sich leicht zerlegen lassen. Tanker bringen wegen ihrer meist kontaminierten Laderäume, giftiger Restladungen und einem hohen Anteil an Isoliermaterial bis zu 30 Dollar weniger pro Tonne. Kreuzfahrtschiffe liegen noch darunter, weil Kabinen, Lagerräume und auch Gesellschaftsräume meist mühevoll entkernt werden müssen.

Foto: Frank Behling

Das meiste Geld bekommen Reeder für alte Schiffe derzeit in Bangladesch, Indien und Pakistan. Die wegen ihrer Arbeits- und Umweltbedingungen berüchtigten Betriebe bringen fast immer über 300 Dollar pro Tonne Stahl. Reeder, die sich für Abwrackbetriebe in der Türkei oder der EU entscheiden, müssen sich wegen der Vorgaben zum Schutz von Mensch und Natur mit 150 bis 170 Dollar pro Tonne Schiffsstahl begnügen. 

Während 75 Prozent der Schiffe derzeit auf Stränden in Pakistan, Indien, China oder Bangladesch ohne Ratifizierung des Übereinkommens verwertet werden, teilen sich Abwrackbetriebe aus der Türkei, Belgien, Dänemark oder Italien den restlichen Markt.  Die Corona-Krise sorgt jetzt dafür, dass der zuletzt etwas schleppende Abwrackmarkt wieder belebt wird. 2012 war mit 1372 verschrotteten Schiffen zuletzt das Rekordjahr. 2016 wurden zuletzt mehr als 1000 Schiffe pro Jahr verschrottet, seitdem sanken die Zahlen auf zuletzt 825 Schiffe 2019.   FB