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DIE RÄTSELHAFTE SCHIFFSKATASTROPHE

Das Motorschiff „Monte Cervantes“ galt als „Titanic des Südens“ und wird als „Titanic argentino“ bezeichnet, 1930 ging es unter, als es durch Eisfelder geführt wurde und dabei leck schlug.

Ein Luxusliner mit kurzer Lebenszeit, die Eigentümer hatten sehr viel Geld verloren. Nach rund zwei Jahren war das Schiff bereits ein Wrack, abgesunken in der südamerikanischen Region Kap Hoorn in 115 Meter Tiefe. Der Fehler war, dass das Schiff sich in die gefährlichen Strömungen mit schnell wechselnden Winden begeben hatte. Dafür war es nicht präpariert, wie viele andere Schiffe zuvor – rund 1000 sind inzwischen in der Gegend untergegangen. Schuld war aber auch ein wagemutiger, unsinniger Versuch, die Natur zu überwältigen. Sie erwies sich als stärker, das Schiff lief auf ein Riff und sank.

Was genau mit der Monte Cervantes geschah, ist bis heute nur teilweise geklärt. Überlebende erzählten zwar davon, Wissenschaftler untersuchten den Vorgang, Spezialtaucher begaben sich zum Schiffswrack und historische Dokumente spekulieren bis heute, wie es zu dem Unglück gekommen sein könnte. Es bleibt ein Mythos, die Region im tiefsten Süden Amerikas ist der größte Schiffsfriedhof der Welt.


Foto: Sammlung JSA

Unter der Baunummer 478 wurde die Monte Cervantes auf der Hamburger Schiffswerft Blohm + Voss erstellt. Sie war als Passagierschiff der Monte-Klasse konzipiert worden und gehörte dem Eigner Hamburg-Süd. Sie fuhr unter der Flagge des Deutschen Reiches, der Stapellauf fand am 25. August 1927 statt, die Indienststellung am 3. Januar 1928. Der erste Kapitän Theodor Meyer startete am 7. Januar 1928 die Jungfernfahrt von Hamburg nach La Plata in Argentinien.

Das Schiff war 159,7 Meter lang und 20,1 Meter breit, der Tiefgang lag maximal bei 11,5 Meter. Die Verdrängung wurde mit 20.000 Tonnen, die Vermessung mit 14.140 BRT (7943 NRT) angegeben. Angetrieben wurde sie von vier Sechszylinder-Dieselmotoren über Getriebe und zwei Propeller. Die Maschinenleistung war 6800 PS (5001 kW). Die Höchstgeschwindigkeit war 14,5 Knoten (27 km/h). An Bord konnten sich 2492 Passagiere befinden, später wurde das auf 2402 reduziert. Ursprünglich befanden sich die Passagiere entweder mit 1354 Personen in der Touristenklasse oder mit 1138 in den Zwischendecks. Die Besatzung bestand aus 325 Personen. Die Passagiere waren an dem Schiff besonders interessiert, die meisten Kreuzfahrten waren ausgebucht.

Man war gewarnt. Bereits auf einer der ersten Fahrten vom Nordkap nach Spitzbergen gab es Schwierigkeiten. Das Schiff wurde durch starke, dichte Eisfelder gelenkt, dabei kam es durch die scharfen Eiskanten am Rumpf zu Beschädigungen und Wassereinbrüchen. Die Menschen auf dem Schiff hatten Glück, in der Nähe war der Eisbrecher Krasin, der zur Hilfe kam. Der sowjetische Eisbrecher, 1917 gebaut, konnte so lange seine Pumpen einsetzen, so dass die Schwimmfähigkeit erhalten blieb und größere Lecks abgedichtet werden konnten. Ansonsten wäre das Schiff mit seinen 1500 Passagieren sehr wahrscheinlich untergegangen. Alle Menschen an Bord konnten evakuiert werden. Die Krasin geleitete die Monte Cervantes bis in die nordnorwegische Hafenstadt Hammerfest, von da an wurde sie mit dem Hochseeschlepper Seefalke nach Hamburg geschleppt.

Anderthalb Jahre später kam es zum nächsten Unglück, das später zurückgeführt wurde auf einen lässigen Umgang mit den Seekarten. Das auf seiner letzten Reise nach Patagonien und Feuerland in Richtung Kap Hoorn am 17. Januar 1930 in Puerto Madryn eingetroffene Schiff, war bereits am 20. Januar in Punta Arenas. Am folgenden Tag durchfuhr man bei schlechtem Wetter den Beagle-Kanal und erreichte um 19.00 Uhr Ushuaia.

Am 22. Januar begann in den Morgenstunden die Weiterreise in Richtung Yendegaiabucht als gegen Mittag Kapitän Theodor Dreyer eine Kursänderung per Kreuzpeilung wünschte. Um den Passagieren etwas Besonderes zu bieten, hatte er sich entschieden, nicht die als sicher geltende Route um den Leuchtturm auf den Les Eclaireurs-Klippen zu wählen, sondern durch eine labyrinthartige Strecke mit dicht wachsenden Algenfeldern und zahlreichen kleinen Inseln zu manövrieren. Das wurde vom argentinischen Lotsen akzeptiert.

Es wurde aber ein massiver Felsen gerammt, das Schiff begann sofort Wasser zu machen. Starke Stürme und eine reißende Strömung hatten die Monte Cervantes getrieben, der Kapitän setzte das zunächst mittschiffs festgekommene und wenig später vom Felsen abgerutschte Schiff nach der Evakuierung der Passagiere im Felsenriff der Les Eclaireurs-Klippen mit dem Heck auf Grund. Allerdings schwamm das Vorschiff frei im Wasser und es war zu sehen, dass es zwar langsam, aber immer tiefer absackte. Personal und Helfer bargen einen Teil der Gepäckstücke und eingesammelten Wertsachen der Passagiere und übergaben sie an eine Barkasse. Es gab die Idee, auf die Flut zu warten, um den Havaristen abschleppen zu können, der aber wenig später weiter absank.


Foto: Sammlung JSA

Die Rettungsboote konnten noch rechtzeitig aktiviert und eingesetzt werden, 1117 Passagiere wurden evakuiert. Sie wurden von einem argentinischen Dampfer namens Vincente Fidel Lopez aufgenommen und in den Hafen von Ushuaia gebracht. Einige Mitglieder der Besatzung, die noch an Bord waren, konnten nur ins eiskalte Wasser springen, sie wurden von einer Barkasse aufgenommen. Kapitän Theodor Dreyer – ein erfahrener Seefahrer aus Hamburg-Blankenese – blieb als letzter Mann an Bord, er konnte aber nicht mehr gerettet werden. Mehrere Zeugen hatten das beobachtet, sie hatten 1930 vor dem Seeamt Hamburg die Katastrophe geschildert. Die Erklärung der Anwesenden wurde folgendermaßen begründet: „Kapitän Dreyer versuchte, mit einem Rettungsgürtel versehen, auf der schräg liegenden Schiffsseite hinunterzuklettern. Bei diesem Versuch muss er infolge des schnellen Kenterns des Schiffes abgeglitten und in das Promenadendeck gestürzt sein, worauf er dann mit dem sinkenden Schiff in die Tiefe gerissen wurde.“ Für ihn wurden später Kränze ins Wasser geworfen. Noch 1980 trafen sich Passagiere in Buenos Aires, die Kapitän Dreyer huldigten.

Mehrere Unternehmen von Spezialfirmen, das Wrack der Monte Cervantes zu bergen, sind gescheitert. 1951 gelang es der italienischen Firma „Salvamar“, das aus dem Wasser ragenden Heck zu bergen, aber beim Abschleppen nach Ushuaia verschwand das Heck in die Tiefe des Beagle-Kanals. Im Oktober 1954 konnte das weitgehend ausgeschlachtete Schiff als Wrack immerhin Richtung Ushuaia geschleppt werden. Dabei verschlechterte sich in kurzer Zeit das Wetter, es riss eine Leine und ein Luftkissen platze. Der Schlepper Saint Christopher geriet dabei in Not, die Schlepptrossen mussten gekappt werden. Die Monte Cervantes versank vollständig im Beagle-Kanal, der Schlepper liegt bis heute im Hafen von Ushuaia.

Danach galten weitere Versuche als lebensgefährlich, zumal Taucher nicht länger als fünf Minuten im ein Grad Wasser aufhalten können. Dennoch wurden nach der im September 2000 gelungenen Ortung des Rumpfes einige Attraktionen gefunden, unter anderem ein Kronleuchter, Rotweinflaschen und Gläser. Die Aschenbecher waren mit der Aufschrift Reederei Hamburg-Süd versehen.

1962 kam es in Hamburg zu einer dramatischen Sturmflut, die viele Opfer forderte. Dabei wurde das Archiv der Reederei Hamburg-Süd vernichtet, die bauhistorischen und technischen Aufzeichnungen im Original gingen dabei verloren. Man weiß aber noch, dass das Schiff gut ausgestattet war für seine Gäste. Es gab eine weite Eingangshalle, zwei geräumige Speisesäle, Schreib- und Lesezimmer sowie einen großen Rauchsalon. Die Panoramadecks befanden sich mittschiffs, die Kabinen hatten verschiedene Preiskategorien von IA bis V, manche besaßen fließendes Wasser. Die billigeren Kabinen hatten Waschräume, nach Geschlechtern getrennt, Wannen und Brausebäder. An Bord gab es einen Arzt, der kostenlos behandelte, und Friseure für Damen und Herren. Neu war, dass die Reederei empfahl, weniger Gepäck mitzubringen, weil keine Gesellschaftskleidung gebraucht wurde. Auf den Fahrten gab es immer eine Musikkapelle und Kleinkünstler waren mit an Bord. Alles nur für kurze Zeit.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer