Frankreich hat einen eigenen Erdteil? In der Tat, denn Korsika, die Mittelmeerinsel der Grande Nation, hat so viele Gesichter, dass man von einem Kontinent sprechen könnte. Oliver Schmidt hat das dazu passende Schiff ausprobiert, mit dem die Straßburger Reederei CroisiEurope seit Sommer 2020 die Insel in Wochentörns umrundet: die La Belle des Océans.
Wusste ich’s doch: Franzosen kann so leicht nichts erschüttern. Das Defilee, das sich von der Lounge zum Restaurant wälzt, vorbei an der charmant lächelnden Reiseleiterin Morgan aus Montpellier, ist lediglich um ein modisches Accessoire reicher geworden. Die Maske gibt es im Tigerlook und mit Eiffelturm, mit fischigen Schuppen und als aufgerissenes Haifischmaul, aber auch in schlichtem Schwarz oder als Trikolore.
Wichtig ist, dass sie mit bewundernswerter Disziplin getragen wird, ohne Ausnahme und vor allem ohne, dass sie einer erwähnt. Über indiskutable Notwendigkeiten muss man weder Zeit noch Laune verlieren. Wer das Spiel beobachtet, beginnt langsam, Ulrich Wickerts Buchtitel zu verstehen: „Vom Glück, Franzose zu sein.“
CroisiEurope ist eine französische Reederei. Freilich sitzt sie im Elsass und freilich spricht die Eignerfamilie Schmitter Deutsch so gut wie Französisch, aber was zählt, ist die Nonchalance der Gäste, sind die exzellenten Weine, die inkludiert sind und augenzwinkernd nachgeschenkt werden, und natürlich das frischeste Baguette, das es auf irgendeinem Kreuzfahrtschiff der Welt geben kann. Damit sind alle Komponenten beieinander, die ein französischer Bricoleur bräuchte, um sich selbst ein kleines Traumschiff zu zimmern. Hier ist es aber viel besser: Das stählerne Fundament, auf dem sich das Dîner à la française ereignet, ist ein solides, seit 30 Jahren bewährtes Kreuzfahrtschiff, das bis vor gut einem Jahr in der Luxusflotte von Silversea seinen Dienst versah. Da hatte es einen englischen Kunstnamen und hieß Silver Discoverer, vormals Clipper Odyssey. Erst in Frankreich wurde es namentlich geadelt: La Belle des Océans – die Schöne der Ozeane.
Ihr Ziel ist so französisch wie ihre Atmosphäre. Ihre erste Sommersaison hat sie, Pandemie hin oder her, im wochenweisen Einsatz rund um die Insel Korsika verbracht. Für Franzosen ein beinahe heiliges Eiland – Napoleon wurde hier geboren und die Tochter von Gustave Eiffel hier bestattet –, für Deutsche ein Geheimtipp. Die Ein- und Ausschiffung erfolgt in Nizza, gut zu erreichen von deutschen Flughäfen und mit einem Landeanflug verbunden, der die ganze Schönheit der Côte d’Azur erst vor die Flugzeugfenster und dann vor die Bullaugen des Schiffes zaubert. In der ersten Nacht zaubert nicht Napoleon, sondern Neptun, Meeresgott aus dem nahen Italien (denn einen eigenen haben die Franzosen nicht – eigentlich merkwürdig) eine Oberfläche auf das Ligurische Meer, die so kreativ ist wie die Farben in den Gesichtern der neuen Passagiere, die nach dem Dinner vorsichtig zu Bett wanken, um noch ein Weilchen dem Tanz auf den Wellen den Tanz in den Mägen folgen zu lassen….
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Fotos: Oliver Schmidt, enapress.com