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EIN TRAURIGES ENDE

Die „Royal Star“ aus dem Baujahr 1956 begann als Fähre und wurde 20 Jahre später zu einem populären Kreuzfahrtschiff umgebaut. Lange wurde nach seinem Ende bedauert, dass es nach Meinung vieler Fans zu früh aufgegeben wurde.

Royal Star, Sammlung: Jens Meyer

Jedes Kreuzfahrtschiff hat seine spezielle und eigene Geschichte. Bei diesem Schiff, von der Triester Werft Cantieri Riuniti dell‘ Adriatico gebaut, war es Sansibar, das lange keine Touristenoase war. Erst Anfang der 1900er Jahre wurde in dem muslimischen Land der Sklavenhandel endgültig abgeschafft. Nach der am 13. Dezember 1963 erlangten Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich und der Sansibarrevolution im Januar 1964 wurde die Volksrepublik Sansibar und Pemba gegründet, die sich am 25. April des gleichen Jahres mit der ebenfalls gerade unabhängig gewordenen Republik Tanganjika zum neuen Staat Tansania vereinigte, dem die aus mehreren Eilanden bestehende Inselgruppe, die über Jahrhunderte zum Sultanat Oman gehört hatte, bis heute als Bundesstaat angehört.

Aus dem sozialistischen Tanganjika und dem neuen Staat Tansania war es zuvor zu erbitterten Kämpfen gekommen, die viele Opfer kosteten. Die Menschen fanden sich aber schnell auf die neue Realität ein, Sansibar wurde als halbautonomen Bundesstaat zum ostafrikanischen Drehkreuz des Tourismus.

Die Royal Star war der erste Dampfer, der seine Passagiere immer wieder nach Sansibar brachte. Dem neuen Sansibar war von den Experten ein Boom vorausgesagt worden. Dazu kam es etwa ab 1971, als zügig Hotels gebaut worden waren. 90 Prozent der Bewohner Sansibars leben in N’gambo, einer Neustadt. Aber die Attraktionen sind die Strände des Ozeans und die eigenwilligen rund 2000 Häuser der sogenannten Swahili-Architektur in der Hauptstadt Stone Town, in einer Mischung aus arabischen, persischen und indischen Traditionen. Sie bestehen aus Lehm und Steinen, haben geschlossene Innenhöfe und beeindruckende Türen, deren Holz geschnitzt wurde.

Stone Town ist die Altstadt von Sansibar, seit dem Jahr 2000 gehört sie zum Weltkulturerbe der Unesco. Die Zahlen der Besucher steigen in jedem Jahr, etwa 300.000 Touristen kommen alljährlich, davon zehn Prozent aus Deutschland.

Aus dem Bundesstaat Sansibar stammte der Sänger und Musiker Freddie Mercury, geboren 1946. Seine Eltern waren 1954 mit dem Sohn zunächst nach Indien, später nach Großbritannien gegangen. Er war homosexuell und starb 1991 in London an Aids. Das Haus, in dem die Familie Bulsara lebte, ist nun ein populäres Museum. Bis heute ist in Tansania Homosexualität verboten, sie wird streng geahndet. Wegen der meist angenehmen Temperaturen ist Sansibar außerordentlich beliebt. Die Royal Star hatte als eines der ersten Kreuzfahrtschiffe Touristen in die ostafrikanische Region transportiert.

Gebaut wurde das Schiff als Fähre unter dem Namen San Giorgio und von der Adriatica Line (Adriatica S.p.A. di Navigazione) zunächst als vollklimatisiertes Drei-Klassen-Schiff unter italienischer Flagge im Linienverkehr zwischen Triest nach Piräus, Istanbul und Izmir eingesetzt. 1976 hatten die griechischen Brüder Andreas und George Kyrtatas (Cycladic Cruises) das Schiff gekauft und zum reinen Kreuzfahrtschiff umbauen lassen. Es erhielt zunächst den Namen City of Andros und startete unter griechischer Flagge vom Standort Piräus aus die folgenden sechs Jahre zu sehr populären drei- und viertägigen Mini-Kreuzfahrten im Mittelmeer.

Foto: Frank Behling

Anfangs hatte das Schiff in der Zeit nach der 1984 erfolgten Übernahme durch die Ocean Cruise Lines, Umbenennung in Ocean Islander und Wechsel unter Panama-Flagge einen guten Ruf als Mittelmeerschiff. Es fuhr oft von Venedig auf den Routen entlang der dalmatischen Küste. Im Winter wich es aus nach Barbados und in die begehrten warmen Orte der Karibik.

Im Jahr 1990 hatte der Schweizer Reisekonzern African Safari Club (ASC) das Schiff übernommen. In der Zeit danach – durch die Ankopplung an den Konzern – erhielt das für die Hapero Shipping auf den Bahamas registrierte und von der ASC-Tochter Star Line Cruises beschäftigte Schiff den Namen Royal Star. Die Kreuzfahrten wurden von Mombasa in Kenia gestartet, der Kreuzfahrtenradius um den Indischen Ozean erweitert. Management und Passagiere waren meist deutschsprachig. An Bord gab es 111 Kabinen, die für maximal 200 Passagiere ausgelegt waren, die Auslastung war fast immer gut. Später wurden bis 256 Passagiere an Bord gelassen, je nach Auslegung. Das Schiff hatte fünf Decks. Die Kabinen bestanden aus 14 Innen-, 96 Außen- und einer Balkonkabine.

Für Deutschsprachige war die Royal Star eines der beliebtesten Schiffe. Mit ihm fuhren sie zu den Komoren-Inseln, nach La Reunion, Madagaskar, Mauritius, Mosambik, Sansibar, zu den Seychellen und zu Südafrika. Ein properes Angebot, das sehr gern angenommen wurde.

Das Inselhopping führte in botanische Gärten und in grandiose Tropenvegetation, zu Gewürzen und Gemüse, Zimt, Vanille und süßlichem Obst. Und zu bunt gekleideten Kreolinnen und Kreolen mit ihren vollgepackten Einkaufskörben auf den Märkten. Zwischen den Seychellen und Madagaskar zum Beispiel war eine Etappe von ca. 747 sm auf Hoher See zu fahren, zwei Seetage im lauen Fahrtwind und von der Sonne umschmeichelt.

Das Schiff hatte ursprünglich den Namen San Giorgio von 1956 bis 1978. Von 1976 bis 1984 hieß es City of Andros, es folgten die Namen Ocean Islander von 1984 bis 1990 Royal Star von 1990 bis 2009 und schließlich bis zum Abbruch Ocean Mist.

Das in Italien gebaute Schiff trug die Baunummer 1813. Die Kiellegung hatte am 15. Mai 1955 stattgefunden. Der Stapellauf erfolgte am 19. März 1956, die Übergabe an die Reederei am 8. November 1956 und die Indienststellung sofort danach. Das Schiff war 111,99 Meter lang und 15,50 Meter breit. Der Tiefgang wurde mit 5,60 Meter angegeben, die Vermessung mit 5067 BRT, die Tragfähigkeit mit 1433 tdw.. Im Maschinenraum standen zwei Dieselmotoren von Fiat-Adriatico mit einer Leistung von je 2088 kW, die auf zwei Festpropeller arbeiteten. Die Reisegeschwindigkeit wurde mit 16 kn angegeben.

An Bord waren 200 Personen zugelassen, nach Modernisierung als Ocean Mist 220. Die Besatzung bestand aus rund 130 Personen. Das Schiff hatte einen strahlend weißen Farbanstrich am geschwungenen Rumpf und an den Aufbauten. Zudem besaß es einen voluminösen Schornstein sowie auf dem Vor- und Achterschiff je eine bei späteren Umbauten demontierte A-förmige Mastkonstruktion als besonderes Merkmal für ein kleineres Passagierschiff. Zudem waren die San Giorgio und ihr Schwesterschiff San Marco die ersten italienischen Schiffe, die mit Denny Brown-Stabilisatoren ausgerüstet wurden. Die Offiziersposten wurden komplett an griechische Seeleute. Fast der gesamte Mannschaftsbereich bestand aus Filipinos und Indonesiern.

Foto: PV Ocean Mist Cruises

Im Juni 2008 musste das Schiff wegen erheblicher technischer Probleme an die Werft. Der damalige Eigner, die 1967 gegründete Schweizer African Safari Club-Gruppe, ging am 16. März 2009 in den Konkurs. Das Schiff wurde daraufhin vom High Court in Mombasa in die Kette gelegt und im Juni 2009 zwangsversteigert. Da griff der indische Unternehmer Alnoor Jiwan für die indische Alba Petroleum Group zu. Das Schiff wurde Ende 2009 bei der African Marine General Engineering Company teilweise modernisiert und in Ocean Mist umbenannt.

Das Schiff wurde schließlich als unrentabel angesehen und außer Dienst gestellt, im Frühjahr 2012 kam es zum Verkauf an einen Abbrecher und die Überführung ins indische Alang. Am 19. März des Jahres traf das Schiff dort ein und wurde für die anschließende Verschrottung vorbereitet.

Das wurde von vielen Menschen, Experten wie anderen Mitfahrenden, als traurig empfunden. Damit war wieder ein weiterer Klassiker der Kreuzfahrtgeschichte zu früh aufgegeben worden. Er hatte seinen Charme als kleineres Kreuzfahrtschiff. Es besaß als Royal Star in der African Safari Club (Star Line Cruises)–Zeit eine treue und begeisterte Fangemeinde.

Unangenehm war auch, dass auf der letzten Fahrt zwischen den Malediven und Sri Lanka das Schiff von Piraten attackiert wurde. Einige gelangten an Bord und wurden von der Security mit zwei Warnschüssen vertrieben.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer