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EIN VIELSEITIGER DAMPFER

Die Kenya Castle war ein Linienpassagierschiff der britischen Reederei Union-Castle Line. Später gehörte es der griechischen Reederei Chandris und trug den Namen Amerikanis. Nach weniger als einem halben Jahrhundert wurde sie aufgegeben.

Die Fotografien der ersten Jahre der Kenya Castle zeigen ein stolzes Schiff mit zwei kühn hochaufgerichteten Masten, einem leicht geschwungenen rotschwarzen Schornstein und einem vorn gerundeten Decksaufbau. Sie fuhr unter der Flagge von Panama und war eines der drei Schiffe, die speziell für den Einsatz in Afrika entworfen wurden. Die beiden anderen waren die Rhodesia Castle und die Braemar Castle. Diese zwei Schwesterschiffe wurden bereits nach kurzer Lebensdauer 1966/1967 aufgegeben und zum Abbruch verkauft. Während die Kenya Castle ab 1968 in eine zweite Karriere starten konnte, als Amerikanis der Chandris-Line. Fortan wurde sie weltweit eingesetzt.


Foto: Sammlung JSA

Im Inneren war das Schiff den Moden dieser Zeit angeschlossen: Die Kabinen mit kleinen Fenstergläsern und Vorhängen für die Nächte, das Mobiliar kantig und eckig, die Schränke mit ihren stählernen Schubladen und Auszügen. Die Gänge auf den Decks, die Treppen, der relativ kleine Swimmingpool, der dennoch eine Attraktion war. Der Dampfer war ganz der Zeit angepasst, ein Produkt der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Unter der Baunummer 1432 wurde das Schiff Anfang der Fünfzigerjahre in der Bauwerft Harland & Wolff in Belfast errichtet. Die Reederei entschied sich für Panama-City als Heimathafen. Am 21. Juni 1951 kam es zum Stapellauf, die Übernahme an den Auftraggeber fand im Februar 1952 statt. Die Indienststellung erfolgte im April 1952, es war ein schönes Schiff, das viel Aufmerksamkeit erlangte.

Das Schiff war 175,72 Meter lang und 22,66 Meter breit. Der Tiefgang lag bei 7,79 m, die Vermessung wurde mit 17.041 BRT angegeben. Die Parsons-Dampfturbinen wirkten auf 2 Festpropeller. Die Maschinenleistung war 10.742 kW (14.605 PS), die Höchstgeschwindigkeit 17,5 Knoten (32 km/h). Die zugelassene Anzahl der Passagiere wurde mit 526 Personen (später als Kreuzfahrtschiff 920) beschrieben, die Besatzung mit 400 Mitarbeitern. Das Schiff wurde auf die Route von London nach Durban hin- und zurück geschickt.


Foto: Sammlung JSA

Die Kenya Castle besaß nicht nur Räume für Linienpassagiere, sondern auch geräumige Laderäume für den Transport von Stückgut und Kühlwaren. Im Schnitt waren im Liniendienst knapp 530 Passagiere an Bord, es gab nur eine Einheitsklasse.

1967 hätte das Schiff bereits ausgemustert werden können, die Flugkonkurrenz hatte das Transportieren von Passagieren auf Afrika-Routen weitgehend übernommen. Es erfolgte auch eine kurze Ausmusterung von den letzten der noch existierenden Schiffe der ehemaligen Union-Castle Line. Aber bald danach gelangte den Briten der Verkauf des Schiffs an die griechische Reederei Chandris. Nach der Überführung nach Piräus begann sofort der Umbau zum Kreuzfahrtschiff. Zu den Arbeiten gehörte, dass die Frachträume des ehemaligen Linienschiffs zugebaut wurden, so konnten weitere Kabinen eingesetzt und mehr Raum genutzt werden.


Foto: Jürgen Saupe

Die griechische Führung ordnete den Umbau praktisch an, bereits ab dem 8. August 1968 war der Vorgang abgeschlossen. Aus der Kenya Castle wurde die Amerikanis, die 28 Jahre lang, bis 1980, weltweit zum Einsatz kam. Anfangs gab es die Idee, die Amerikanis in den Sommermonaten auf die Strecke Piräus-New York zu schicken, aber das wurde schnell zurückgenommen, nachdem die Bosse von Chandris erkannt hatten, dass die Konkurrenz auf dem Wasser von der in der Luft überboten wurde. Der Dampfer wurde auf Kreuzfahrten von New York nach den Bermudas entsendet, später auch in die Karibik und nach Europa.

Das Schiff war populär und hatte viele Stammgäste. Der Name Kenya hatte sich auf den ostafrikanischen Staat Kenia bezogen, der Begriff Castle stand als Erkennungszeichen des Schiffs für dessen Reederei. Die Baukosten des Umbaus sollen 1,1 Millionen britische Pfund betragen haben.


Foto: Jürgen Saupe

Das Geschäft mit den Kreuzfahrtpassagieren lief allerdings auf Dauer nicht optimal, so dass die Amerikanis 1980 für vier Jahre an die italienische Reederei Costa Crociere verchartert wurde. Sie behielt ihren Namen, aber nicht ihr typisches Erkennungsbild. Die Farben der Reederei wurden auf dem Schiff übertüncht, sie bestanden aus einem gelben Schornstein mit einem blauen C für Costa. 1984 wurde das Schiff von Chandris zurückgenommen und wieder in diverse Einsätze gebracht.

Der 24. Oktober 1996 war ein trauriger Tag für die Amerikanis – nach zwölf Jahren wurde sie endgültig ausgemustert. Man brachte sie nach Eleusis, aufgelegt wurde sie fünf Jahre lang zwischen dem ausgemusterten Kreuzfahrtschiff Regent Star und der ausgemusterten Fähre Mediterranean Sky. Dort lag sie bis zum April 2001.

Für die Union-Castle begann damit nicht nur ein drastischer Abstieg in ihrer Kreuzfahrtschiffsbranche, die Reederei gab auf. Zuerst wurde die Amerikanis ins indische Alang verkauft, wo es am 4. Juni 2001 eintraf und in den Abwrackprozess gelangte. Danach gelangten bis 2005 alle weiteren Schiffe der einst altehrwürdigen Reederei an ihren Endpunkt, wo sie verschrottet wurden.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jürgen Saupe