Links überspringen

Ein wackerer Oldtimer

Nach dem 2. Weltkrieg setzte die FAA (Finska Angfartygs Aktiebolaget/Finnische Dampfschiffahrts-Ges.) ab 1954 ihren 1898 gebautem Oldtimer Oihonna auf der Route Travemünde – Helsinki, dem sogenannten Hansaweg, ein. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1960 pendelte dieser Dampfer als Passagierschiff mit Platz für 100 Gäste und einige PKW’s an Deck in den Sommermonaten von ca. Ende April bis Ende September in jeweils 53 Stunden über die Ostsee. Im Winter wurde der Verkehr eingestellt, da es zu der Zeit mangels ausreichender Maschinenleistung nicht möglich war, bei vereister Ostsee den Fahrplan aufrecht zu erhalten.

Die S/S Oihonna (IMO 5601162) war ein Passagierdampfschiff der Reederei FAA (finnisch: Suomen Höyrylaiva Osakeyhtiö). Gebaut wurde sie 1898 auf der Werft Gourlay Bros. &; Co. in Dundee, Schottland unter der Baunummer 180 und war mehr als 60 Jahre lang in Diensten der Reederei. Die Länge des Schiffes betrug 64,00 Meter, die Breite 9,55 Meter und der Tiefgang 5,49 Meter. Das Schiff hatte eine Tonnage von 1.072 BRT. Eine Vierzylinder 3-fach Expansions-Dampfmaschine leistete 1.400 PS für eine maximale Geschwindigkeit von 12,5 Knoten. Die Passagierkapazität betrug ursprünglich 163 Personen (in 2 Klassen).

Bis zum Ersten Weltkrieg verkehrte die Oihonna im Winter auf der Strecke Stockholm – Turku und im Sommer auf der Strecke Stockholm – Hanko – Helsinki – St. Petersburg. In den Wintermonaten in der vereisten Ostsee machte sich schnell ein Nachteil des Schiffes bemerkbar: die geringe Maschinenleistung. Mehrmals stoppte Eisgang den Fahrplan, einige Male auch durch Rumpfbeschädigungen, die einen Werftaufenthalt zur Reparatur erforderten. Im Sommer von 1902 bis 1903 sowie 1906 unternahm das Schiff auch einige Kreuzfahrten nach Spitzbergen und zum Nordkap.

Während des Ersten Weltkriegs verkehrte die Oihonna im Bottnischen Meerbusen zwischen Finnland und Schweden. In den 1920er und 1930er Jahren wurde sie für den Verkehr von Finnland nach Schweden und weiter nach Stettin oder Lübeck genutzt.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie 1944 von der Alliierten Kontrollkommission beschlagnahmt und diente als Unterkunft für Kommissionspersonal in Helsinki. Am 27. Februar 1948 erhielt die Reederei ihre Oihonna zurück, die sie nach umfangreichen Reparaturen und Renovierungen dann ab 1949 zwischen Turku und Stockholm einsetzte.

Am 1. Mai 1954 eröffnete die Oihonna einen neuen Liniendienst zwischen Helsinki und Travemünde, den sie jeweils zwischen Ende April und Ende September bis 1959 bediente.

In diesen Jahren war die Oihonna allwöchentlich von Montag bis Dienstag ein regelmäßiger Gast an der Kaiserbrücke im Hafen von Travemünde. Insgesamt 48 Passagiere konnten in der 1. Klasse, 52 Personen in der Touristenklasse befördert werden. Die Passage Travemünde – Helsinki kostete pro Strecke einschließlich Verpflegung in der 1. Klasse 190,-, in der Touristenklasse 156,- DM. In der heutigen Zeit kaum mehr zu glauben betrug der Zuschlag als Einzelkabine lediglich 10,- DM.

Im Oktober 1960 wurde der mittlerweile in die Jahre gekommene und mit seiner Dampfmaschine total unrentabel gewordene Oldtimer zur Verschrottung nach Belgien verkauft. In den Folgejahren begann dann das Zeitalter der RoRo-Auto-Passagierfähren auch im Ostseebereich und ließ Schiffe, wie die Oihonna schnell in Vergessenheit geraten.

Jürgen Saupe

Fotos: Sammlung JSA