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EINE BEWEGTE LAUFBAHN

MS Dunnottar Castle gehörte der Londoner Union-Castle Mail Steamship Company, sie war im Liniendienst. Später hieß sie Victoria und wurde als Kreuzfahrtschiff eingesetzt.

Das Dunnottar Castle ist eine verwegen in die Nordostküste Schottlands hineingerammte Ruine. Einst war sie eine trutzige Festung mit einem Wohnturm, kühn auf eine felsige Landzunge gesetzt. Furchterregend und rettend zugleich. Im 16. Jahrhundert wurde sie zum Palastgebäude ausgerichtet. In der frühen mittelalterlichen Rebellion der Jakobiten und in den Englischen Bürgerkriegen spielte das Castle eine bedeutende Rolle in der schottischen Geschichte. In den Englischen Bürgerkriegen waren in der festungsartigen Burganlage die Schottischen Kronjuwelen versteckt. Dunnottar Castle ist heute nach wie vor noch ein beliebtes Ziel, vor allem für Historienfreunde und Fans von Burgen.

Dass ein Schiff mit diesem Namen versehen wurde, das war mutig. Allerdings war es bei der Reederei Union-Castle Tradition, die eigenen Schiffe nach britischen Burgen zu benennen. Der Dampfer war vielseitig unterwegs in mehr als sechs Jahrzehnten. Anfangs als Passagierschiff, zeitweise bewaffneter Handelskreuzer und in Kriegszeiten ein von der britischen Admiralität angefordertes Truppenschiff im Zweiten Weltkrieg. Danach war es für viele Jahre ein Kreuzfahrtschiff.

Die Dunnottar Castle war 1936 mit der Baunummer 959 auf der Werft Harland & Wolff in der irischen Hauptstadt Belfast gebaut worden. Der Stapellauf des Schiffes erfolgte am 25. Januar 1936. Die Übergabe an die Union-Castle Mail Steamship Company wurde am 27. Juni des Jahres vollzogen. Es wurde im Liniendienst eingesetzt, war ein bescheidenes Kombinations-Passagier- und -Frachtschiff. Der Heimathafen war London.

Das Schiff war 174,53 Meter lang und 21,92 Meter breit. Der maximale Tiefgang war 8,10 m. Die Vermessung wurde mit 15.007 BRT angegeben, ab 1959 mit 14.917 BRT. Die Maschinenanlage bestand ursprünglich aus zwei Dieselmotoren des Fabrikats B&W-H&W, die Maschinenleistung lag bei 8.235 kW (11.200 PSe). Die Höchstgeschwindigkeit wurde mit 17 Knoten angegeben. Die Tragfähigkeit lag bei 10.129 tdw, ab 1959 6590 tdw. An Bord durften bis zu 508 Passagiere. Schiffskenner lobten, das Schiff sei solide konstruiert. Preisbewusste Passagiere erwählten den Liner zu ihrem Lieblingsschiff.

Knapp vier Jahre später nach ihrer Indienstellung wurde die Dunnottar Castle von der Royal Navy requiriert, sie sollte in den Krieg. Sie agierte als bewaffneter Hilfskreuzer – auf den sie schnell umgebaut worden war – im Jahr 1940. Nachdem ein deutsches U-Boot ihr Schwesterschiff Dunvegan Castle angegriffen hatte und es torpedierte, sank das Schiff; 24 Menschen kamen ums Leben.

Dann, von 1942 bis 1948, diente die „Castle“ als Truppentransporter im Kriegsdienst. Sie brachte vor allem 1944 britische Soldaten in die Normandie und fuhr Verletzte in die Heimat. Eine Viertelmillion Seemeilen legte sie bei diesen Aktionen mit Transporten zurück.


Foto: Jürgen Saupe

Nach Kriegsende ging sie in den Repatriierungsdienst bis 1949. Danach wurde das Schiff wieder im Liniendienst zwischen Southampton und Afrika eingesetzt.

1948 war die Dunnottar Castle wieder an die Union-Castle Line zurückgegeben worden, sie wurde aufwendig umgebaut, um sie wieder in den Liniendienst rund um Afrika entsenden zu können. Dort war das Schiff bis 1958 im Dienst.

1958 erwarb die Incres Steamship Co. das Schiff, nun kam es unter die Flagge von Liberia mit Heimathafen Monrovia. 1959 entschloss man sich, das Schiff umzubenennen auf den Namen Victoria. Zudem war ein Umbau fällig, er fand auf der Wilto-Fijenoord-Werft in der Nähe von Rotterdam statt. Das Schiff wurde zum Kreuzfahrtdienst präpariert, es war elegant und wurde sogar als luxuriös benannt. Federführend für die Innenausstattung war der Designer Gustavo Pulitzer-Finale, der edle Holzvertäfelungen und italienische Möbel einbringen ließ. Die Decks wurden nach Edel- und Halbedelsteinen benannt und farblich abgestimmt. Gespeist wurde in einem Saal mit tonnenförmiger Kuppeldecke, es gab einen Musikerbalkon und ein Auditorium. Bilder, Tafeln und Keramiken brachten italienische Künstler in das Schiff, es waren römische Themen.



Dazu wurde auch eine neue Maschinenanlage installiert. Die B&W-Dieselmotoren wurden durch Fiat-Motoren ersetzt. Die Victoria ging dann auf Kreuzfahrten entlang der Ostküste der USA und mit ständigen Abstechern in die Karibik.

1964 ging das Schiff an die Victoria Steamship Co in Monrovia, einer Tochtergesellschaft der schwedischen Reederei Clipper Line mit Sitz in Malmö. Nach dem Verkauf lief die Victoria weiter als Kreuzfahrtschiff in den USA und der Karibik, verlässlich bis 1975. Im selben Jahr kam es zum Verkauf an die Victoria Shipping SA, Piraeus. Die Victoria lief jetzt unter griechischer Flagge.


Foto: Jürgen Saupe

1977 übernahm die Reederei Chandris die Victoria, ihr Name wurde erweitert auf The Victoria. Nun war sie wieder mit max. 600 Passagieren in der Karibik und in Europa unterwegs. 1987 hielt man es für notwendig, das Schiff erneut einer Renovierung zu unterstellen.

1993 war es ein anderer Käufer, die Louis Cruise Lines, die das Schiff in ihre Flotte einbrachte. Sie fuhr nun unter zypriotischer Flagge, der Heimathafen war Limassol. Sie hieß inzwischen Princesa Victoria und kreuzte im Mittelmeer. Für zehn Jahre lang war sie in guten Händen, der Zustand wurde bis zuletzt als ausgezeichnet beurteilt.

1999 wurde die Princesa Victoria vor Lissabon aufgelegt, sie wurde für die Expo 98 als Hotelschiff genutzt. Im Jahr 2000 war das Schiff wieder für Kreuzfahrten eingesetzt worden. Im Rahmen des G8-Gipfels in Genua war sie ein Hotelschiff für die Gäste der monatelangen Veranstaltung.

2002 war das Schiff in der Bucht von Eleusis aufgelegt worden, es sollte nicht mehr in den Passagierdienst gelangen. Als Victoria I wurde sie ab dem 7. August 2002 im indischen Alang verschrottet.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jürgen Saupe