Links überspringen

„Eine moderne maritime Industrie als Antwort auf den Klimawandel“

Stralsunds Oberbürgermeister Dr. Ing. Alexander Badrow äußert sich gegenüber „an Bord“ zu aktuellen Zukunftsfragen der MV Werften.

Dr. Alexander Badrow, Oberbürgermeister von Stralsund. Foto: Pressestelle Stralsund

Nach der Insolvenz gibt es Pläne („maritimer Gewerbepark“) für das Gelände – wie sehen die im Einzelnen aus?

Die Hansestadt Stralsund verfolgt das Ziel, die Werftflächen zügig zu kaufen – mitsamt Gebäuden und vorhandener Ausrüstung. Die Grundstücke sollen dann im Rahmen eines Gewerbeparks für maritime Industrie verpachtet werden. Dabei setzen wir auf mehrere Investoren, um ein sogenanntes Klumpenrisiko zu vermeiden. Das hat den Vorteil, dass auch die Arbeitsplätze sicherer sind. Gleichzeitig wollen wir an der Energiewende mitwirken und setzen auf die Entwicklung alternativer Antriebe sowie den Bau von Offshore-Anlagen. Auch die ökologische Nutzung der Meere soll in Stralsund eine Rolle spielen.

MV Werft Stralsund, Foto: enapress.com

Das Projekt zielt auf neue Investoren, aber auch Besucher. Gibt es dazu Details?
Was Besucher angeht, entscheidet natürlich jedes Unternehmen selbst, wie es sich in der Öffentlichkeit darstellt. Klar ist, die Volkswerft gehört zu Stralsund, wie die Kogge zur Hanse. Die Menschen sind stolz auf das, was unsere Schiffbauer hier bisher geleistet haben. Die „Crystal Endeavor“ ist dafür der schönste schwimmende Beweis, der als Botschafter für den Stralsunder Schiffbau inzwischen die Weltmeere bereist.

Welchen Mehrwert sehen Sie bei dem neuen Projekt für Stralsund?

Wir wollen dauerhaft sichere Arbeitsplätze. Deutschland braucht eine moderne maritime Industrie als Antwort auf den Klimawandel.

Welche Maßnahmen und damit auch Kosten kämen ungefähr auf Hansestadt und Investoren zu?

Der Preis für die Grundstücke steht noch nicht fest. Gleichzeitig gibt es laufende Kosten für die Instandsetzung des Geländes. Beides soll durch die Mieten und Pachten abgedeckt werden. Was die Investoren angeht, so sind zwar die Fertigungsanlagen für Schiffe vorhanden, dennoch muss die Ausstattung auf die jeweiligen Bedarfe angepasst werden, was für den Einzelnen natürlich individuelle Kosten verursacht. Je nach Geschäftsmodell lassen sich hier aber sicher verschiedene Fördermittel akquirieren. Bund und Land haben bereits signalisiert, dass zur gewollten Transformation Deutschlands passende Projekte Unterstützung erhalten können.

Crystal Endeavor, Foto: enapress.com

Inwieweit wäre ein Erhalt des Werftbetriebs in diesem Rahmen möglich, zum Beispiel im Reparatursektor?
Mit dem Kauf der Werftflächen wird es auch einen ersten größeren Mieter geben. Dieser setzt auf Schiffsreparaturen, für die auf dem Gelände ja schon alles vorhanden ist. Gleichzeitig hat dieses Unternehmen viel Erfahrung im Bereich Offshore. Darüber hinaus können perspektivisch auch Schiffsantriebe umgerüstet werden. Ich kann mir auch Kooperationen und erweiterte Projekte mit dem benachbarten Unternehmen Ostseestaal vorstellen, das ja schon seit Jahren mit innovativen Produkten erfolgreich ist.

Die Maersk-eigene Werft im dänischen Odense ist inzwischen zu einem sehr erfolgreichen maritimen Gewerbepark umgewandelt worden. Haben Sie sich dort schon informiert?
Ja. Von diesem Beispiel können wir sicher einiges lernen. Ich werde mir das auch noch einmal persönlich anschauen.

Was wird aus den bereits gelieferten Modulen für den ursprünglichen geplanten zweiten Crystal-Neubau? Werden die Zulieferer entschädigt?
Das ist die Aufgabe des gerichtlich eingesetzten Insolvenzverwalters.

Ihr persönlicher Kommentar zur Krise bei MV Werften: Ist noch eine Zukunft mit Genting in anderen Bereichen möglich?
Was oft zu kurz kommt: Genting hat in Mecklenburg-Vorpommern ca. zwei Milliarden Euro investiert. Und war bis zum Ausbruch der Pandemie sehr erfolgreich. Corona hat nahezu alle Geschäftszweige des Konzerns weltweit stark getroffen. Aber ich bin mir sicher, dass die Sehnsucht nach dem Meer die Menschen wieder reisen lässt und Kreuzfahrten eine Zukunft haben. Andere Branchen sind klare Krisengewinner, im Containerbereich zum Beispiel haben sich die Preise verzehnfacht. So etwas werden wir auch in anderen maritimen Branchen sehen. Kein privates Unternehmen kann derart massive Schwankungen ausgleichen. Da braucht es kluge politische Entscheidungen, um die Wellen zu glätten, um langfristig erfolgreich zu sein. Andere Länder sind da schon etwas weiter.

Interview: „an Bord“-Redaktion / Dr. Peer Schmidt-Walther