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EINE ZEITLANG DAS GRÖSSTE SCHIFF DER WELT

Das MS Vulcania wurde als Passagierschiff in den Kriegen des 20. Jahrhunderts für militärische Vorhaben genutzt, kehrte aber immer in den zivilen Dienst zurück.

Foto: Archiv U. Horn

Dass das Schiff namens Vulcania in die Literatur eingegangen ist, beruhte allerdings auf einem Irrtum. Der US-amerikanische Schriftsteller Paul Bowles (1910-1999) hatte 1948 die Kurzgeschichte „The Delicate Prey“ geschrieben, sie wurde 1949 veröffentlicht und erregte Aufsehen. Darin taucht mehrfach der Name Vulcania auf.

„Die leichte Beute“ kam in hoher Auflage auf den Buchmarkt, auch außerhalb der USA in anderen Ländern. Nicht überall löste die Erzählung des renommierten Autors bei den Verlagen Freude aus. Bowles war berüchtigt dafür, absolut realistische, also auch grausame Geschichten zu schreiben. In Großbritannien wurde die Story deshalb wegen der Gewaltdarstellungen erst 1968 veröffentlicht.

Bowles schrieb keine Schiffsgeschichte, es ging in seiner Erzählung um Menschen in der Sahara, die als Lederhändler mit ihren Kamelen unterwegs waren und mit Wind, Wetter und Konkurrenten zu kämpfen hatten. Bowles machte sich Notizen für seine Arbeit auf einem Schiff namens Saturnia, ein baugleiches Schwesterschiff der Vulcania, als er von New York nach Gibraltar fuhr. Dabei verwechselte er aber später beim Schreiben den Namen, er machte aus der Saturnia die Vulcania, auf der er sich allerdings nie befand. So wurde das Schiff zur Berühmtheit, obwohl es gar nicht das „richtige“ war.

Foto: Sammlung JSA

Das Motorschiff Vulcania gehörte der italienischen Reederei Cosulich Societa Triestina di Navigazione, es war seit 1928 zunächst als Passagierschiff auf den Meeren unterwegs. Das funktionierte allerdings nur bis 1935, als Italien in den Abessinienkrieg eintrat. Das Schiff transportierte von Mai bis Oktober italienische Soldatentruppen nach Äthiopien und war deshalb dem Zivildienst entzogen worden. 1941, als das Transatlantik-Schiff wieder auf der Route mit zivilen Passagieren im Dienst war, wurde es von der italienischen Regierung gechartert, wieder brachte es Soldaten nach Nordafrika, der angesteuerte Hafen war stets Tripolis. Die Vulcania hatte Glück, als sie am 16. September in einem Verbund mit ihren Schwesterschiffen Neptunia und Oceania auf dem Weg war. Auf der Höhe von Tarent wurde der Schiffsverband angegriffen vom Schiff Upholder, es kam zu schweren Schäden und Versenkung der beiden Schwesterschiffe. Die Vulcania blieb bei der Attacke des feindlichen Schiffs unversehrt.

Das Schiff wurde von der Werft Cantiere Navale Triestino in Monfalcone unter der Baunummer 161 erstellt und war ein Projekt von bis dahin unbekannten Ausmaßen. Die Kiellegung erfolgte am 13. Januar 1926, der Stapellauf am 19. Dezember 1926 und die Indienststellung am 19. Dezember 1928. Es war 192,92 Meter lang und 24,23 Meter breit, die Vermessung wurde mit 23.970 BRT angegeben, 1935 erhöhte sich die BRT bei einer Neumotorisierung auf 24.469. Das über zwei Masten und einen Schornstein verfügende Motorschiff wurde angetrieben von einer Dieselmotorenanlage, die auf zwei Propeller arbeitete. Die Tragfähigkeit lag bei 7459 tdw. In der Ersten Klasse waren 310 Passagiere zugelassen, in der Zweiten 460, in der Mittelklasse 310 und in der Dritten Klasse 700 Personen. Damit war die Vulcania bei Dienstbeginn das größte Motorschiff der Welt mit Platz für 1780 Menschen. Nach dem 1935 erfolgten Ersatz der beiden Burmeister & Wain-Diesel durch zwei Fiat 10-Zylinder-Zweitakt-Motoren von je 18 000 PS verfügte das Schiff über eine bis dahin in der zivilen Passagierfahrt unerreichte Motorleistung, die Höchstgeschwindigkeit erhöhte sich auf 19 Knoten (35 km/h). Die Anzahl der Besatzungsmitglieder ist nicht bekannt.

Zu Beginn des Jahres 1941 wurden Flüchtlinge aus dem von Italien kolonisierten Ostafrika über die Häfen Zeila und Berbera in British-Somaliland nach Genua gebracht; die Fahrt verlief aus Sicherheitsgründen über das Kap der guten Hoffnung. An diesen Operationen war die Vulcania beteiligt.

1942 und 1943 hatte das Intergovernmental Committee on Refugees die Vulcania für drei Fahrten gechartert. Im Oktober 1943 nahm die United States Army das Schiff als Truppentransporter in Charter, das lief bis nach Kriegsende, bis zum 29. März 1946. Danach, vom 29. März 1946 bis zum 4. Oktober des Jahres, charterten die American Export Lines das Schiff. Sechs Fahrten gab es auf der Strecke New York City-Neapel-Alexandria. Mitte 1946 wurde die Vulcania an den italienischen Reeder zurückgegeben, gleichfalls das in New York City vor Anker liegende Schwesternschiff Saturnia.

Foto: Sammlung JSA

Die Italian Line setzte vom 15. November 1946 bis zum 21. September 1955 das Schiff auf der Route New York City-Neapel-Genua ein. Im Juli 1947 kam es zu einer einzigen Charterfahrt für das Intergovernmental Committee on Reefuges, die von Genua über Barcelona, Las Palmas, Rio de Janeiro, Montevideo und Buenos Aires führte. Die Passagiere suchten in Südamerika ein sichereres Leben. Zehn Jahre lang, ab dem 21. September 1955 bis 1965, war die Vulcania auf der Route Triest-Venedig-Patras-Neapel-Palermo-Gibraltar-Lissabon-Halifax-New-York-City unterwegs. 1965 wurde es an die Sicula Oceanica Societa per Azioni (Siosa) verkauft. Diese mehrheitlich im Besitz der Grimaldis befindliche Gesellschaft verlieh der Vulcania einen neuen Namen: Caribia, und sie wurde fortan als Schiff für Emigrantentransporte von Southampton, Vigo und Lissabon in die Karibik und danach als Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer eingesetzt.

1972 lief das Motorschiff vor Cannes auf einen Felsen, wurde beschädigt und in La Spezia aufgelegt. Am 18. September 1973 traf es auf dem Haken eines Schleppers zum Abbruch in Barcelona ein, wurde jedoch an ein taiwanische Abbruchunternehmen weiterverkauft. Am 15. März folgenden Jahres begann die weitere Verschleppung zur Verschrottung in Kaohsiung, doch versank das Schiff noch vor Erreichen des Bestimmungshafens.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer