Die 1929 in Fahrt gekommene Bremen war von Anfang an eine ganz Große und schaffte Sensationelles. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie durch einen Brand zerstört.
Das waren noch Zeiten in der altehrwürdigen Hansestadt Bremen, als die Bremen es zum Weltrekord brachte. Abends saßen die Leute am Tisch um den monströsen Rundfunkempfänger, die Familien mit den Alten, den Kindern, den Nachbarn, sie redeten aufeinander ein und waren stolz. Die Reederei Norddeutscher Lloyd (NDL) ließ die angelsächsische Konkurrenz auf dem Nordatlantik erbeben, dorthin hatte sie einen turbinengetriebenen 4-Schrauben-Schnelldampfer geschickt. Seine vier Getriebedampfturbinen von Parsons arbeiteten auf vier je 17 Tonnen schwere Bronze-Festpropeller mit einem Durchmesser von 5000 mm. Das Schnellschiff gewann bereits auf der Jungfernfahrt unter Kommodore Leopold Ziegenbein das Blaue Band des schnellsten Schiffes auf der Transatlantikstrecke zwischen Europa und New York. Für eine Überfahrt von vier Tagen, 17 Stunden und 42 Minuten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27,83 Koten (51,54 km/h). Das RMS Mauretania, das 20 Jahre lang das Band hatte flattern lassen, war abgemeldet. Der Knaller hielt wochenlang wie ein Echo in der Stadt an. Bald darauf klebte man Briefmarken mit Ansicht der Bremen auf den Briefumschlag.
Der Bau des bereits vierten NDL-Schiffes dieses Namens begann mit riesigem Aufwand. Es hatte sich herumgesprochen, dass der Bau des Dampfers insgesamt rund 65 Millionen Reichsmark verschluckt hatte, die Hanseaten konnten sich das leisten. Die Bremen war am 18. Juni 1927 bei der Deutsche Schiff- und Maschinenbau (DeSchiMAG)-Werft AG „Weser“ in Bremen auf Kiel gelegt worden. Honoratioren brachten sich in Position, als am 16. August 1928 der Reichspräsident Paul von Hindenburg den Dampfer auf den Namen Bremen taufte. Die besten Architekten und Techniker waren anwesend, sie hatten intensiv an dem mit 7000 t hochfestem Stahl und sogenanntem Taylorschen Bugwulst erstellten Schiff mitgearbeitet. Am 12. Juni 1929 begannen die ersten Probefahrten, am 27. Juni zeigte die Bremen mit einer maximalen Geschwindigkeit von 28,8 Knoten, wozu sie fähig war. Am 5. Juli 1929 wurde der Dampfer feierlich an den Norddeutschen Lloyd übergeben, an 16. Juli begann die Jungfernfahrt von Bremerhaven nach New York. Was für ein Triumph!
Das Schiff mit der Baunummer 872 war 286,10 bzw. 276 Meter lang und 31,10 Meter breit. Der Entwurfstiefgang lag bei 9,7 Metern, max. 10,32 Meter, die Vermessung wurde mit 51.656 BRT angegeben; ab 1939 51.731 BRT. Als Geschwindigkeit wurden 27 bis 29 Knoten (50-53,7 km/h) bei einer Leistung von 87.000 PS (62 MW) bis zur größten an der Welle gemessenen Nutzleistung, 135.000 PS (99 MW) erreicht. Bei der See-Erprobung wurde angeblich kurzzeitig eine Spitzengeschwindigkeit von 32 kn erzielt. Den Seefahrern hoben sich die Schiffermützen hoch, die Flagge des Deutschen Reiches wehte heftig.
Insgesamt war Platz für 2228 Personen, davon 811 in der Ersten Klasse, 500 in der Zweiten, 399 in der Touristenklasse und 617 Passagiere in der Dritten Klasse. Die Mannschaft an Bord bestand aus 966 bis zu 1000 Besatzungsmitgliedern.
Die Kessel- und Maschinenanlage war von Gustav Bauer geplant worden, der sich u.a. durch die „Bauer-Wach“-Abdampfturbine einen Namen gemacht hatte. Die vier Kesselräume waren atmosphärisch geschlossen, so dass die Verbrennungsluft für die Ölbrenner der Kessel durch acht Dampfturbinengebläse in die Kesselräume geblasen wurde, die folglich unter Überdruck standen und nur durch Druckschleusen zugänglich waren. Installiert wurden zur Dampfbereitung 20 ölgefeuerte Wasserrohr-Dampfkessel, elf Doppelender und neun Einender in vier Gruppen mit insgesamt 227 Ölbrennern. Die Dampfspannung betrug 23 atü bei einer Dampftemperatur von 370 °C am Überhitzeaustritt. In den Häfen standen drei Kessel mit eigenem Gebläse zur Verfügung, so dass die Schleusen für notwendige Arbeiten in den Kesselräumen offen bleiben konnten. Das Speisewasser ließ sich auf 130 °C vorwärmen. Jeden Tag wurden pro Stunde 33 Tonnen Heizöl verbraucht, etwa 800 Tonnen täglich. 7552 Tonnen Öl waren im Schiffsbauch gebunkert. Den Strombedarf deckten vier Generatoren, die von Dieselmotoren angetrieben wurden. Das Schiff, dessen beiden Schornsteine 1930 um fünf Meter erhöht wurden, hatte 420 Elektromotoren, 21.000 Glühlampen, 20 Aufzüge und elektrische Kochherde an Bord.
Das Schwesterschiff der Bremen, die Europa, gehörte bereits zu den modernsten Schnelldampfern der Welt. Die technischen Maßstäbe waren hoch, Komfort und Luxus galten als einmalig, und um das Ganze in Betrieb zuhalten, waren allein im technischen Bereich 170 Mitarbeiter in abwechselndem Dauereinsatz, rund 30 davon waren erfahrene Schiffsingenieure. Beide Schiffe hatten auf dem oberen Deck zwischen den beiden Schornsteinen ein Katapult für ein Wasserflugzeug, damit konnte die Postbeförderung zügiger bedient werden. Erst hatte sie die einzig je gebaute Heinkel HE 12 auf dem Oberdeck, am 5. Oktober 1931 kam es zu einem Unglück, bei dem die Flugzeug-Besatzung zu Tode kam. Die Bremen erhielt die nächste einzig je gebaute Heinkel HE 58, sie war zuvor auf der Europa im Einsatz. Ab 1933 bis 1935 war eine Junkers Ju 46 im Dienst.
Die Bremen hatte Pech, sie geriet in die Zeit der Weltwirtschaftskrise, die Passagierzahlen schrumpften. Erst nach der antisemitischen „Reichskristallnacht“ im November 1938 kam es zu einem leichten wirtschaftlichen Aufschwung. Jüdische Passagiere verließen als Auswanderer ein Deutschland, das ihre deutsch-jüdischen Bürger drangsalierte. 40 Prozent sämtlicher Passagierplätze des Norddeutschen Lloyd wurden 1938/39 von Emigranten jüdischer Herkunft belegt.
1930 hatte die Bremen das Blaue Band an ihr Schwesterschiff Europa abgeben müssen, 1933 holte sie es sich zurück. 1935 wurde das neue französische Großschiff Normandie zum Bandträger. Dennoch blieb die Bremen ein von Passagieren geschätztes Schiff, im Februar 1939 umrundete es Südamerika, im August begann ihre letzte Reise nach New York. 190 Rundreisen hatte die Bremen in zehn Jahren hinter sich gebracht.
Zu Kriegsbeginn im September 1939 konnte die Bremen noch Passagiere nach New York bringen, auf Bitte der Briten wurde sie dort festgehalten. Nach Waffendurchsuchung und 36 Stunden Ausharren ließen die Amerikaner das Schiff auslaufen. Es war genötigt, den sowjetischen Hafen Murmansk anzulaufen, dort war es drei Monate festgesetzt. Danach ließ man es auslaufen, im Dezember war es auf Kurs nach Wesermünde. Man hatte sich dem Winter mit seinen Nebeln angepasst, das Schiff hatte einen grauen Tarnanstrich erhalten, um nicht von britischen Schiffen aus entdeckt und beschossen zu werden. Aus Wesermünde gelangte die Bremen nach Hamburg und wurde – wie die Europa – zum Truppentransporter für die Operation „Seelöwe“ umgebaut.
Am 16. März 1941 kam es zu einem Feuerausbruch. Es musste in bremischen Gewässern geflutet und auf Grund gesetzt werden. Der 17 Jahre alte Schiffsjunge Gustav Schmidt gab an, dass Feuer gelegt zu haben, ein Racheakt, weil ein Vorgesetzter ihn geohrfeigt hatte. Der Junge wurde zum Tode verurteilt, die Hinrichtung erfolgte sofort. Zwischenzeitlich war nicht mehr klar, ob Schmidt das Feuer gelegt hatte. Es kam nicht zu einem völligen Ausbrennen. Am 10. Oktober 1941 wurde das Schiff in Wesermünde am Kaiserdock II eingedockt, eine Schadensbesichtigung fand statt, Gegenstände der Einrichtung wurden ausgebaut und eingelagert. Die Bremen war heruntergekommen und wurde allmählich verschrottet. Das dauerte bis 1946, dann wurden die restlichen Doppelbodensektionen des Schiffes ans Nordufer der Weser gegenüber von Nordenham verschleppt und dort versenkt. Bei Ebbe sind auf einer Sandbank bei Blexen manchmal bis heute noch Bodenplanken und andere Teile der Bremen zu sehen.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer