Links überspringen

Es war Liebe

Die Cunard Countess war ein beliebtes Kreuzfahrtschiff, vor allem in der Karibik. Eigentümerwechsel und Feuer bestimmten ihr Ende.

Robert Knowles war Schiffsfotograf. Der gebürtige Brite lichtete in den 1970er Jahren an Bord vieler Kreuzfahrtschiffe Tausende Passagiere ab. Aber 1979, als er auf der Cunard Countess arbeitete, die sich von New York kommend in Richtung Karibik bewegte, traf ihn fast der Schlag, als er auf einmal Marianna Pennucci im Fokus hatte.

So etwas gibt es. Zwei Menschen sehen sich zum ersten Mal, kennen sich gar nicht, wissen aber schon, dass sie sich lieben werden. Marianna war 32 Jahre alt und Assistentin in einer Verwaltungsbehörde, Robert 27. In wenigen Tages würde 1980 beginnen. Der US-Fernsehsender CNN hat diese Story gesendet.

Genau bedacht, waren allerdings die Umstände dieser Begegnung nicht optimal. Der Fotograf begab sich von einem Kreuzfahrtschiff zum anderen. Gerade hatte er eine Atlantiküberfahrt auf der Queen Elizabeth 2, Cunards Flaggschiff, absolviert, und nach Ankunft in New York war er gleich auf die „Gräfin“ gewechselt. Marianna war beeindruckt von der Lackierung des eleganten Schiffes, dem Design und dem traditionellen Service. Sie war im Urlaub, als der Mann mit der Nikon-Kamera und den Filmrollen vor ihr stand. Er würde die Arbeit fortsetzen und viel auf Schiffen unterwegs sein. Was nun?

Am Silvestertag gab es nachts eine laute Party, die beiden stießen an. „Er lächelte mich an und es gab sofort eine Verbindung“, erinnert sich Marianna mehr als 40 Jahre später. Robert ging mit ihr zum Essen, auf einer der Karibikinseln mietete er ein Auto und chauffierte seine Schöne übers Eiland. Sie unterhielten sich, bald schon über ein gemeinsames Leben. Es war eigentlich nicht erwünscht, dass Mitglieder der Besatzung mit Passagieren anbändelten, aber Robert war freier Fotograf. Würde die Beziehung eine Chance haben? Marianna ging am Ausstiegsort Puerto Rico von Bord und flog zurück nach New York. Robert schaute ihr hinterher.

Der Brite ließ nicht locker, er rief sie sogar auf ihrer Arbeitsstelle an und fragte, ob er sie in Manhattan besuchen dürfe. Marianna sagte sofort zu. „Es war von Anfang gut“, sagt sie. „Es fühlte sich sofort richtig an“, erklärt er. Im März 1980 zog er mit seinen Papieren und Sachen ganz nach New York. Er fand Arbeit als Fotograf in der Stadt. Innerhalb eines Jahres heirateten sie, Robert wurde US-Bürger und 1986 kam ihre Tochter Kate zur Welt.

Die Reise auf der Cunard Countess war kurz gewesen, nur sieben Tage, hat aber zwei Menschen für ihr ganzes restliches Leben zusammengebracht, wie sie bestätigen.

Der Bau des ursprünglich von den amerikanischen MGM-Studios bestellten Schiffes erfolgte auf der Werft Burmeister & Wain in Kopenhagen, am 20. September 1974 lief es für die Cunard Line, die den Baukontrakt noch vor Fertigstellung übernommen hatte, vom Stapel. Es wurde am 21. Mai 1975 an die Reederei übergeben und kam unter britischer Flagge in Fahrt, war speziell für Kreuzfahrten in der Karibik bestimmt, und der Heimathafen war Southampton. Ab 28. Mai 1975 erhielt die Cunard Countess in La Spezia an der INMA-Werft am Ligurischen Meer den letzten Schliff und wurde nach den Wünschen des Auftraggebers endausgerüstet.

Von 1976 bis 1996 war sie in der Karibik im Einsatz. Von Anfang an war sie bekannt und beliebt bei nordamerikanischen und britisch-europäischen Passagieren. Sie galt lange als der Hit im Karibikgeschäft im 4-Sterne-Premium-Stil. Getauft wurde das Schiff in San Juan von Janet Armstrong, der Frau des Astronauten Neil Armstrong, der als erster Mensch den Mond betrat. Sie begleitete das Schiff auf seiner Jungfernfahrt von Barcelona nach Antigua.

Ein knappes Jahr fiel die Cunard Countess allerdings aus für Touren in die warme Region. Im Oktober 1982 charterte das britische Verteidigungsministerium das Schiff und wandelte es zum Truppentransporter um, es brachte Soldaten in den Falklandkrieg gegen Argentinien. Die Briten waren am Ende Sieger des seltsamen und unnötigen Krieges. Aber als das Schiff im April 1983 an Cunard zurückgeliefert wurde, musste es gründlich überholt werden. Das erfolgte bei den Malta Shipyards.

Rückblickend war es gut, dass der Ozeankreuzer zwischen Ascension Island und den Falklandinseln unterwegs war. Er beförderte traumatisierte Menschen, darunter Familien mit Kindern, die in den Konflikt mit hineingezogen wurden und Angehörige oder Freunde verloren hatten. Das Personal half mit, Gedenkfeiern auf See und Land zu organisieren.

Die Indienststellung der bei der B&W-Werft in Kopenhagen als Bau-Nr. 858 erstellten Cunard Countess erfolgte am 14. August 1976. Das Schiff war 164,9 Meter lang, 23,2 Meter breit und der Tiefgang lag bei maximal 5,8 Metern. Vermessen wurde es mit 16.852 BRZ (7787 NRZ). Die Maschinenanlage bestand aus vier B&W-Dieselmotoren mit einer Leistung von 15.444 kW (23.998 PS). Über zwei Verstellpropeller wurde eine Geschwindigkeit von max. 21,5 kn erreicht. Die Besatzung bestand aus 350 Personen, etwa 800 Passagiere konnten an Bord genommen werden.

Foto: Frank Behling

Was Passagieren gefiel, das war die Ausstattung der „Gräfin“. Sie war zeitgemäß eingerichtet und so gebaut, dass sie mit abwechslungsreicher Unterhaltung bespielt werden konnte. Die sieben Passagier-Decks waren ausreichend groß. Das Oberdeck galt als Sonnenterrasse, das äußere Bootsdeck und das hintere Lido-Deck waren traditionell mit Teakholz ausgelegt. Später, als das Schiff Ocean Countess hieß, wurden alle 400 Kabinen vollklimatisiert. Neben den Standardkabinen gab es Deluxe-Suiten.

Den guten Jahren folgten schwierige Jahre nach. Das Schiff musste die Cunard Line verlassen. Am 26. Oktober 1996 wurde es an die Awani Cruise Line verkauft und in Awani Dream 2 umbenannt. Sie ging jetzt unter der Flagge der Bahamas auf Fahrt, Heimathafen war Nassau.

1998 übernahm Royal Olympic Cruises das Schiff und benannte es in Olympic Countess um. Jetzt wehte die Flagge Griechenlands am Heck, Heimathafen war Piräus. Am 21. Januar 2000 fiel auf der Fahrt von Málaga nach Barbados der Strom aus, das Schiff wurde nach Málaga geschleppt und anschliessend in Griechenland repariert.

Im April 2002 kam es nach einer Auseinandersetzung mit dem International Olympic Committee über die Namensrechte für die Bezeichnung Olympic wieder zu einer Umbenennung, das Schiff hieß nun Olympia Countess. Und weil die entsprechend auch in Royal Olympia Cruises umbenannte Reederei 2004 weder die Zahlungen für ihre beiden bei Blohm + Voss in Hamburg bestellten Neubauten Olympia Voyager und Olympia Explorer, noch die Schulden für eine Arrestierung in Durban begleichen konnte und für bankrott erklärt wurde, musste die Olympia Countess am 29. Januar 2004 zwangsversteigert werden. Das Schiff ging an Maximus Navigation Ltd. in Piräus.

Foto: Jürgen Saupe

Am 8. März 2004 wurde das Schiff zur Ocean Countess. Es wechselte am 3. August des gleichen Jahres unter die portugiesische Flagge, Heimathafen war Madeira. Ab November 2005 wurde es als Lili Marleen von Holiday Kreuzfahrten gechartert. Im September 2006 ging die Reederei in Bankrott, das Schiff wurde im Oktober 2006 in Piräus aufgelegt.

Im November 2006 bekam es den Namen Ocean Countess zurück, wurde zunächst in Eleusis Bay, aber ab Dezember wieder in Piräus aufgelegt.

Foto: Sammlung JSA

Ab Mai 2007 charterte Louis Cruise Line das Schiff, nannte es Ruby und setzte es zwischen den griechischen Inseln ein. Im Dezember 2007 stand wieder Ocean Countess am Rumpf. 2009 charterte es Quail Cruises und von November bis 2012 Cruise & Maritime Voyages das Schiff. Am 30. November 2013 brach in Chalkis an Bord des Schiffes ein Feuer aus, das Schiff brannte vollständig aus. Im März 2014 wurde es an eine Abwrackwerft im türkischen Aliaga verschleppt und verschrottet.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer


Der bekannte Schiffstester Douglas Ward (Berlitz Guide „Cruising and Cruise Ships“) arbeitete in den späten 70er und Anfang 80er Jahren auf der Cunard Countess u.a. als Cruise Director. In einem Gespräch mit „an Bord“ erinnert er sich an diese Zeit.

Douglas Ward. Foto: enapress.com

„Die Countess war ein casual ship, es ging lässig und ungezwungen zu. In der Karibik hatten wir zwei Routen, die sich im Wochenrhythmus abwechselten, einmal die westliche, dann die östliche. Unter den Passagieren waren auch etliche Leute aus der Fernsehbranche, die einfach mal abhängen wollten. Zu den Highlights der Reisen gehörten damals die Fashion-Shows von lokalen Designern, die an Bord kamen. Es waren zugleich Charity-Veranstaltungen. Und wir hatten immer wieder Probleme mit den Überbuchungen – dann mussten die Offiziere ihre Einzelkabinen aufgeben und mit anderen Kollegen zusammenziehen.

Die Besatzung hatte in diesen Zeiten unterschiedliche Freizeitaktivitäten. Ich erinnere mich an Lifeboat-Ruder-Rennen der Besatzung verschiedener Schiffe in St. Thomas. Ich war einmal einer der Bootsführer – mit neuen Crewmitgliedern aus China, die kaum Englisch sprachen. Gewonnen haben wir logischerweise nicht. Aber es gab auch Fußballspiele zwischen den Crews verschiedener Cruiselines, meist Cunard gegen ein Norwegian-Caribbean-Team.

Als Cruise Director hatte ich auch die Verantwortung für die Mitarbeiter vom Entertainment-Bereich. Eines Tages stieg ein Pianist ein, der schon etliche Konzerte gegeben hatte und offensichtlich einen entsprechenden Konzertflügel erwartet hat. An Bord gab es aber nur ein normales Klavier. Er war unglaublich enttäuscht. Da hatte ich die Idee, das alte Klavier komplett mit weißer Kunststofffolie zu verkleiden. Wir haben die ganze Nacht vor dem ersten Konzert daran gearbeitet, aber ich fand, es sah furchtbar aus. Trotzdem erkannte der Pianist unsere Geste und hat wunderschön gespielt. Mit der richtigen Scheinwerferbeleuchtung sah man auch die Ecken und Klebestellen nicht mehr. Die Folie hieß Fablon, das Klavier ging dann als „Fabolini-Piano“ in die Geschichte der Cunard Countess ein. Das sind Geschichten, die man nur auf Schiffen erlebt.

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir im Oktober 1983 die amerikanische Invasion auf Grenada, wo wir jeden zweiten Dienstag waren. Wir mussten die Star Dust-Lounge auf Deck 5 komplett umfunktionieren in einen Behelfsschlafsaal für amerikanische Studenten einer Medizin-Schule. Die Invasion „Urgent Fury“ ging aber so schnell vorüber, dass wir die Studenten gar nicht an Bord nehmen mussten.

Aufgezeichnet von Michael Wolf