„Google Maps“ für eine grüne und sichere Schifffahrt
Havarien und Kollisionen in küstennahen Gewässern und Revieren bergen ein großes Schadenspotential für Umwelt und Menschen. Hier passieren die meisten Unfälle, weil es wenig Platz zum Manövrieren und viele Schiffe auf engem Raum gibt. Anders als im Straßen- und Luftverkehr kann in der Schifffahrt nicht immer auf eine entsprechende Infrastruktur für die mobile Datenübertragung zurückgegriffen werden.
Während im Straßenverkehr das Navigationssystem über Staus und Unfälle informiert sowie alternative Fahrstrecken anbietet, haben Schiffe nach Angaben der Jade Hochschule haben bisher keine Breitband Internetverbindung, da sie größtenteils außerhalb der Reichweite von Mobilfunk-Sendemasten fahren und die Kommunikation über Satelliten teuer ist. Eine einmal geplante Route müsse aber in bestimmten Fällen korrigiert werden, wenn sich z. B. die Wetterlage ändert oder mehrere Schiffe eine Route nutzen. Ist man mit dem Auto unterwegs, informiert das Navigationssystem über Unfälle und Staus und bietet alternative Fahrstrecken an. Nun soll eine bessere Kommunikation und Automation dazu beitragen, dass auch in der Schifffahrt Lagebilder des Verkehrs synchron an Bord der beteiligten Schiffe und in den Verkehrszentralen erzeugt werden können.
Dazu werde im Rahmen des Forschungsprojektes greenCoPilot ein System zur Wegplanung von Schiffen aufgebaut. Mithilfe mehrerer Prototypen kann das Verfahren parallel an Bord, in der Einsatzzentrale am Campus Elsfleth und auch in einer Verkehrszentrale unter nautischer Expertise erprobt werden.
Der Kerngedanke des Vorhabens greenCoPilot bestehe darin, die Wegplanung und Manövrierdaten des Schiffes an die Verkehrszentrale zu verteilen. Diese kann dann auf Basis der Manövrierdaten des Schiffes eine neue Wegplanung vorschlagen. Der Nautiker an Bord behält dabei die Verantwortung, indem er die Vorschläge von der Verkehrszentrale übernimmt oder ablehnt. Die Entscheidung, welche Route am Ende gefahren wird, trifft das nautische Fachpersonal an Bord des Schiffes.
Für den Versuchsaufbau wird ein eigens entwickeltes System genutzt. Darüber erhält die Verkehrszentrale Kenntnis vom Fahrweg des Schiffes und dessen Manövrierdaten. Durch diesen Versuchsaufbau wird es möglich, dass der diensthabende Nautiker einer Verkehrszentrale mit Kenntnis der Manövrierdaten Änderungen an der Route vornimmt und diese als Vorschlag an das Schiff zurücksendet. Dann kann der Kapitän entscheiden, ob er die Änderungen akzeptiert oder nicht. Die geänderte Wegplanung kann künftig direkt auf den Autopiloten geschaltet werden. Entsprechend wird das Lagebild wieder synchronisiert. „Green“ ist das Projekt deswegen, da der Austausch der geplanten Routen und Manövriermöglichkeiten unter anderem dabei hilft, den Treibstoffverbrauch zu reduzieren oder Blackshipping, also den Schaden an der Umwelt, durch eine Havarie, zu verhindern.
Um das Routenaustauschsystem unter realen Bedingungen auf einem Schiff zu erproben, absolvierte kürzlich Prof. Dr.-Ing. Christian Denker mit drei Forschern Bord des Elsflether Segelschulschiffes Grossherzogin Elisabeth eine erste Testfahrt auf der Weser. Weitere Teammitglieder arbeiteten währenddessen an Land und übernahmen die Rolle der Verkehrszentrale. „Die Kooperation und das Feedback mit erfahrenen Nautikern an Bord während des Routenaustauschs ist ein wichtiger Bestandteil zur Erprobung und Verbesserung des Systems“, betont Denker, der erst im März vorigen Jahres von der Jade Hochschule auf eine Professur für „Technische Navigations und Assistenzsysteme in der Schiffsführung“ an den Fachbereich Seefahrt und Logistik (Studienort Elsfleth) berufen worden war. Mit der Unterstützung von Kapitän Sebastian Rehkugel und Freiwilligen an Bord des vor 112 Jahren vom Stapel gelaufenen Dreimast-Gaffelschoners Grossherzogin Elisabeth sei dies während der Tagesfahrt auf der Weser reibungslos gelungen, so sein Resümee.
Wenn zukünftig der Routenaustausch in Echtzeit mithilfe eines nautischen Assistenzsystems etabliert werden kann, stünden mit diesem System robuste und erprobte Lösungen zur Verfügung, bei der ein Mensch jederzeit eingreifen kann, während ein Computer das Schiff routinemäßig fährt. Somit stelle das greenCoPilot-Projekt zugleich einen wesentlichen Baustein auf dem Weg zur autonomen Schifffahrt dar. JPM