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Futuristischer Auftritt

Die britische Canberra war als Passagierschiff für den Linienverkehr nach Australien bestimmt, das größte seiner Art und das letzte der P&O-Orient Line. Aber es wurde auch anderswo gebraucht.

Broschüre zum Jungfernfahrt des Schiffes. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Es sollte als „Schiff für Heute“ das „Schiff von morgen“ sein. Riesig waren seine Dimensionen, es stand für maritime Größe und Luxus noch dazu. Es beeindruckte durch technische Besonderheiten und pure Schönheit, nach dem Willen der Schöpfer sollte es perfekt, brillant und unübertroffen sein. Der Anblick dieses Großdampfers war wie ein gigantischer, glänzender Wal, der sich aus dem Wasser erhob und den zuvor noch niemand so majestätisch gesehen hatte. Später, als das Schiff von Soldaten gebraucht wurde, nannten sie es den „Großen Weißen Wal“.

Den Agenten 007 kennt jeder:
Die CANBERRA war neben Sean Connery (spielte James Bond) einer der Hauptdarsteller in „Diamonds are Forever“.
Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Das Design war radikal neu, geprägt von futuristischer Eleganz und mit dem größten vollständig geschweißten Aufbau aller bisher gebauten Schiffe. Ein Triumph des architektonischen Entwurfs und seiner Umsetzung durch grandiose Handwerkskunst. Nicht umsonst sprachen die P&O-Eigner nicht von ihrem Schiff, sondern vom Canberra-Projekt. So war es logisch, dass der Dampfer auch zum Filmstar wurde: 1971 kämpfte und siegte Sean Connery als James Bond im Film „Diamonds are Forever“, Millionen Zuschauer haben das Schiff kennen gelernt.

1962 hatte der Schiffsarchitekt John West im Alter von erst 35 Jahren als erster die Prince-Philip-Medaille für außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen erhalten. Mehr als vier Jahre lang war er Chef des ambitionierten Projektes, vom 20. Dezember 1956 an bis zum Stapellauf am 16. März 1960 und der Indienststellung am 2. Juni 1961. Es war der ultimative Schiffsneubau in dieser Zeit, mit großen Decksflächen und einem modernen Aussehen, auf das allergrößter Wert gelegt wurde.


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Der Newcomer der P&O-Orient Line wurde auf der irischen Werft Harland & Wolff in Belfast gebaut, der am 20. Dezember 1956 bestellte Neubau wurde am 23. September 1959 als Baunummer 1621 auf Kiel gelegt. Fast ein halbes Jahr später wurde über die Namensgebung entschieden, die Briten taten das auf sensible Art. Als die auf den Namen der australischen Hauptstadt zu taufende Canberra am 16. März vom Stapel lief, fungierte als Taufpatin Pattie Menzies, die Ehefrau des damaligen australischen Premierministers Robert Menzies, der seit 1949 das Land regierte und populär war. Nach seinem Stapellauf wurde der Kasko zur Thompson Wharf verschleppt, wo im finalen Arbeitsakt die noch fehlenden obersten Aufbauteile, Schornsteine und Masten, darunter auch der für das Unterfahren der Harbour Bridge in Sydney klappbare Signalmast, aufgesetzt wurden und die Ausstattung erfolgte; das dauerte bis April 1961.

Nap time an Deck Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Auf den Probefahrten im Hafen von Belfast kam es zu einer unangenehmen Überraschung: Das Schiff war hecklastig, die Maschinenanlage im Heck war zu schwer. Deshalb mussten mehrere Tonnen Ballast im Vorschiff der Canberra installiert werden, kein erfreuliches Omen.

Die Baukosten für das Schiff mit dem kühn geschwungenen Außenkostüm wurden mit 17 Millionen britischen Pfund beziffert, es fuhr unter der Flagge des Vereinigten Königreichs, sein Heimathafen war London. Der Riesenkreuzer war 249,48 Meter lang und 31,25 Meter breit, der Tiefgang lag bei 9,97 Metern. Vermessen wurde die Canberra mit 45.270 BRT bzw. 23.968 NRT, die Tragfähigkeit wurde mit 9910 tdw angegeben. Der Antrieb erfolgte turboelektrisch über zwei Dampfturbinen. Das war sehr fortschrittlich, denn die Turbinen trieben zwei Wechselstromgeneratoren mit einer Leistung von je 32200 kW an. Die erzeugte elektrische Energie leitete man an die beiden luftgekühlten AEI-Elektromotoren weiter, die mit je 31700 kW über zwei Wellen auf die daran montierten vierflügeligen Festpropeller arbeiteten. Damit war die Canberra der erste britische Passagierliner, der Wechselstrom für den Antrieb nutzte. Die Probefahrtsgeschwindigkeit des mit Wulstbug und Bugstrahlruder ausgestatteten Schiffes lag bei 29,27 kn (54,2 km/h) und die Dienstgeschwindigkeit bei 27,5 kn (51 km/h), sie wurde 1973 auf 23,5 kn reduziert.

Die Besatzung wurde mit 500 Mitarbeitern angegeben, die Passagierzahl mit 1735 für die Touristenklasse und 556 Personen in der 1. Klasse. Die P&O-Orient Line reklamierte den Einsatz der Canberra als Großbritannien-Australien-Dienst, deshalb wurden durch sie zwei ältere und kleinere Vorkriegs-Schiffe ersetzt. Sie trugen die Namen Strathnaver (Baujahr: 1931) und Strathaird (1932) und wurden nach der Indienststellung der Canberra zum Abbruch verkauft.

Blick in den „Pacific Dining Room“ der 1. Klasse. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Das größte Schiff, das nicht auf der Nordatlantik-Route eingesetzt wurde, war komfortabel ausgestattet. Alle Kabinen der Ersten Klasse waren klimatisiert, es gab auf den oberen Decks vier Suiten mit privater Veranda. In den öffentlichen Räumen der Oberklasse waren der Speisesaal mit 320 Sitzplätzen und eine Lounge namens „Meridian Room“ integriert. Die Lounge befand sich im Mittelpunkt des Schiffes, von dort aus war die klassische Bibliothek und die „Century Bar“ zu erreichen. Eine weiße Wendeltreppe führte über drei Decks hinauf in die Panoramalounge, die „Crow’s Nest“ (Krähennest) genannt wurde. Am Fuß des Schornsteins befand sich das Pooldeck, nahebei der „Bonito Club“ mit einer Tanzfläche, die gläsern überdacht war.

Die Touristenklasse besaß eine Showlounge mit 600 Sitzplätzen, sie konnte als Theater genutzt werden. Im bordeigenen Kino, das beiden Klassen zugänglich war, standen 340 Sitzplätze parat. Der „William Fawcett Room“ war die Lounge, zu der eine Bibliothek und ein Schreibzimmer gehörten. Das Game Deck bestand aus zwei kleineren Pools auf dem Lidodeck im Heckbereich der Canberra. Nach dem Umbau des Dampfers 1973 zum Kreuzfahrtschiff, bei dem sich die Vermessung auf zuletzt 49073 BRT erhöhte, wurde zeitgeistmäßig eine Disco mit dem Namen „Island Room“ und ein großes Spielzimmer mit Kinderbetreuung eingeklinkt. Der Speisesaal der Ersten Klasse wurde in „Pacific Restaurant“ umbenannt. Gleichzeitig wurde 1973 die Trennung der Klassen auf dem Schiff aufgehoben.

Delxue-Kabine der 1. Klasse.
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Mit Katze und Pirat illustriert: Das Sportangebot für die Kinder.
Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Als sich die Luftfahrt als Transportgeschäft in den 1970er Jahren massiv verstärkte, wollten immer weniger Passagiere über Wochen mit dem Schiff reisen, man konnte in etwas mehr als 20 Stunden per Flug sein Ziel erreichen. Die Canberra konnte mit dem Konkurrenz in den Lüften auf dem Meer nicht mithalten. Dazu kam, dass die Zahl der Auswanderer nach Australien schrumpfte und der Suez-Kanal geschlossen war, so dass der Weg über das Kap der Guten Hoffnung noch zeitintensiver war.

Ab 1972 kämpfte P&O gegen Verluste, die sich immer weiter anhäuften, so dass die Reederei den Dienstbetrieb aufgeben wollte und das Schiff für 600.000 Pfund zum Abwracken anbot. Erstaunlich für ein erst elf Jahre altes Schiff, das dann 1974 doch noch modernisiert und zum Kreuzfahrtschiff umfunktioniert wurde.

Reinigungsarbeiten am Schiffsschornstein.
Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Die „Rettung“ war schließlich der Beginn des absurden Falklandkrieges. Die britische Regierung beschlagnahmte am 9. April 1982 das Schiff und erklärte es zum Truppentransporter, um Kampftruppen in den Südatlantik zu bringen. Fernsehbilder zeigten immer wieder begeisterte Wehrertüchtigte. Erstmals gab es Bilder der BBC in ihren Nachrichten, auf denen Frauen am Kai ihre Brüste entblößten, um ihren Partnern zu zeigen, sie mögen gesund zurückkommen. Die Canberra wurde kein einziges Mal von den argentinischen Flugpiloten angegriffen, während britische Fregatten unter Beschuss gerieten. Nach Kriegsende wurden argentinische Soldaten von der Canberra aufs Festland ihrer Heimat zurückgebracht.

Ingenieur im Kesselraum.
Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Die CANBERRA auf dem Strand der Abwracker. Foto: Sammlung JSA

Das nun äußerst populäre Schiff sollte nach der Sanierung wieder ins Kreuzfahrtgeschäft zurückkehren, was zunächst funktionierte. Doch ein Störfaktor waren die hohen Unterhaltskosten, die Canberra war nicht mehr rentabel. Im Oktober 1997 wurde sie ausgemustert und nach Gadani in Pakistan gebracht. Nicht zuletzt durch die stabile Bauweise des Schiffes dauerte das Abwracken mehr als ein Jahr. P&O hatte zuvor zwei Wochen lang Kunsthändler aufs Schiff gebracht, Möblierung, Bilder und sogar Hinterlassenschaften des „Manhiki War Canoe“ konnten gerettet werden.

P&O Heritage widmet der CANBERRA eine eigene Foto-Kollektion. Die Aufnahmen können hier eingesehen werden.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer


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