Lars Clasen, CEO Cruise Saudi, sprach mit Michael Wolf über die Entwicklung des Kreuzfahrtmarktes Saudi-Arabien und die eigene Cruise Line.
Wie viele Punkte der Agenda von Cruise Saudi sind bis heute bereits realisiert worden? Und welche Meilensteine werden im maritimen Tourismus folgen?
Von dem, was wir vorhaben, sind es im Wesentlichen zwei Bereiche. Zum einen die Destination Experiences. Da haben wir drei Häfen, die bereits aktiv sind: Jeddah, Yanbu und Dammam. Dort konnten wir in den letzten Jahren schon Schiffe empfangen mit insgesamt 370.000 Passagieren in den drei Häfen. Wir haben das Ziel, bis 2030 insgesamt zehn Häfen zu entwickeln.
Zu entwickeln oder auch operationell in Dienst zu stellen?
In Dienst zu stellen und zu betreiben.
Neben den drei operativen Häfen haben wir derzeit vier weitere in Entwicklung, bei denen wir in der frühen Phase des Master Planning sind. Konkret hoffen wir, dass wir in wenigen Jahren den Kreuzfahrtgästen al-Wadschh – was das Gateway für die UNESCO Weltkulturerbe-Stätte al-ʿUla ist – sowie Private Island und Private Beach Locations, für Kreuzfahrtgäste, die nicht nur die Altstadt oder die Natur, sondern auch das schöne Rote Meer kennenlernen wollen, anbieten können.
Wir lassen uns in der Entwicklung von den aktuellen politischen Ereignissen erstmal nicht aufhalten und hoffen, wenn wir dann am Start sind, dass sich die Situation beruhigt hat und die Kreuzfahrtreedereien auch wiederkommen.
Neben den vier Häfen, die wir in Entwicklung haben, befinden sich drei weitere in der längeren Pipeline. Aber bis 2030 steht nach wie vor das Ziel, unsere zehn Häfen operativ zu haben.
Welche Projekte sind derzeitig 100%ig umgesetzt?
Im Grunde die drei Häfen. Wirklich aktiv umgesetzt mit Umsätzen, also mit entsprechenden Einnahmen. Mitten in der Umsetzung ist Aroya, die erste arabische Kreuzfahrtlinie. Da wollen wir Ende des Jahres loslegen und das Schiff in Dienst stellen.
Kann man in etwa sagen, wie viele Reisende im letzten Jahr Saudi-Arabien besucht haben? Und ob sich das im Rahmen von Kreuzfahrten proportional auch zu Buche schlägt?
Das ausgegebene Ziel der Vision 2030 mit 100 Millionen Touristen pro Jahr ist letztes Jahr erreicht worden. Das ist ein deutlicher Meilenstein. Das neu gesetzte Ziel sind 150 Millionen bis 2030.
Im allgemeinen Tourismus hat sich die geopolitische Situation nicht so niedergeschlagen, wie in der Kreuzschifffahrt. Dort hat es natürlich zu Absagen von Reisen geführt, die wir dann folglich in den Passagierzahlen merken.
Gibt es weitere Zahlen, die den reinen Anteil des maritimen Tourismus betreffen?
Im Moment können wir dazu keine Zahlen kommunizieren.
Aber es gibt insgesamt bisher 370.000 Passagiere, die wir empfangen haben. In der Wintersaison 22/23 waren es knapp 197.000 Passagiere, die wir in den Häfen begrüssen konnten. Diese Saison 23/24 war es weniger, weil die politische Situation, und die daraus resultierenden Versicherungsprämien, die die Kreuzfahrt-Reedereien für das Rote Meer zahlen müssen, dazu geführt haben, dass viele Anläufe abgesagt worden.
Welche Brands sind da führend im Augenblick?
Unser Hauptkunde war lange MSC. Die haben sich aufgrund der derzeitigen Situation zunächst einmal aus dem Roten Meer zurückgezogen.
Sie haben aber langfristig nach wie vor grosses Interesse an der Destination, was sie auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben; andere genauso. Aber es ist im Moment wie es ist.
Haben Sie Erfahrungen sammeln können zu entsprechenden Quellmärkten, die auf solche Cruises gehen?
Wir haben insgesamt Passagiere von 120 Nationen empfangen. Das ist breit gestreut.
Kann man den germanophonen Teil schon einmal bestimmen?
Das hängt sehr von den jeweiligen Reedereien ab. Wir haben einige Anläufe von TUI Cruises gehabt. Da ist es nun nicht schwer zu sagen, das waren viele Deutsche.
Bei MSC ist es aufgrund des Konzeptes von MSC extrem gemischt. So dass ich im Moment gar nicht weiss, welche Nation da wirklich nun oben ansteht. Das ist eine grosse Bandbreite.
Wie viele Kreuzfahrtgesellschaften hatten denn Ihr Angebot angenommen?
Sieben Reedereien. Für diese Saison waren Anläufe von 14 Reedereien geplant, die Hälfte hat abgesagt.
Wir haben ausserdem bereits Schiffe von Fred Olsen, Phoenix Reisen, Silversea, Windstar, Ponant und Norwegian Cruise Line willkommen geheissen – diese decken breitgefächerte Quellmärkte ab.
Es gibt sicher langfristige Planungen die nichts mit den gegenwärtigen geopolitischen Situationen zu tun haben. Gibt es denn schon Ausblicke?
Viele Reedereien haben gesagt, wir warten erstmal ab. Wir führen unsere konkreten Planungen dann fort, wenn die Situation es wieder zulässt.
Einer der Hauptpunkte auf Ihrer Agenda war die Entwicklung der entsprechenden Destination Experiences. Inwieweit sind die fortgeschritten und welchen entsprechenden USP haben sie?
Wir haben in den Häfen natürlich unsere Erfahrungen gesammelt und gesehen, was die Gäste bevorzugen. Wie zum Beispiel die UNESCO World Heritages Sites, die sehr sehr stark nachgefragt sind. Wir haben aber auch gesehen, dass es von Reederei zu Reederei verschieden ist. Bei kleineren, luxuriösen Reedereien haben die Gäste andere Ansprüche als eben bei den grossen Schiffen.
Was wären Beispiele für diese neuen Destinations Experiences?
Für unsere Destinationen fokussieren wir uns auf fünf Säulen. Wir bieten Natur, Kultur, Religion, Fun & Sun und Leisure & Entertainment. An jedem Reiseziel versuchen wir, jedem dieser Bereiche gerecht zu werden.
Besucher Saudi-Arabiens können damit rechnen, die vielfältige Kultur und die abwechslungsreichen Naturlandschaften zu erleben, die Saudi-Arabien zu einem faszinierenden globalen Touristenziel machen, kombiniert mit der Herzlichkeit und Lebendigkeit des saudischen Volkes. Das Land birgt viele unentdeckte Schätze, von kulinarischen Entdeckungen bis hin zur einzigartigen Natur – einschliesslich der wunderschönen Korallenriffe des Roten Meeres beim Schnorcheln oder Tauchen – sowie pulsierender, moderner Städte und farbenfroher, traditioneller Märkte. Saudi-Arabien hat jedem seiner Gäste etwas Einzigartiges zu bieten.
Zum Beispiel unser Shorex-Programm in Jeddah beleuchtet die Geschichte und die Kultur Saudi-Arabiens. Besucher können bei einem Rundgang durch das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende historische Viertel Jeddah eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen, um die einzigartige Hijazi-Architektur zu entdecken und mehr über seine reiche Geschichte als Zwischenstopp für Kaufleute und Händler zu erfahren.
Vom Hafen King Abdulaziz am Arabischen Golf aus können Reisende die angrenzende Stadt Dammam und die Naturoase Al Hasa erkunden – ein Ort von aussergewöhnlicher Schönheit.
Für muslimische Gäste bieten wir dazu noch Trips nach Mekka an, für nicht-muslimische Gäste nach Medina. Dort kommen wir an der Hauptmoschee vorbei. Die Gäste sehen sie von aussen. In der Nähe gibt es ein Museum, in dem sie (die Gäste) Artefakte aus der Moschee anschauen können, wo es Details zur Stadtentwicklung und der Moschee gibt.
Man kann das Produkt jeweils weiter spezialisieren?
Alles ist massgeschneidert für die jeweilige Cruise Line. Jeder Kreuzfahrtlinie werden wir eine andere Erfahrung anbieten, die auf die Interessen und Bedürfnisse der jeweiligen Gäste zugeschnitten ist. Wir bieten ihnen das Basis-Produkt und dann gibt es einen Austausch mit den Repräsentanten der Kreuzfahrtgesellschaft, wie wir das Produkt zusammenstellen können.
Cruise Saudi hat mit der Marke Aroya einen eigenen Brand geschaffen. Wie weit ist der Zeitplan?
Wir sind mitten im Markenlaunch und wollen Ende des Jahres mit dem Schiff unsere erste Kreuzfahrt mit Gästen unternehmen.
Welche sind die einzelnen Schritte, die gemacht werden?
Es ist das, was beim Aufbau jeder neuen Kreuzfahrtreederei stattfindet. Das Team muss zusammengestellt werden, die Routen müssen geplant werden, die Systeme müssen aufgebaut werden. Und das Schiff wird derzeit umgebaut. Es ist ein grosses Projekt und braucht seine Zeit.
Findet die erste Ausfahrt noch im Dezember statt?
Ja, die erste Fahrt der AROYA wird im Dezember 2024 stattfinden. Diese erste Überfahrt führt die Gäste von Jeddah zu einer Privatinsel mit unberührten Stränden, wo sie sich entspannen oder an einer Reihe aufregender Aktivitäten teilnehmen können. Anfang 2025 wird AROYA Cruises seine Kreuzfahrten von Besuchen auf der Privatinsel zu anderen Häfen Saudi-Arabiens, Sharm Al Sheikh und Jordaniens ausweiten, sodass Gäste verschiedene Destinationen der Region besuchen können.
Warum wurde das Schiff von „Manara“ in „Aroya“ umbenannt?
Das Schiff wurde von Manara in AROYA umbenannt, was die beiden Wörter „Arabian“ und „Roya“ für „Traum“ kombiniert und die Vision und Werte des Kreuzfahrtschiffs als erstes Schiff der AROYA Cruises-Flotte widerspiegelt.
„Arabian“ steht dafür, dass AROYA Cruises ein authentisch arabisches Erlebnis bietet und den Gästen ermöglicht, das reiche kulturelle Erbe, die einzigartige Natur und die herzliche Gastfreundschaft des Landes zu erleben. „Roya“ oder „Traum“ spiegelt die erstklassige Qualität der Kreuzfahrtlinie bezüglich Ausstattung und Service wider und bietet Saudis, Auswanderern und Gästen aus der Region eine einzigartige Gelegenheit, die Wunder Saudi-Arabiens vom Meer aus zu erkunden.
AROYA Cruises bietet ein völlig neues Reiseerlebnis, welches so gestaltet und massgeschneidert ist, dass sie die Markenwerte Inspiration, Bereicherung, Grosszügigkeit und Respekt widerspiegelt. Die Kombination der beiden Wörter „Arabian“ und „Roya“ vereint diese Markenwerte in einem Wort und ist ein Synonym für den arabischen Stil, den die Kreuzfahrtlinie präsentieren wird.
Sie wollen mit Aroya Cruises jetzt rein auf den arabischen Kreuzfahrtbereich gehen oder gibt es evtl. auch die Möglichkeit, andere Quellmärkte miteinzubeziehen?
Es ist schon ein Produkt, was sich speziell an arabische Gäste richtet. Quellmarkt soll die arabische Halbinsel; d.h. also Saudi-Arabien und die Golf-Kooperationsstaaten sein. Natürlich auch Jordanien, Ägypten usw.. Es ist ein Produkt für ein arabisches Publikum, was wir da kreieren – natürlich sind alle Gäste willkommen.
Was sind die nächsten Schritte bei der Zusammenarbeit mit Aman at Sea?
Aman at Sea wird voraussichtlich im Jahr 2027 auf den Markt kommen. Während die Luxus-Motoryacht bei T. Mariotti in Italien gebaut wird, arbeiten wir eng mit Aman zusammen, um gemeinsam ein neues, einzigartiges Luxuserlebnis zu gestalten. Wir werden mit der Yacht ausserdem neue Umweltstandards setzen. Als erstes Schiff der Werft mit Dual-Fuel-Antrieb wollen wir Vorreiter bei der Arbeit an einer nachhaltigen Zukunft unserer Branche sein.
Wie gross wird die Serie insgesamt werden?
Das steht noch nicht endgültig fest.
Kinderreiche Familien haben oft Anrecht auf Subventionen…
(lacht) Wir führen das Unternehmen im kommerziellen Stil und haben Gesellschafter, die gerne auch irgendwann auf ihre Investitionen eine Rendite erwarten. Und wir warten auch bei dem Produkt ab, wie die Nachfrage der Buchungen ist und entscheiden dann, wie wir weitermachen.
Fotos/Abbildungen: Cruise Saudi, Frank Behling