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„Gorch Fock“ Endspurt im Marathon

Ein Sturmtief beschleunigte den Zeitplan: Einen Tag früher als geplant wurde am 10. März das Segelschulschiff der deutschen Marine zurück ins Wasser gelassen. Für die Besatzung um Kommandant, Kapitän zur See Nils Brandt, war es ein ungewöhnlicher Programmverlauf. Es wurde etwas im Projekt Schiffsüberholung vorgezogen.

Der 54jährige Kommandant ist nach fast fünf Jahren in der Werft auch voller Vorfreude. „Wir sind wirklich froh, dass es wieder losgeht“, sagte der Kapitän zur See beim letzten Werfttermin bei der Lürssen Werft in Berne.

In Berne war das Schiff seit Oktober 2019 von Mitarbeitern der Lürssen Werft sowie den aus Elsfleth zu Lürssen gewechselten Kräften der ehemaligen Elsflether Werft fertiggestellt worden.

Foto: Frank Behling

Am 10. März kam das Schiff innerhalb von 90 Minuten mit einem Syncrolift zu Wasser. Die erste Reise auf eigenem Kiel mit fast vollständiger Ausrüstung ging danach knapp sechs Kilometer weseraufwärts von Berne zum Lürssen-Stammwerk Lemwerder. Die Schlepper VB Blexen, Greif und VB Brake brachten die Bark nach Lemwerder. Kommandant Brandt stand mit seinen Offizieren dabei die ganze Zeit auf der Brücke.

In Lemwerder startet jetzt der Endspurt. Die Rahen kommen in die Takelage und die Inbetriebnahme der technischen Anlagen sowie des Antriebs erfolgen dort. Ende April soll die erste Probefahrt sein. Danach geht es nach Wilhelmshaven ins Marinearsenal, wo bis Ende Mai die technischen Anlagen sowie die Kommunikationsausrüstung der Bundeswehr installiert werden.

Anfang Juni, so der derzeitige Plan, soll das Segelschulschiff dann wieder in die Kieler Förde einlaufen und an der Tirpitzmole festmachen. „Wir freuen uns alle riesig auf Kiel. Gerade die Kameraden, die aus Kiel kommen, freuen sich darauf, wieder mit dem Fahrrad zum Schiff zu kommen. So lange war das Schiff ja noch nie aus Kiel weg“, sagte Brandt.

Bis dahin sind jetzt die finalen Ausrüstungsarbeiten zu machen. Bei der Lürssen Werft in Lemwerder wird die Takelage komplettiert. Außerdem bereitet sich die Stammbesatzung auf den Einzug vor. Die Ausrüstung der Schiffstechnik ist weitestgehend abgeschlossen.

Sogar die Schiffsglocke glänzt wieder über dem Albatros am Vorschiff, der Galionsfigur. Funkantennen, Typhon und Schiffsschraube sind montiert. Aber auch das Beiboot ist bereits an Bord und das große Steuerrad vor der Kommandobrücke ist fertig.

Foto: Frank Behling

Der Rumpf, die Decks und die Masten sind neu. Von der Substanz der 1958 in Hamburg gebauten Gorch Fock ist laut Kommandant Brandt nur noch ein einstelliger Prozentbereich erhalten geblieben. Brandt hat die Bark mit einem kleinen Kreis der Stammbesatzung durch die gesamte Werftzeit begleitet.

Ablieferungstermin von Lürssen an die Marine ist spätestens am 31. Mai. So will es der seit 2019 gültige Vertrag zwischen Lürssen und dem Bund. Es ist der vorläufige Schlusspunkt dieser Überholung. Für Kommandant Brandt steht aber eins schon fest. „Die Lürssen Werft hat einen wirklich tollen Job gemacht“, so der Kommandant.

Bei Beginn der Werftzeit hatte die Crew in Elsfleth das Wohnschiff Knurrhahn aus Kiel bezogen und von dort alle administrativen Dinge absolviert. Das Wohnschiff war auch Unterkunft für die Besatzung in der wachfreien Zeit.

Die Knurrhahn hat die ganze Zeit in Elsfleth gelegen und wurde erst am 5. März nach Lemwerder geschleppt. Die Lürssen Werft organisierte einen Liegeplatz direkt neben der Gorch Fock.

Warum aber hält die Marine an dem Schiff fest? „Es ist die Form der Ausbildung“, so Brandt. Ein neues Segelschulschiff wäre sicher günstiger gewesen. Aber nach den heutigen Vorschriften dürfte ein Schiff mit dieser Deckseinteilung nicht mehr gebaut werden, so Brandt.

Auf der Gorch Fock sind die Kadetten in Schlaf- und Wohndecks mit Hängematten untergebracht. Jeweils bis zu 20 Frauen und Männer pro Deck. Dort erfolgt während einer Ausbildungsreise auch die Erfahrung von Teamwork. Auch das Lernen, Arbeiten und Wohnen auf engstem Raum ist nur in dieser Decksaufteilung machbar.

Der Verlauf der Werftzeit war in diesem Fall aber ein Drama in drei Akten. Zweimal stand das Schiff 2017 und 2018 vor dem Aus. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte aber jeweils nach langen Beratungen dem Votum der Marine für den Erhalt zugestimmt.

Angefangen hatte alles im Dezember 2015. Die Gorch Fock war für eine normale Instandsetzung zur Elsflether Schiffswerft gegeben worden. Die Werft hatte zuvor den Auftrag im Rahmen einer Ausschreibung gewonnen. Bis Mai 2016 sollte die Bark in Elsfleth und Bremerhaven für zehn Millionen Euro überholt werden.

Das Schiff sollte so zum 60. Dienstjubiläum im Jahr 2018 wieder seeklar sein und auf große Reise nach Amerika und in die Karibik gehen. Daraus wurde bekanntlich nichts. Durch eine Vielzahl an Problemen und Managementfehler explodierten die Kosten erst von 10 auf 35 Millionen. Dann 2017 auf 70 und schließlich auf 135 Millionen Euro.

Es gab Verfahren wegen des Verdachts der Korruption. Eine Seniorenresidenz in Varel und eine Goldmine in der Mongolei spielen bei den Ermittlungen jetzt eine große Rolle. Die Elsflether Werft ging im Verlauf der Ermittlungen 2018 in Insolvenz und wurde 2019 von der Lürssen Werft übernommen.

Nun geht es aber voran. Nach der Überführung nach Kiel will Kommandant Brandt den Juni 2019 zur Einzelausbildung für die Besatzung nutzen. Auch eine Teilnahme an der Kieler Woche Ende Juni ist derzeit geplant.

Am 19. Juli sollen von Kiel aus mit dem Schiff wieder die ersten Kadetten zu einer Ausbildungsreise mit der Gorch Fock auslaufen. Die erste Reise soll über die Ostsee führen. Danach stehen Häfen im „näheren nordeuropäischen Ausland“ auf dem Programm.

Für Kapitän Nils Brandt geht auch eine besondere Phase in die Endphase. Er hatte im Juni 2014 das Kommando über das Schulschiff übernommen. Im Juni ist er sieben Jahre Kommandant, so lange wie kein anderer Offizier vor ihm auf der 1958 gebauten Bark.

Er will das Schiff jetzt noch einfahren und mit der Besatzung die erste Ausbildungsreise absolvieren. Der gebürtige Bremerhavener ist in Kiel aufgewachsen und segelt auch privat mit einem Segelboot im Sommer von Kiel aus. Vor der Gorch Fock hatte er das Kommando über die Fregatte Schleswig-Holstein. FB