Seit dem 1. Juli ist Simone Tommaso Maraschi Chef von Cruise Gate Hamburg. Maraschi bringt beste Branchenerfahrung durch seine langjährigen Tätigkeiten bei Reedereien und Schiffsmakler mit. Michael Wolf befragte ihn zu seinen Plänen, der Pandemie und den Aussichten für den Cruise-Standort Hamburg.
Als „Startgeschenk“ zum Amtsantritt am 1. Juli 2020 gab es nach Jahren enormer Kreuzfahrtzuwächse den Covid-Rückschlag. Bis dahin hatte Hamburg eine Spitzenstellung in Deutschland. Was sind jetzt Ihre Aufgaben?
Ich kümmere mich um die Vermarktung des Hafens Hamburg im Destinations- und Kreuzfahrtenbereich, die Betreibung der Terminals, die Infrastruktur und Vergabe der Liegeplätze. Im Augenblick findet wegen der Gesundheitskrise natürlich weniger Destinations-Vermarktung statt.
Wie nutzen Sie die Zwangspause, um sich einzuarbeiten und die Organisation für die Zukunft optimal aufzustellen?
Grundsätzlich gab es in Hamburg während der Krise keine wirkliche Pause. Hamburg ist einer der wenigen Häfen gewesen, die auch zu diesem Zeitpunkt Kreuzfahrtschiffe empfangen haben. Das war auch eine richtige Entscheidung: Wir haben so den Schiffen eine Heimat geboten, die Crews konnten von hier aus nach Hause reisen. Der Hamburger Hafen war vermutlich der erste Hafen weltweit, in dem Ende Juni der Restart der Kreuzfahrt begonnen wurde. Wir haben die Zeit aber natürlich auch für andere Projekte genutzt. So wurde die Europa 2 in Altona während der Lockdownphase für die Nutzung von Landstrom zertifiziert. Die ganzen Testergebnisse fließen auch in den Bau der entsprechenden Anlagen im Terminal Steinwerder und dem neuen HafenCity-Terminal, das jetzt gebaut wird, mit ein.
Wie sind die Pläne für die Weiterentwicklung und welches Potential sehen Sie für den Kreuzfahrtmarkt Hamburg, gibt es da eine Grenze nach oben?
Die Entwicklung ist im Moment natürlich schwierig, vor allem in Hinsicht auf die gegenwärtige zweite Welle der Pandemie. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle – wie das Thema Impfung oder wie sich die Tests entwickeln. Vor allem schnellere und zuverlässigere Testergebnisse werden die weitere Entwicklung des Marktes beeinflussen. Dass die Kreuzfahrt eine der beliebtesten Urlaubsformen der Deutschen ist, steht außer Frage. Nur wann wir uns wieder dem Volumen in der Zeit vor der Pandemie annähern, ist noch unklar. Der Bau des HafenCity Terminals bleibt weiterhin ein wichtiger Baustein in der strategischen Entwicklung Hamburgs als Kreuzfahrtdestination.
Ab wann rechnen Sie mit einer nennenswerten Wiederbelebung des Geschäftes und in welchem Umfang?
Das kommt auf mehrere Faktoren an. Zum einen darauf, wann ein Impfstoff zur Verfügung steht. Zum anderen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und damit verbunden die Kaufkraft der Verbraucher. Wahrscheinlich wird es ab 2022 wieder aufwärts gehen und nach derzeitigen Einschätzungen könnte in drei bis vier Jahren wieder der Stand von 2019 erreicht werden.
Wird nach der Pandemie die Entwicklung zum Massentourismus im Kreuzfahrtbereich weitergehen mir drei bis vier Megaschiffen gleichzeitig oder sehen Sie für Hamburg eher eine Renaissance der kleineren und mittleren Schiffe?
Massentourismus bzw. Overtourismus hat es in Hamburg nie gegeben – und soll es auch in Zukunft nicht geben. Wir, das heißt die Stadt Hamburg, strebt ein nachhaltiges Wachstum der Kreuzfahrt an – im sozialen, ökologischen und auch ökonomischen Bereich. Wachstum ja, aber maßvoll und nicht auf Kosten der Hamburger.
Der Markt für kleinere und mittlere Schiffe auch im Expeditions- und Luxusbereich war auch vor der Krise schon sehr interessant. Das wird ein sehr wichtiger Bereich für Hamburg bleiben. Wir haben in den letzten Monaten gesehen, dass der Re-Start gerade für die kleineren Schiffe einfacher war. Wenn wir auf die Orderbooks der Werften schauen, sind viele große Schiffe in der Produktion, die große Kapazitäten auf den Markt bringen. Aber die Gäste suchen nach wie vor nach neuen Produkten, Innovationen und Schiffen, die die verschiedensten Angebote und Möglichkeiten an Bord haben – deswegen werden auch diese Produkte ihren Platz finden.
Hamburg ist heute auf dem Weg zum Green Port mit Landstrom und LNG – was geschieht auf diesem Gebiet bei den Hamburger Terminals?
Wir haben 2016 in Altona den ersten Landstromanschluss eingeführt. Hamburg war damals mit dieser Anlage und der Technologie führend in Europa.
Das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit ist in Hamburg immer wichtig gewesen. Wir gehen davon aus, dass bis spätestens 2025 alle Liegeplätze für die Nutzung alternativer Energiequellen ausgestattet sein werden. Bald werden wir mit dem Bau einer Landstromanlage in Steinwerder anfangen, danach werden wir uns um das HafenCity-Terminal kümmern. Zum Thema LNG wurde Steinwerder auch jüngst für das entsprechende Bunkern zertifiziert.
Nachhaltigkeit hat aber auch mit anderen Themen zu tun, wie zum Beispiel der Koordination von Prozessen an Bord der Schiffe.
Auf welche Art und Weise wird in Steinwerder die Versorgung mit LNG stattfinden?
Wir werden dazu LNG Bargen einsetzen.
Gibt es in Hamburg für entsprechend nachhaltig ausgerüstete Schiffe Ermässigungen bei den Hafengebühren?
Es gibt ein globales Programm, an dem wir teilnehmen, das für solche Schiffe Rabatte bietet. Wir hoffen, dass hier auch von der Politik in Zukunft mehr Unterstützung kommt und dass es auf europäischer Ebene mehr angepasst wird, so dass nicht nur einzelne Häfen so etwas anbieten. Kiel und Rostock haben so etwas auch begonnen.
Braucht Hamburg das von vielen Seiten geforderte vierte Terminal, wann und wo könnte es gebaut werden?
Wir haben jetzt schon Optionen für weitere Liegeplätze bei größeren Events wie Hafengeburtstag oder Cruise Days. Konkrete Planungen für das Terminal wären derzeit Spekulation, das Thema bleibt aber auf dem Tisch.
Hamburg hat wetterbedingt eine kurze Saison – wie könnte man sich einem ganzjährigen Betrieb nähern?
Es gab schon ein Jahr, in dem ein Anbieter ganzjährig Abfahrten ab Hamburg im Programm hatte. Das ist trotz Wetter möglich und sollte attraktive Häfen auf der Route bieten wie Amsterdam, Rotterdam oder Le Havre. Der deutsche Markt ist meiner Meinung nach bereit für ein ganzjähriges Angebot. Wir haben gesehen, dass die Saison jedes Jahr etwas länger wird. Die Saison begann im Februar und auch im Dezember hatten wir einige englische Anbieter zu Weihnachtsfahrten. Es bleibt natürlich ein saisonales Geschäft, aber die Entwicklung geht zu einer Saisonverlängerung.
Reicht die Attraktivität Hamburgs auch in Zukunft aus, um die lange und teure Revierfahrt auf der Elbe zu kompensieren?
Zum einen finden bei den meisten Anläufen in Hamburg Passagierwechsel statt, das heißt die Reise beginnt oder endet in Hamburg. Aber vor allem hat Hamburg eine starke strategische Bedeutung für den deutschen Markt. Hier stellen sich alle großen Anbieter dar, wenn man nur an die großen Taufevents von AIDA, MSC oder TUI Cruises denkt. Hamburg bleibt die wunderschöne Bühne, auf der man sich präsentiert – das wird immer so bleiben. Dazu kommen die großen Cruise-Events. Natürlich gibt es Wettbewerb mit anderen deutschen Häfen, aber Hamburg wird immer interessant bleiben.
Wie ist die Entwicklung in Hamburg bei der Flusskreuzfahrt?
Wir hatten letztes Jahr etwa 45 Anläufe von Flusskreuzfahrtschiffen. Das ist im Vergleich zu den großen Flusskreuzfahrtdestinationen wie Amsterdam oder Passau natürlich noch eine kleine Zahl. Wir sind aber dabei, neue Konzepte und Lösungen für citynahe Liegeplätze zu finden. Ich sehe hier noch enormes Potential für den Hamburger Hafen. Derzeit können wir nach Möglichkeit bis zu drei Liegeplätze gleichzeitig anbieten.
Kann man die Off-Season Stillstände der Terminals vielleicht durch stärkere Nutzung als Event-Locations nutzen, die in einer Großstadt immer Mangelware sind und das maritime Ambiente nutzen? Oder geschieht das bereits und wie?
Das Terminal Steinwerder wird bereits regelmäßig als Event-Location vermietet und so das Gebäude und die Parkflächen effizient genutzt, wenn keine Schiffsanläufe stattfinden. Wir versuchen die bestehenden Strukturen in Zukunft für andere Zwecke noch mehr zu nutzen.
Sie haben die Kreuzfahrt bei ihren verschiedenen beruflichen Stationen aus verschiedenen Blickwinkeln schon kennengelernt. Welche waren für die heutige Arbeit am wichtigsten?
Definitiv die letzten Jahre bei Sartori und Berger. Dort hatte ich vor allem auch die Möglichkeit, mein Netzwerk von Kontakten in diesem Bereich auszubauen. Ich habe dort auch sehr anspruchsvolle Abläufe kennengelernt und viel Expertise und Know how erworben. Ich bin also im selben Bereich geblieben, sehe ihn aber aus einer anderen Perspektive.
Vita von Simone Maraschi
Er gilt als gut vernetzter und international erfahrener Kreuzfahrtexperte, der fachliche Kompetenz mit freundlicher Offenheit und mediterranem Charme verbindet: Seit 1. Juli dieses Jahres ist Simone Tommaso Maraschi (45) als Nachfolger von Sacha Rougier Geschäftsführer der Cruise Gate Hamburg GmbH (CGH), einer 100%igen Tochtergesellschaft der Hamburg Port Authority (HPA), die als Betreiber der drei Kreuzfahrtterminals als zentrale Anlaufstelle für die Kreuzfahrtreedereien fungiert. Der gebürtige Mailänder, der neben seiner Muttersprache Italienisch auch Deutsch und Englisch fließend beherrscht und über gute Kenntnisse der spanischen Sprache verfügt, war zuvor zehn Jahre für die mit Hauptsitz in Kiel ansässige und besonders auch im Fähr-und Kreuzfahrtgeschäft engagierte Schiffsmaklerfirma Sartori & Berger tätig. Nach seinem 2010 erfolgten Eintritt zunächst als Assistent der Geschäftsleitung wurde ihm bereits Jahr später als General Manager die Leitung der Kreuzfahrtabteilung übertragen. 2013 erfolgte der Umzug nach Hamburg, wo für S & B eine Hafenagentur mit zentraler Kreuzfahrtabteilung einschließlich Landausflugsteam zur Koordination der Kreuzfahrtaktivitäten in allen deutschen sowie polnischen Häfen etabliert wurde. Zuvor war Maraschi von 2004 bis 2010 als International Sales Manager bei der italienischen Fährrederei Grandi Navi Veloci/Grimaldi für den Vertrieb innerhalb der DACH-Regionen zuständig. Seine Karriere in der Reise-/und Touristikbranche hatte er 1996 in der Luftfahrt mit einer zweijährigen Tätigkeit als Reservation Sales Agent Air Malta am Flughafen Frankfurt begonnen, an die sich eine sechsjähriger Einsatz als Senior Sales für Emirates am Flughafen München anschloß. JPM