Der Neustart der Traditionsmarke Crystal ist eine Challenge. Michael Wolf sprach mit der neuen CEO Cristina Levis über die Renovierung der Crystal-Schiffe und die Pläne der nächsten Jahre.
Wie sind Sie in diese Branche gekommen?
Ein Zufall. Ich habe in Luxemburg gearbeitet, die Strukturierung von Fonds gemacht. Ich habe einen Finanz-Background. Der damalige CEO von Silversea war mein Klient. Er hat mich gefragt, ob ich zu Silversea kommen möchte im Finanzbereich. Ich habe nein gesagt, weil ich nicht mehr in der Finanzbranche arbeiten und nicht umziehen wollte. Später wollte er ein Unternehmen in Ecuador kaufen und er hatte niemanden bei Silversea der Corporate Finance Experte, der ein M&A* Experte war. Er hat mich nochmals gefragt und diese Möglichkeit hat mich gereizt.
Ich habe am 03. Oktober 2011 angefangen, zwei Tage später wurde ich allein losgeschickt nach Ecuador um die Akquisition durchzuführen von Canodros wie die Firma zu der Zeit hieß, die dann in Silversea Ecuador umbenannt wurde. Das war die erste und einzige Akquirierung die Silversea jemals mit einer externen Firma gemacht hat.
Die Passion für Expedition begann – natürlich mit den Galapagos. Ich bin 15 Mal in Ecuador gewesen und fünfmal auf den Galapagos. Während einer dieser Reisen habe ich die Gelegenheit ergriffen, in die Antarktis zu gehen. Das war im Dezember 2012.
*M&A = Mergers & Acquisitions
Also ist es eine logische Konsequenz, einen Expeditionspart von Crystal zu kreieren.
Nur ein Narr kann glauben, dass Crystal mit nur zwei, dazu älteren Schiffen überleben kann. Die Antwort ist ja. Wir planen zwei Expeditionsschiffe und zwei klassische Hochseeschiffe zu bauen. Start soll in den nächsten sechs Monaten sein.
Es ist eine gute Gelegenheit, die Leute zurückzuholen, die mit Crystal zuvor reisten. Das war eine treue Fangemeinde.
Auf den Social Media-Seiten der Gäste sieht man immer: „Wir haben Crystal sehr vermisst. Man hatte immer das Gefühl, dass etwas fehlt.“
Crystal war immer da und es musste zurückgebracht werden.
Wie definieren Sie Luxus?
Das Wort Luxus wird überall verwendet und missbraucht.
Ein Beispiel: Unser Owner, Manfredi Lefebvre, mag nicht den, was er als den „französischen over-serving-way“ bezeichnet. Man sitzt und die Kellner kommen alle 5 Minuten und erkundigen sich, was man möchte. Er hasst das. Ich habe den Fehler gemacht, die Crew nicht darüber zu informieren.
Am ersten Abend haben sie ihn „over-served“. Sie mussten lernen, dass er das nicht schätzt. Und gestern Abend waren wir im gleichen Restaurant und der Kellner kam und flüsterte in mein Ohr: Mr. Lefevbre möchte einen zurückhaltenden Service, so dass wir wie Geister hinter ihm sind. Das ist der Luxus es perfekt zu verstehen, das Antizipieren von Gästewünschen.
Für mich persönlich ist es, kleine, wertvolle Details zu finden, die man nirgendwo anders findet. Wir haben hier im Bistro wundervolle Früchte, Croissants – was immer hier serviert wird. Und dann in der Ecke da drüben gibt es Fruchtsäfte aus einem kleinen Bergdorf, meinem Dorf. Ich habe 720 kleine Flaschen in meinem Auto mitgebracht, weil ich weiß, dass sie wunderbar sind. Ich wollte diese kleine Gaumenfreude den Gästen schenken. Der Luxus ist, hier zu sein und den Fruchtsaft aus den Alpen zu genießen.
Sie mussten für Crystal eine neue Struktur finden.
Es gibt zwei Dinge: Einmal das on-board-Produkt und das andere was wir an Land (Sales Market, Revenue) machen.
Beim on-board-Produkt sagt mir jeder, wir haben die gleiche Crystal, aber noch verbessert gefunden.
Wir gaben dem Hotel Operations-Team die Freiheit, die alte Crystal wieder zurückzubringen. Das Service-Level musste gleich, wenn nicht sogar besser sein. Das Speisenangebot – alles musste wieder so sein, wie bei der alten Crystal, weil es das ist, was die Gäste erwartet haben. Sie wollten sich wieder wie zuhause fühlen – mehr als 80 Prozent der Crew ist wieder an Bord.
Wir haben Dinge verbessert. Wir haben einen Chef-Ernährungswissenschaftler, der kommt und hilft die selben Menüs wie zuvor zu designen, aber ausgewogener. Die richtige Anzahl an Proteinen, die richtige Anzahl von Kohlenhydraten, die richtige Anzahl an Vitaminen.
Die nautische Teil wurde komplett geändert und wird jetzt aus Monaco von einem exzellenten Team aus Schiffsingenieuren und mit der Hilfe von V.Ships betreut.
Dann gibt es das Sales-Marketing-Revenue Team, die in Monaco und London arbeiten. Wir wollen Crystal in Richtung eines jüngeren Klientel positionieren. Wir möchten aber auch die früheren Crystal-Passagiere zurück, weil wir sie nicht für „alte Leute“ halten.
Bevor ich 2012 meine erste Kreuzfahrt gemacht habe, dachte ich, das sei etwas Langweiliges für alte Leute. Aber dann mochte ich es sehr, Zeit an Bord mit den Passagieren zu verbringen, weil sie viele interessante Geschichten zu erzählen haben. Sie bereisen die Welt, sind Doktoren, Entrepreneure, Lehrer. Das ist niemals langweilig, sie haben so viele Sachen zu erzählen.
Es geht nicht nur darum, was wir ihnen geben, sondern auch darum, was sie uns zurückgeben wie die Feedbacks, die wir schätzen. Wir justieren das Produkt, berücksichtigen Weiterentwicklungen und Verbesserungen, die sie gern hätten.
Durch die Association mit Abercrombie & Kent sind wir einzigartig als Kreuzfahrtgesellschaft aufgestellt. Warum ist das wichtig? Alle Reisen die wir anbieten, haben entweder Shore Ex während der Kreuzfahrt oder pre-/ post-Produkte. Und wenn wir die Vor- und Nachprogramme in Eigenregie machen können, finden die Passagiere an Land den gleichen Service, den sie auch an Bord des Schiffes haben. Das ist das Plus.
In dieser globalen Organisation arbeiten alle meine Direktberichtenden für beide Brands wie Marett Taylor, Chief Sales Officer, sie verantwortet den Verkauf bei Crystal und Abercrombie & Kent und auch die Chefs von IT, Global Marketing und Finanzen.
Wie viele Schiffe haben Sie zusammen bei beiden Brands?
In den letzten 12 Monaten haben wir neue Schiffe in den Galapagos erworben, die zwei größten in Namibia und wir haben einige in der Pipeline für die kommenden drei Jahre. Wir haben die zwei Crystal-Schiffe, drei Nilschiffe und ein Habir – das sind die kleinen ohne Motoren. Dann eins in Myanmar, eins in China, wo wir nicht 100% sicher sind, ob wir den Betrieb fortsetzen. Wir betreiben das in Myanmar im Moment nicht. Wir arbeiten an einem Nil-Neubau, an zwei kleinen Südamerika-Schiffen für den Magdalena River und Quitos. Wir haben elf und drei in der direkten Pipeline.
Wie wollen Sie neue Quellmärkte erschließen?
Der US-Markt wird immer unser Hauptmarkt bleiben. Aber wir glauben sehr an den DACH-Markt, weil die Deutschen und Schweizer das Entdecken in ihrer DNA haben.
Wir sind ein globales Unternehmen. Wir möchten, dass unser Team versteht, dass wir alle unterschiedlich sind, dass wir alle kulturelle Unterschiede haben. Es ist wichtig, dass diese kulturellen Unterschiede wertgeschätzt, verstanden und respektiert werden. So hat zum Beispiel Marett Taylor als Chief Sales Officer gearbeitet in Kenia, den USA, im UK, in Europa. Wir waren gestern in Dubrovnik. Sie erzählte, als sie für die europäische DMC gearbeitet hat, hat sie alle Regionen aufgezählt. Sie versteht wirklich die Kultur, was sehr wichtig ist, wenn man neue Quellmärkte erschließen will. Man muss verstehen, was die Kunden möchten und die Unterschiede respektieren.
Die Europäer sind möglicherweise mehr sensibilisiert für dieses Thema als die Amerikaner.
Es ist sehr wichtig, die Kunden zu sensibilisieren. Ich erinnere mich an das erste Jahr bei Silversea. Wir waren in Argentinien, eine Expedition. Wir haben Container mit Fleisch aus den USA geschickt. Warum? Wir sind in Argentinien, das Fleisch hier ist fantastisch. Warum also Fleisch aus den USA holen? Angeblich, weil die Amerikaner das möchten. Sind wir sicher, dass die Amerikaner das möchten? Sollte es nicht unser Ziel sein, sie zu „erziehen“, zu verstehen, dass Argentinien einer der besten Fleischproduzenten der Welt ist. Wenn man vor Ort ist, sollte man es ausprobieren. Ich denke, wir haben das über die Jahre erreicht und das ist auch das Ziel was wir hier haben. Gerade in der heutigen Zeit ist es sehr wichtig, lokal einzukaufen, lokal zu sein, unnötigen Müll zu vermeiden.
Immer mehr CEOs von Unternehmen im Kreuzfahrtbereich sind Frauen, die einen starken Hintergrund im Finanzbereich haben.
Ich bin kein Feminist. Ich sehe es natürlich gerne, wenn Frauen an der Macht sind, aber ich denke, dass es mir wirklich nicht wichtig ist. Ich gebe einer Frau keine Stelle, weil ich etwas beweisen will, sondern ich gebe einer Person einen Job, die über Talent, Passion und Engagement verfügt. Mir ist es egal, ob das eine Frau oder ein Mann ist.
In der amerikanischen Kultur kommt es häufiger vor, dass eine Person aus dem Bereich Vertrieb und Marketing zum CEO aufsteigt, während in der britischen Kultur und in Europa dagegen häufiger eine Person mit einem finanziellen Hintergrund zum CEO ernannt wird. Ich glaube nicht, dass eines unbedingt besser ist als das andere. Ich habe Finanzwesen studiert, liebe Zahlen schon mein ganzes Leben lang, und das hilft mir, Fehler sofort zu erkennen im Cashflow, was eines der Probleme war, die die ehemalige Crystal hatte. Sie hatten keinen klaren Überblick über den Cashflow.
Während der Pandemie haben viele Leute gesagt Cash is King und Cashflow is Queen. Genau zu wissen, was in den kommenden 18 Monaten passiert, auf die Buchungskurve zu schauen, genau zu wissen, wo man ankommt. Vor der Pandemie hatte man seine Buchungskurve und man begann mit 2 Jahren Vorlauf zu verkaufen. Das zeigt die volle Transparenz des Cashflows. Wir sind eine Ausnahme, weil wir 2023 erst angefangen haben, Reisen für 23 verkaufen, daher sollte man Crystal nicht für die ersten 1,5 Jahre betrachten. Wenn man Finanzstatements verstehen kann, gibt das meiner Meinung nach einen kleinen Vorteil. Ich habe persönlich alle Verträge für das Drydock verhandelt. Ich bin ein ziemlich tougher Verhandler und habe mir wahrscheinlich viele Feinde gemacht. Es ist nicht mein Geld. Es ist das Geld des Shareholders und das der Passagiere. Daher muss ich alles tun, um dieses Geld zu schützen.
Was ist Ihre Passion im Leben?
Mein kleiner Junge, 6,5 Jahre alt. Er ist meine Freude. Das Erste an das ich am Morgen denke und das Letzte am Abend.
Meine Passion ist natürlich auch das Reisen, neue Kulturen kennenzulernen, einzutauchen in neue Kulturen. Ich habe mehr als 100 Länder besucht. Seitdem ich Mutter geworden bin, habe ich Flugangst.
Es ist immer noch Crystal, hat aber an Ambiente mit kleinen Details gewonnen…
Die vorhergehenden Eigner, die Japaner, haben erstaunliche Dinge gemacht. Wenn man über dieses Schiff nachdenkt. Die beiden Schiffe haben so viel Redundanz. Ein Schiff der gleichen Größe wie dieses, die Muse, Nova, die Explora – sie haben vier Motoren – typisch für die Kreuzfahrtindustrie. Dieses Schiff hat 6 Motoren. Zwei mehr als man benötigt. Weil zu dieser Zeit die Japaner kein Risiko eingehen wollten, dass etwas schief geht. Die Motoren sind nur ein Beispiel. Auf lange Dauer zahlt es sich aus.
Der Neustart läuft wie geplant?
Wenn man darüber nachdenkt, was wir in kurzer Zeit gemacht haben. Zwei Schiffe gekauft, massive Generalüberholungen – keiner hat es jemals in dieser Größenordnung bei zwei Schiffen simultan gemacht – ein neues Reservierungssystem. Wir nutzen nicht das von A&K. Wir haben ein komplett neues, eine komplett neue Website. Da das A&K Reservierungssystem nicht effizient ist. Wir verändern das ebenfalls.
Dann die andauernden Kämpfe, die wir haben mit denen, die uns in den letzten 12 Monaten fälschlicherweise für die ehemalige Crystal (Eigner) halten. Ein Beispiel: Meta – das Unternehmen, dem Facebook und Instagram gehört. Wir haben mehrere Millionen bezahlt, haben das Brand und alle IP gekauft inklusive der Social Media-Seiten. Sie haben uns keinen Zugang dazugegeben für sechs Monate, weil sie dachten, wir sind die ehemalige Crystal. Sie sagten, zuvor müsst ihr eure Schulden bezahlen. Ich habe gesagt, wir haben keine Schulden. Es hat bis Februar gedauert, bevor sie verstanden haben, dass wir eine andere Firma sind und das wir für diese Seiten bezahlt haben und Zugang zu den Seiten haben möchten. Alle diese Dinge waren herausfordernd.
Wie war der Preis der Renovierung?
162 Millionen Euro // 170 Millionen Dollar. Aufgeteilt in die beiden Schiffe mehr oder weniger gleichmäßig.
Das Kasino…
… ist verschwunden.
(Update vom 03.10.23, Anmerk. der Red.: Das Kasino wird 2024 wieder zurückgebracht, an den Plänen wird derzeit gearbeitet.)
Für US-Passagiere sicher ungewöhnlich?
Es war keine einfache Entscheidung. Das Kasino dieses Schiffes war viel zu groß und es ist eine Musterstation. Also hätten wir den Raum nicht aufteilen können. Es ist ein fensterloser Raum, außerhalb dieser großen Lounge sind die Tender. Auch wenn wir gewollt hätten, hätten wir den Stahl nicht öffnen können.
Wir haben eine Umfrage gemacht, bevor wir das Kasino entfernt haben, mit einer statistisch relevanten Gruppe von Gästen. Und nur weniger als 5% sagten, dass sie nicht mit Crystal fahren würden, wenn wir das Kasino entfernen würden.
In den kommenden Jahren wird hier eine Lounge entstehen oder Kunstausstellungen. Wir haben uns zuvor viele Möglichkeiten angeschaut, von der Destillerie bis zur Showküche, aber alles hat technisch nicht funktioniert.
Leider sind den Schiffen aufgrund ihrer Bauweise Grenzen gesetzt. So konnten wir auch nicht überall Balkone einrichten, weil sonst Fluchtwege beschnitten worden wären. Ich habe Fincantieri in den Wahnsinn getrieben, um alles zu analysieren. So hätten wir auf Deck 8 zusätzliche Balkone machen können, aber da war Lärm der Abgasanlage. Wir sind wirklich alles durchgegangen. Es ist wie, wenn man ein altes Haus renoviert – da muss man Kompromisse eingehen. Natürlich gibt es immer Dinge, die man verbessern kann, aber ich glaube, wir haben einen guten Kompromiss gefunden.
Was ist Ihr Lieblingsort oder Detail auf diesem Schiff?
Ich mag das Bistro sehr gern, schon wegen seiner Deckenhöhe und den Details wie den gemalten Vögeln an den Wänden. Und die Statuen überall auf dem Schiff. Wenn es in vielen Jahren seinen Dienst beendet, möchte ich sie kaufen. Ich liebe auch diese Seepferdchen, sie sind so hübsch. Die Leute denken, ich bin verrückt nach Seepferdchen, weil ich so viele Dinge mit Seepferdchen gekauft habe. Ich habe Broschen oder Ohrringe mit ihnen. Oder die Lampen im Umi Uma Restaurant, die wie Goldtropfen aussehen. Es gibt schöne Details auf diesem Schiff.
Werden Sie auch wieder auf den Flüssen präsent sein wie die alte Crystal?
Nein. Manche Dinge kennen und verstehen wir nicht. Wir wollen zumindest im Moment nichts machen. Wir machen Flüsse, aber Expeditions-Flüsse mit dem Nil beispielsweise. Aber etwa die Donau ist nicht in unserer DNA und aus diesem Grund haben wir die Schiffe nicht gekauft. Wir hätten die Schiffe für einen guten Preis kaufen können, aber wollten nicht.