Links überspringen

IM FEUER ZERSTÖRT

Die „Flandre“ war ein Transatlantiker der französischen Reederei Compagnie Générale Transatlantique (CGT), erst im Linienverkehr, dann als Kreuzfahrtschiff unterwegs. Nach 42 Jahren wurde sie Opfer eines Großbrandes.


„Flandre“, Foto: Sammlung JSA

Der 23. März 1994 war im Hafen von Piräus ein Tag mit ruhigem Wetter. Die Pallas Athena, die zuvor Flandre hieß, wurde für eine geplante Kreuzfahrt vorbereitet. Die Kabinen waren gereinigt worden, an Deck wurde gewischt, im Speisesaal wurde das Geschirr auf die Tische gestellt. Man erwartete die Ankunft der Passagiere. Eine Idylle.

Plötzlich flackerten aus dem Schiffskörper Feuerfetzen, die sich in riesige Brände verwandelten. Später hieß es: „aus nicht geklärter Ursache“. Zum Glück war noch kein Gast an Bord. Dort befand sich der verlässliche Kern der Besatzungsmitglieder, die alle davonkamen, niemand von der Mannschaft wurde verletzt, obwohl das Feuer sich in Windeseile auf dem Schiff ausbreitete, ein grausamer Anblick. Die Pallas Athena brannte komplett aus, es war vor allem die starke Hitze, die zum Zusammenbruch führte, ganze Teile der Aufbauten fielen in sich zusammen wie Kartenhäuser.


„Pallas Athena“, Foto: Sammlung JSA

Als die Wassermassen aus den Schläuchen, die stundenlang auf das Schiff gehalten wurden, abgeschaltet waren, war das Kreuzfahrtschiff ein Wrack. Es wurde unter erheblichem Aufwand aus dem Hafen von Piräus zur Insel Atalanti geschleppt und dort auf Grund gesetzt, um das Absinken zu vermeiden. Es dauerte einige Zeit bis die Pallas Athena wieder schwimmfähig gemacht werden konnte, dann ankerte sie vor Eleusius. Herbeigeholte Schiffsexperten inspizierten das Wrack und erklärten es zum Totalschaden.

Dabei hatte die Geschichte dieses Schiffes verheißungsvoll begonnen. Anfang der 1950er Jahre wurde es in Auftrag gegeben, als Baunummer 206 bei der Werft Ateliers et Chantiers de France in Dünkirchen im nördlichen Frankreich. Dort lief sie am 31. Oktober 1951 vom Stapel, die Indienststellung erfolgte am 23. Juli 1952.

Der Dampfer war 182,79 Meter lang und 24,49 Meter breit. Der Tiefgang lag bei maximal 8,58 m, die Vermessung bei 20.469 BRT. Der Antrieb erfolgte durch Rateau-Getriebeturbinen, die auf zwei Festpropeller arbeiteten. Ihre Leistung wurde mit 32.353 kW (43.988 PSw) angegeben, die Geschwindigkeit betrug 19 Knoten (35 km/h), max 22 kn. 1974 wurde die Dampfturbinen-Antriebsanlage durch Stork-Werkspoor Dieselmotoren ersetzt.

Die Zahl der zugelassenen Passagiere betrug 784. Die Reederei ließ sich auf die Anfertigung einer luxuriösen Innenausstattung ein, sie wurde vom Designer Mathurin Méheut entworfen.

Die Flandre erhielt 1953 ein Schwesterschiff, es wurde von derselben Werft ebenfalls für die CGT gebaut und erhielt den Namen Antilles, deren Einsatzjahre waren allerdings gering. 1971 war sie auf einer Reise in die Karibik in Brand geraten, als sie vor Mustique auf Grund gelaufen war, ein dramatischer Vorgang. Die Antilles ist an der Stelle ihres Endes als Wrack geblieben, man kann sie bis heute aus der Ferne besichtigen. Irgendetwas wurde offensichtlich von der Bauwerft falsch gemacht, so dass es zu Feuerausbrüchen kam.


„Carla Costa“, Foto: Sammlung JSA

Die Jungfernfahrt der Flandre 1952 verlief unglücklich. Es kam zu zahlreichen unangenehmen Zwischenfällen, die das Image der Neuheit auf den Meeren belasteten. Bei der CGT brach Panik aus, weil die Probleme sich häuften. Bereits auf der ersten Reise nach New York musste der Dampfer wegen einer Notlage in der Maschinenanlage mehrere Stunden stoppen. Der Schaden konnte behoben werden, allerdings beschloss der Kapitän, die Reise mit deutlich verringerter Geschwindigkeit fortzuführen. Als das Schiff in den New Yorker Hafen einlief, kam es abermals zu einem Maschinenschaden, der zwar zügig repariert werden konnte, aber kein gutes Bild hinterließ. Eine größere Reststrecke musste die Flandre von vier Schleppern gezogen werden – und das als nagelneuer Dampfer. Beim Anlegen im Hafen dann rauschte einer der Anker in die Tiefe, eine Ankerwinde wurde als defekt erkannt. Die Ankunft der Flandre war schon arg verzögert, nun kamen noch drei Stunden dazu, die Gäste waren not amused.


„Carla Costa“, Foto: Sammlung JSA

Die US-Amerikaner waren dennoch so freundlich, das geschleppte Schiff mit dem Wassersalut als traditionellen Willkommensgruß der New Yorker Feuerlöschboote zu empfangen. Noch mal Pech für die Flandre, nach dem massiven Maschinenschaden quollen aus dem Schornstein des Schiffes tiefschwarze Rauchschwaden. Der übliche Beifall-Empfang am Kai und Signal des Schiffshorns fiel aus, weil dieses defekt war. Kein gutes Omen für die französische Technik. Die New Yorker Hafenarbeiter lästerten, indem sie der Flandre den Spitznamen „Flounder“ verpassten (etwa: zappelnde Flunder). Die Presse griff gern auf, wie viele und welche Pannen das Schiff hatte und dass zur Begrüßung die Alarmsirene des Schiffes eingeschaltet wurde.

Die Bosse in der CGT waren empört, dass gerade auf der Jungfernfahrt gleich mehrere Probleme aufgetaucht waren. Sie entschieden, das Schiff an den Erbauer in Dünkirchen zurückzugeben. Dem blieb nichts anderes übrig, als eine gründliche Überholung vorzunehmen, was wiederum zur Folge hatte, dass sämtliche Fahrten, die 1952 auf der Agenda standen, gestrichen werden mussten. Die Flandre kehrte erst 1953 zurück in den Dienst.

Fortan verlegte man den Einsatz des Schiffes auf der Route von Le Havre nach New York auf die Sommermonate. In den Wintermonaten folgte die Flandre ihrem ein Jahr jüngeren Schwesterschiff Antilles hinterher, es ging auf Kreuzfahrten in tropische Gewässer. Zudem begann man auf dem älteren Schiff die Passagierbereiche umzugestalten, das kostete Geld und war wieder ein Imageproblem.

Ab 1962 wurde die Flandre nur noch für Kreuzfahrten eingesetzt. 1967 hatten es die Bosse der CGT satt, die Flandre wurde außer Dienst gestellt – und ging an die Reederei Costa Crociere, die das Schiff in Carla C umbenannte. Ab 1968 wurde die Flandre an Princess Cruises verchartert, die es als Princess Carla vermarktete. Der Name Carla C blieb aber offiziell.


„Carla C“, Foto: Sammlung U. Horn

Anlass für mehrere Namen war die Fernsehserie Love Boat, die ursprünglich auf Carla C gedreht werden sollte. Princess Cruises schwenkte jedoch um auf die noch im Bau befindliche Pacific Princess, die nun zum Drehort der Serie wurde, was für die Costa Crociere einen schweren Geldverlust bedeutete. Als 1970 der Chartervertrag auslief, wurde das Schiff an die Costa Crociere zurückgeliefert.

Die Maschinenanlage der einstigen Flandre war veraltet, die Probleme hörten nicht auf. 1984 stand eine umfangreiche Modernisierung an, zudem musste das Schiff dem neuen Sicherheitsstandard angepasst werden. Man gab ihm einen neuen Namen, aus Carla C wurde Carla Costa. Das Schiff blieb bis 1992 bei der Costa Crociere und wurde nur für Kreuzfahrten in die Karibik eingesetzt.



Im Februar 1992 kam es zum nächsten Reedereiwechsel. Die griechischen Epirotiki Lines kauften das Schiff und nannten es in Pallas Athena um. Es wurde ausschließlich zu siebentägigen Kreuzfahrten im Mittelmeer eingesetzt. Es hatte noch zwei Jahre Lebenszeit bis es nach dem großen Brand und der Verschleppung des Wracks nach Eleusis als Totalschaden zum Abbruch verkauft wurde. Die Schlepper zogen es ins türkische Aliaga, wo es am 25. Dezember 1994 eintraf und von den Arbeitern zerlegt wurde.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer