Kategorie: Historie

IN ZWEI TEILE GEBROCHEN

RMS Scotia war der letzte Schaufelraddampfer in Amerika, später brachte er es zum Blauen Band auf der Transatlantikpassage. 1904 lief das Schiff auf ein Riff und sank.

Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts gab es auf dem Nordatlantik einen erbitterten Kampf um den Gewinn der schnellsten Transatlantikreise. Das Passagierschiff der britischen Cunard Line war an diesem Rekordversuch beteiligt. Im Jahr 1863 war es ihr gelungen, nach einer Fahrt von Queenstown nach New York mit 14,46 Knoten Tempo das Blaue Band zu erobern, mit mehr als einem Knoten schneller als sämtliche Mitkandidaten. Sie hielt das Blaue Band bis 1872. Ein großer Triumph für die Reederei, zumal das Schiff ein hochseetauglicher Raddampfer war. Noch bis 1874 war die Scotia der zweitschnellste Passagierdampfer auf dem Meer. Zwar war sie 1872 von der Adriatic der White Star überholt worden, behielt aber dennoch den Titel. Beide Schiffe galten als gleichwertig, sie waren führende vorozeanische Linienschiffe.

Die Scotia war ursprünglich als Schwester für die Persia entwickelt worden, dieses vorherige Schiff der zu Cunard gehörenden Collins Line war schon 1856 ein Schnelldampfer. Die Persia erhielt als erste das Blaue Band für ein Schiff ganz aus Eisen erbaut.

Der Bau der Scotia musste immer wieder hinausgezögert werden, weil Collins den Verlust der Arctic und der Pacific verkraften musste, sie versagten in der harten Konkurrenz des Expressdienstes.

Deshalb entschied man sich auch, als der Bau der Scotia endlich anstand, den Dampfer größer zu bauen als der bisherige Vorläufer, die Persia (Persien). Die Scotia wurde zur größten Einheit von Cunard, bis die Bothnia und Scythia sie in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts an Größe überholten. Noch heute gibt es in einem Londoner Science Museum ein Modell von der Scotia, das bis heute hohe Anerkennung erlangt.

Das Schiff entstand auf der Bauwerft Robert Napier & Söhne in Glasgow. Man begann mit dem Bau am 25. Juni 1861, die Jungfernfahrt startete am 10. Mai 1862. Das Schiff war 120 Meter lang und 14 Meter breit. Die Tonnage wurde mit 3871 BRT angegeben. Im Maschinenraum gab es eine Zweizylinder-Dampfmaschine mit einer Leistung von rund 4000 PS (3000kW, die auf 2 seitliche Schaufelräder wirkte und einen Tagesverbrauch an Kohle von 164 Tonnen hatte.

Die Anzahl der Passagiere wurde mit 164 in der 1.Klasse und 50 in der 2.Klasse angegeben. Unklar ist die Zahl des Personals. Über die Passage von Menschen, von der Scotia geleistet, gibt es nicht viel Informationen.

Man weiß nur, dass die Scotia als Passagierschiff nur beste, erstklassige Kabinen bot. Sie wurden gern von reichen Familien genutzt, aber auch von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Theodore Roosevelt. Der Kohleverbrauch der schottischen Schiffe auf den Meeren war so hoch wie die Hälfte des Landes Schottland, hatte man ausgerechnet. Außerdem wurden zwei zusätzliche Schraubendampfer eingebracht, um mehr Menschen ins gelobte Land zu bringen; die Zeit der europäischen Auswanderer, die nach Amerika flüchten wollten, hatte massiv eingesetzt. 1875 wurde das Schiff in Liverpool aufgelegt. 1876 gab man das Schiff auf, die Scotia wurde aus dem Linienverkehr gezogen und auf dem Schiffsmarkt zum Verkauf angeboten.

Drei Jahre später wurde die Scotia noch einmal umgerüstet. Sie wurde jetzt als Kabelleger zwischen Amerika, Afrika und Europa eingesetzt. Der Umbau auf der Werft von Laird Brothers war aufwendig. Die Schaufelräder wurden entfernt und durch zwei Propeller ersetzt. In den Laderäumen wurden zwei Kabeltanks implantiert, einer zehn Metern Durchmesser und jeweils sieben Meter Höhe, ein anderer Kabeltank mit rund elf Meter Durchmesser und fünf Meter Höhe. An den Bug installierte man eine Doppelbugrolle zur Kabelaufnahme und auf das Vordeck setzte man die Kabelmaschine. Am Heck verpasste man der Kabelverlegung eine Einfachrolle. Die Scotia war bei den Verlegearbeiten lange Zeit weltweit das am meisten beschäftige Kabelschiff. Selbst Wladiwostok, Nagasaki, Shanghai, Hongkong sowie Sydney, Wellington, Perth und Adelaide wurden an die Verkabelung gebunden.

1887 verlegte sie im Mittelmeer Kabel von Porthcumo nach Gibraltar, dann von Gibraltar nach Malta. 1893 gelang die Kabelverlegung vom Schiff aus von Sansibar zu den Seychellen und von dort aus nach Kapstadt und Mocamedes. Die Telegraph Construction and Maintenance Company war dazu beauftragt worden. Ihre Vermessung betrug jetzt 4667 BRT. Das Verlegen der Verbindungskabel im Ozean war eine große Sache, die viel Aufmerksamkeit erheischte.

1902 wurde die Kabelverlegung fortgesetzt an der südamerikanischen Küste, hier im Zusammenspiel mit der Britannia. Das Atlantikkabel wurde von Borkum/Deutschland aus bis zu den Azoren und von dort aus nach New York verlegt. Hersteller des Kabelmaterials waren die Norddeutschen Seekabelwerke (NSW), gefertigt wurden sie in Nordenham. Insgesamt wurden in dem großen Bereich 7993 Kilometer Kabel verlegt. Die Commercial Cable Co. kaufte 1903 die Scotia auf und war jetzt verantwortlich für ihre Unterhaltung und ihre Wartung.

Zuvor, 1896, war die Scotia vor der US-Stadt Plymouth in Massachusetts in ein Explosionsdrama geraten, das gesamte Vorschiff wurde dabei zerstört. Dass es nicht noch schlimmer geworden ist, war der robusten Konstruktion zu verdanken, so konnte das Schiff überhaupt gerettet werden. Danach wurde es repariert und ging im Verkauf an die Commercial Pacific Cable Company.

Am 11. März 1904 befand sich das Schiff vor Guam, an der östlichen Seite des Pazifiks. 6298 km westlich von Hawaii, 2058 km vom Süden der Philippinen und 2386 km vom südlichen Japan. Sie brachte Kabel und Ersatzteile, doch beim Einlaufen in den Hafen von Apra in Guam kam das Schiff vom Kurs ab und lief an einem Riff hart auf Grund. Schuld daran waren miserable Wetterbedingungen. Das Schiff zerbrach in zwei Teile und versank.

Heute ist der Ort des Untergangs der Scotia ein beliebter Tauchplatz.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jürgen Saupe

ZWEIMAL GEBAUT

Die Pennland war 1922 weltweit eines der größten Dampfschiffe. Aufgrund der Weltkriege wurde es zweimal gebaut. Bei einem Luftkrieg vor Kreta war das Schiff 1941 schwer beschädigt worden, so dass es versank.

Ein Ozeandampfer kann ein Lebensretter sein. Das ist die Geschichte von Ernst Selig, der im Ersten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht diente, 1914 schwer verwundet wurde, 1916 wieder an der Front war und nach seiner Gefangenschaft in Russland 1918 nach Kriegsende in seine Heimat zurückkehrte. Der Leutnant der Reserve hatte das Eiserne Kreuz erhalten, er war Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. Man hätte gedacht, dass er für sein Heimatland viel geleistet hatte. Aber die Nazis sahen in ihm nur einen Juden, der es zu Vermögen gebracht hatte und ein gutes Geschäft betrieb.

Nach kaufmännischer Ausbildung übernahm er von seiner Mutter die Weingroßhandlung, das Geschäft florierte. Zudem hatte Selig eine Familie gegründet, zu der zwei Kinder gehörten. Das alles nützte ihm nicht, als die NS-Schergen zu ihren Untaten übergingen. In einer Gruppe jüdischer Männer wurde er im Novemberpogrom 1938 festgenommen. Seine Firma nahm man ihm weg. Als er im Dezember vorübergehend aus dem KZ Dachau entlassen wurde, emigrierte er mit seiner Familie über Holland und Belgien. Es war ein glücklicher Umstand, dass in Antwerpen zuvor die Pennland zu einer Zeit angelandet war, zu der auch die Seligs gerade eintrafen. Die Familie wurde aufgenommen zur Fahrt nach New York. Ernst Selig ist 1967 in Dayton/Ohio gestorben, er ist sehr alt geworden. Gerettet hat ihn die Pennland.

Die Pennland war 1922 fertiggestellt worden und kam anfangs unter der Flagge der White Star Line in Fahrt. Übernommen wurde sie 1925 von der Red Star Line, die Reederei setzte das Passagierschiff auf der Linie von Antwerpen nach New York ein. Allerdings war das große Dampfschiff bereits 1913 auf der Werft Harland & Wolff auf Kiel gelegt worden. Weil der Krieg sich verzögerte, wurde immer wieder die finale Fertigstellung zurückgestellt. Gebaut wurde das Schiff ursprünglich unter dem Namen Pittsburgh und für die American Line. Sie war das letzte Schiff, das für die American Line gebaut worden war. 1922 hatte sie die Farben der White Star Line getragen, ab 1925 bis 1939 die der Red Star Line.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 wurde die Arbeit am Schiff ganz eingestellt. Bei einem Stapellauf am 17. November 1920 war es sehr eindrucksvoll für die Betrachter, denn es war 175 Meter lang, mit zwei Masten und zwei Schornsteinen. Es konnte 600 Passagiere in der Ersten und 1800 Personen in der Dritten Klasse aufnehmen. Es besaß zwei Dreifachexpansions-Dampfmaschinen und eine Niedertruckturbine für den Antrieb. Es war ein modernes Schiff in seiner Zeit.

Die Fertigstellung wurde auch nach Kriegsende noch für die American Line geplant, jedoch obwohl die Indienststellung der Pittsburg durch die White Star Line erfolgte, in deren Hausfarben sie gestrichen und vom konventionellen Kohlebetrieb auf moderne Ölverbrennung umgestellt wurde.

Im Juni 1922 ging die Pittsburgh auf ihre Jungfernfahrt, von Liverpool nach Queenstown und über Philadelphia und Boston. Das war die einstige Route der American Line, Haverford genannt. Im selben Jahr wurde im November die gesamte Mannschaft des italienischen Schiffes Monte Grappa in höchster Not aufgenommen, danach wurde deren Schiff im Nordatlantik aufgegeben. Im Dezember 1922 wurde die Pittsburgh von Stürmen stark beansprucht, bestand aber souverän. Sie fuhr zwischen Bremen – Southampton – Halifax – New York. Im November 1923 setzte man sie auf die Route Hamburg – Southampton – Halifax – New York ein.

Die Pennland war 1914 zur Fertigstellung bereit erklärt worden. Gebaut wurde das Passagierschiff auf der Werft Harland & Wolff im irischen Belfast, sie erhielt die Baunummer 457. Der Stapellauf fand am 11. November 1920 statt, die Übergabe erfolgte am 25. Mai 1922, die Indienststellung am 6. Juni 1922.

Das Schiff war 175,4 Meter lang und 20,66 Meter breit, der Tiefgang lag bei 12,46 Metern. Die Vermessung wurde mit 16.322 BRT, die Maschinenleistung mit 12.200 PS (8973 kW), und die Höchstgeschwindigkeit mit 15 Knoten (28/km/h) angegeben. Zwei der drei Propeller wurden von den beiden Dreifachexpansions-Dampfmaschinen und der mittlere Propeller von der Niederdruckturbine angetrieben. Die Tragfähigkeit lag bei 10.800 tdw, der Rauminhalt umfasste 9936 Kubikmeter. Der Heimathafen des Dampfers war Liverpool.

Anfang 1925 erfolgte der Schnitt, aus der Pittsburgh wurde die Pennland. Die Umbenennung hatte die Folge, dass sie nun im Dienst der Red Star Line unterwegs sein würde, und zwar auf der Route Antwerpen – Southampton – Halifax – New York. Die erste Atlantiküberquerung startete das zuvor in Pennland II umbenannte Schiff am 2. April 1926. Registriert war sie aber für Frederick Leyland & Co. (Leyland Line), die zur IMMC gehörte. Kein einziges Mal wurde die Pennland von Leyland genutzt.

Im Januar 1930 wurde die Pennland vollkommen neu konzipiert, die Passagierklassen änderten sich. Nun wurden nur noch Reisende der Touristenklasse und der Dritten Klasse befördert. Am 16. November 1934 absolvierte die Pennland II ihre letzte Reise für die Reederei Red Star Line vor der Zusammenbruch. Der deutsche Reeder Arnold Bernstein hatte es gekauft. Wie es zu diesem Ankauf kam, ist nicht bekannt. Die Pennland II wechselte nach ihrer letzten Fahrt damit in die neue Red Star Line GmbH Hamburg. Die Pennland II wurde in Kiel umgerüstet, was nur noch 486 Passagiere der Touristenklasse und 1500 in der 3. Klasse auf dem Dampfer erlaubte. Am 10. Mai 1935 fuhr das Schiff von Antwerpen über Southampton nach New York.

Im April 1939 kam es abermals zu einem Wechsel. Die Holland-America Line übernahm die Red Star Line GmbH und kaufte das Schiff, ab Juni des Jahres war es auf seiner bisherigen Route unterwegs nach Rotterdam. Im September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, im April 1940 war es vonnöten die letzte zivile Fahrt zu beenden. Die Route führte von Antwerpen über Dünkirchen nach New York. Nach der Rückkehr nach Liverpool wurde sie vom britischen Ministry of War Transport (MoWT) eingechartert und als Truppentransporter unter Beibehaltung des niederländischen Managements genutzt.

Am 25. April 1941 befand sich das zu Truppentransporten nach Ägypten und zu Verstärkungen für Griechenland eingesetzte Schiff in der Souda-Bucht an der Nordwestküste von Kreta, als ein deutscher Tiefflieger es bombardierte. Danach war es schwer beschädigt, vier Besatzungsmitglieder kamen um ihr Leben. Das Schiff war so zerstört worden, dass es nicht mehr gerettet werden konnte. Der Zerstörer Griffin beschoss es solange, bis es versank.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer

DAS LETZTE TRADITIONELLE POSTSCHIFF

Die Pendennis Castle war ein Passagierschiff, das seine längste Zeit zwischen England und Südafrika pendelte. Es geriet in eine Seefahrtperiode, in der die Passagierlinienfahrt von der Luftfahrt übertrumpft wurde. Das war ihr Schicksal.

Pendennis Castle ist eine Mischung aus einem Fort und einem Schloss bei Falmouth – am Westufer des River Fal – in der englischen Grafschaft Cornwall. Das Anwesen ließ König Heinrich VIII. in der Zeit zwischen 1539 und 1545 errichten. Anlass war die Bedrohung durch französische und spanische Überfälle. Pendennis Castle war als Verteidigungswall gebaut worden, mit einem Torhaus und einem runden Turm, von dem aus die Gegend überschaut werden konnte. Das relativ niedrige Burgschloss beeindruckt durch seine trutzige Ansicht, es wird heute als gut erhaltenes Denkmal (Status English Heritage) gehegt und gepflegt.


Foto: Sammlung JSA

Viele Engländer sind traditionsbewusst, sie wissen, dass an diesem Ort unter der Ägide Heinrichs die Abkehr vom katholischen Glauben stattgefunden hat. Woraufhin der Papst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die katholischen Könige Frankreichs und Spaniens zum Krieg angefeuert hatte. Seeschlachten und andere Angriffe konnten abgewehrt werden, zeitweise war aber die Burg belagert worden, bis zu 1000 Männer, Frauen und Kinder mussten sich wegen Hungers ergeben. An diesem Ort wurde England durch eine Reformation zu den Protestanten angeschlossen. Zugleich wurden die Royalisten – Konservative, die den Katholizismus behalten wollten – zurückgedrängt, das geschah im Englischen Bürgerkrieg.

Mit dieser dramatischen Vergangenheit wurde die von der Union Castle Mail Steam Ship Company Ltd. bestellte Pendennis Castle im Januar 1959 in den Dienst gestellt. Es war Vorgänger der Dampfer Transvaal Castle und Windsor Castle, die zeitnah folgten.

Foto: Sammlung JSA

Man wollte das in die Jahre gekommene Schiff Arundel, Baujahr 1921, nach weit mehr als 200 Reisen, ersetzen. Die Pendennis Castle war bereits im November 1955 auf Kiel gelegt worden, kurz vor der Fusion von Clan Line Steamers und Union Castle zur British & Commonwealth Shipping Company im Januar 1956. Die Arbeiten an dem zunächst als dritte Einheit der kleineren Pretoria Castle-Klasse geplanten Schiff waren bereits angelaufen, als nach mehrfacher Prüfung von Designern Änderungen beschlossen wurden, die u. a. mittschiffs eine Verlängerung zur Installation von Denny-Brown–Stabilisatoren zu ermöglichen. Es sollte das traditionelle Postschiff darstellen, aber auch ein zeitgemäßes, stromlinienförmiges Schiff werden, zudem mit mehr Tempo auf der Strecke.

Das Passagierschiff hatte seinen Heimathafen in Southampton. Die Arbeit an dem als Baunummer 1558 geführten Projekt begann bei der Werft Harland & Wolff im nordirischen Belfast. Nach einem Streik der Arbeiter lief das Schiff endlich am 24. Dezember 1957 vom Stapel. Die Taufe war bereits am 10. Dezember des gleichen Jahres erfolgt. Bis zur Fertigstellung sollte noch fast ein Jahr vergehen, am 14. November 1958 wurde es zum neuen Flaggschiff der Reederei Union-Castle Line ausgerufen. Am 1. Januar 1959 ging das Schiff auf Jungfernfahrt von Southampton nach Kapstadt und zurück in den Heimathafen. Kapitän war George Mayhew.


Foto: Sammlung U. Horn

Die Pendennis Castle blieb in der gesamten Zeit ihrer Existenz unter der Flagge des Vereinigten Königreiches. Nur die Namen änderten sich: von 1976 bis 1978 hieß sie Ocean Queen, von 1978 bis 1980 Sinbad bzw. Sinbad I. Die Fotografien des Dampfers zeigen durchweg ein erhabenes Schiff. Der Schornstein war gelb im unteren Teil, oben schwarz gehalten. Offiziell wurde der Schornstein als goldbraun bezeichnet.

Das Schiff war stolze 232,86 Meter lang und 25,48 Meter breit. Der Tiefgang lag bei 9,47 m, die Vermessung wurde mit 28.582 BRT angegeben. Der Antrieb erfolgte durch Harland & Wolff-Dampfturbinen die über Doppelluntersetzungsgetriebe auf zwei Festpropeller arbeiteten. Die Maschinenleistung lag bei 40.000 kW (54.385 PS), die Höchstgeschwindigkeit bei 22,5 Knoten (42 km/h). Mit dieser technischen Ausstattung galt das Schiff ein höchst moderner Dampfer, großräumig und elegant. Außerdem war er einer der ersten Dampfer mit Stabilisatoren.

Die zugelassene Passagierzahl lag bei 675 Personen, die Anzahl der Besatzung wird nicht genannt. Bekannt ist aber, dass erstmals Kellnerinnen seit 1962 auf einem britischen Schiff zugelassen wurden, sie hießen „Stewardettes“ und waren ausschließlich im Restaurantbereich tätig. Die Route war vorgegeben: von Southampton über Las Palmas, dann Port Elizabeth East London und Durban nach Kapstadt. Gelegentlich gab es auch einen Halt an der portugiesischen Insel Madeira.

Foto: Sammlung Jens Meyer

Im Juli 1964 wurden die Klimaanlagen aller First-Class-Kabinen erweitert, zusätzlich wurden in 21 Kabinen Duschen installiert. Zudem wurden die Freizeiteinrichtungen aufgewertet, um jüngere Passagiere, teils als Familien, anzulocken. Das war schon in der Periode, als die Konkurrenz durch die Luftfahrt eingesetzt hatte. Man musste sich etwas einfallen lassen und setzte auf Vergnügen.

1960 und 1961 wurden die bauähnlichen Schiffe Windsor Castle und Transvaal Castle von der Reederei eingesetzt, sie übertrafen die Pendennis Castle als vergrößerte Versionen. Die Konkurrenz innerhalb der eigenen Reederei begann.

Im Mai 1968 lag die Pendennis Castle in Southampton vor Anker, als ein Feuer ausbrach, das mehrere Räume mittschiffs beschädigte. Man versiegelte die Kabinen, Mitarbeiter von Harland & Wolff waren an Bord geholt worden und überarbeiteten die betroffenen Kabinen während der Fahrt.

Weil der Liniendienst nach Südafrika unrentabel wurde, entschlossen sich die Verantwortlichen, die Pendennis Castle aus dem Dienst zu nehmen. Das Ende der langen Reise war der 14. Juni 1976, danach wurde das Schiff ausgemustert und auf dem Markt angeboten.


Als „Ocean Queen“, Foto: Sammlung JSA

Im Juli desselben Jahres verkaufte Union-Castle Line das Schiff an die in Panama registrierte Ocean Queen Navigation Corp. Es sollte zum Kreuzfahrtschiff umgewandelt werden, im August wurde es nach Hongkong gebracht, mit dem neuen Namen Ocean Queen. Der Umbau wurde aber immer wieder aufgeschoben und fand dann nicht mehr statt. Elf Monate lang blieb die Pendennis Castle liegen, eine Katastrophe für ein Schiff, die Verrottung begann.

1978 erhielt das Schiff den Namen Sinbad, später Sinbad I, als es an das panamaische Unternehmen Kinvara Bay Shipping verhökert worden war. Es hieß, man könne es für Veranstaltungen, Partys oder als Unterkunft gebrauchen. Dazu kam es nicht, die einstige Pendennis Castle wurde zum Abbruch nach Kaohsiung verkauft, wo sie am 16. April 1980 eintraf.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer

EINST DER MODERNSTE SCHNELLDAMPFER

Die 1929 in Fahrt gekommene Bremen war von Anfang an eine ganz Große und schaffte Sensationelles. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie durch einen Brand zerstört.

Foto: Sammlung JSA

Das waren noch Zeiten in der altehrwürdigen Hansestadt Bremen, als die Bremen es zum Weltrekord brachte. Abends saßen die Leute am Tisch um den monströsen Rundfunkempfänger, die Familien mit den Alten, den Kindern, den Nachbarn, sie redeten aufeinander ein und waren stolz. Die Reederei Norddeutscher Lloyd (NDL) ließ die angelsächsische Konkurrenz auf dem Nordatlantik erbeben, dorthin hatte sie einen turbinengetriebenen 4-Schrauben-Schnelldampfer geschickt. Seine vier Getriebedampfturbinen von Parsons arbeiteten auf vier je 17 Tonnen schwere Bronze-Festpropeller mit einem Durchmesser von 5000 mm. Das Schnellschiff gewann bereits auf der Jungfernfahrt unter Kommodore Leopold Ziegenbein das Blaue Band des schnellsten Schiffes auf der Transatlantikstrecke zwischen Europa und New York. Für eine Überfahrt von vier Tagen, 17 Stunden und 42 Minuten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27,83 Koten (51,54 km/h). Das RMS Mauretania, das 20 Jahre lang das Band hatte flattern lassen, war abgemeldet. Der Knaller hielt wochenlang wie ein Echo in der Stadt an. Bald darauf klebte man Briefmarken mit Ansicht der Bremen auf den Briefumschlag.

Foto: Sammlung JSA

Der Bau des bereits vierten NDL-Schiffes dieses Namens begann mit riesigem Aufwand. Es hatte sich herumgesprochen, dass der Bau des Dampfers insgesamt rund 65 Millionen Reichsmark verschluckt hatte, die Hanseaten konnten sich das leisten. Die Bremen war am 18. Juni 1927 bei der Deutsche Schiff- und Maschinenbau (DeSchiMAG)-Werft AG „Weser“ in Bremen auf Kiel gelegt worden. Honoratioren brachten sich in Position, als am 16. August 1928 der Reichspräsident Paul von Hindenburg den Dampfer auf den Namen Bremen taufte. Die besten Architekten und Techniker waren anwesend, sie hatten intensiv an dem mit 7000 t hochfestem Stahl und sogenanntem Taylorschen Bugwulst erstellten Schiff mitgearbeitet. Am 12. Juni 1929 begannen die ersten Probefahrten, am 27. Juni zeigte die Bremen mit einer maximalen Geschwindigkeit von 28,8 Knoten, wozu sie fähig war. Am 5. Juli 1929 wurde der Dampfer feierlich an den Norddeutschen Lloyd übergeben, an 16. Juli begann die Jungfernfahrt von Bremerhaven nach New York. Was für ein Triumph!

Das Schiff mit der Baunummer 872 war 286,10 bzw. 276 Meter lang und 31,10 Meter breit. Der Entwurfstiefgang lag bei 9,7 Metern, max. 10,32 Meter, die Vermessung wurde mit 51.656 BRT angegeben; ab 1939 51.731 BRT. Als Geschwindigkeit wurden 27 bis 29 Knoten (50-53,7 km/h) bei einer Leistung von 87.000 PS (62 MW) bis zur größten an der Welle gemessenen Nutzleistung, 135.000 PS (99 MW) erreicht. Bei der See-Erprobung wurde angeblich kurzzeitig eine Spitzengeschwindigkeit von 32 kn erzielt. Den Seefahrern hoben sich die Schiffermützen hoch, die Flagge des Deutschen Reiches wehte heftig.

Insgesamt war Platz für 2228 Personen, davon 811 in der Ersten Klasse, 500 in der Zweiten, 399 in der Touristenklasse und 617 Passagiere in der Dritten Klasse. Die Mannschaft an Bord bestand aus 966 bis zu 1000 Besatzungsmitgliedern.

Die Kessel- und Maschinenanlage war von Gustav Bauer geplant worden, der sich u.a. durch die „Bauer-Wach“-Abdampfturbine einen Namen gemacht hatte. Die vier Kesselräume waren atmosphärisch geschlossen, so dass die Verbrennungsluft für die Ölbrenner der Kessel durch acht Dampfturbinengebläse in die Kesselräume geblasen wurde, die folglich unter Überdruck standen und nur durch Druckschleusen zugänglich waren. Installiert wurden zur Dampfbereitung 20 ölgefeuerte Wasserrohr-Dampfkessel, elf Doppelender und neun Einender in vier Gruppen mit insgesamt 227 Ölbrennern. Die Dampfspannung betrug 23 atü bei einer Dampftemperatur von 370 °C am Überhitzeaustritt. In den Häfen standen drei Kessel mit eigenem Gebläse zur Verfügung, so dass die Schleusen für notwendige Arbeiten in den Kesselräumen offen bleiben konnten. Das Speisewasser ließ sich auf 130 °C vorwärmen. Jeden Tag wurden pro Stunde 33 Tonnen Heizöl verbraucht, etwa 800 Tonnen täglich. 7552 Tonnen Öl waren im Schiffsbauch gebunkert. Den Strombedarf deckten vier Generatoren, die von Dieselmotoren angetrieben wurden. Das Schiff, dessen beiden Schornsteine 1930 um fünf Meter erhöht wurden, hatte 420 Elektromotoren, 21.000 Glühlampen, 20 Aufzüge und elektrische Kochherde an Bord.

Mit an Bord: Ein Katapultflugzeug. Foto: Hapag-Lloyd AG, Hamburg

Das Schwesterschiff der Bremen, die Europa, gehörte bereits zu den modernsten Schnelldampfern der Welt. Die technischen Maßstäbe waren hoch, Komfort und Luxus galten als einmalig, und um das Ganze in Betrieb zuhalten, waren allein im technischen Bereich 170 Mitarbeiter in abwechselndem Dauereinsatz, rund 30 davon waren erfahrene Schiffsingenieure. Beide Schiffe hatten auf dem oberen Deck zwischen den beiden Schornsteinen ein Katapult für ein Wasserflugzeug, damit konnte die Postbeförderung zügiger bedient werden. Erst hatte sie die einzig je gebaute Heinkel HE 12 auf dem Oberdeck, am 5. Oktober 1931 kam es zu einem Unglück, bei dem die Flugzeug-Besatzung zu Tode kam. Die Bremen erhielt die nächste einzig je gebaute Heinkel HE 58, sie war zuvor auf der Europa im Einsatz. Ab 1933 bis 1935 war eine Junkers Ju 46 im Dienst.

Die Bremen hatte Pech, sie geriet in die Zeit der Weltwirtschaftskrise, die Passagierzahlen schrumpften. Erst nach der antisemitischen „Reichskristallnacht“ im November 1938 kam es zu einem leichten wirtschaftlichen Aufschwung. Jüdische Passagiere verließen als Auswanderer ein Deutschland, das ihre deutsch-jüdischen Bürger drangsalierte. 40 Prozent sämtlicher Passagierplätze des Norddeutschen Lloyd wurden 1938/39 von Emigranten jüdischer Herkunft belegt.

1930 hatte die Bremen das Blaue Band an ihr Schwesterschiff Europa abgeben müssen, 1933 holte sie es sich zurück. 1935 wurde das neue französische Großschiff Normandie zum Bandträger. Dennoch blieb die Bremen ein von Passagieren geschätztes Schiff, im Februar 1939 umrundete es Südamerika, im August begann ihre letzte Reise nach New York. 190 Rundreisen hatte die Bremen in zehn Jahren hinter sich gebracht.

Foto: Sammlung: JSA

Zu Kriegsbeginn im September 1939 konnte die Bremen noch Passagiere nach New York bringen, auf Bitte der Briten wurde sie dort festgehalten. Nach Waffendurchsuchung und 36 Stunden Ausharren ließen die Amerikaner das Schiff auslaufen. Es war genötigt, den sowjetischen Hafen Murmansk anzulaufen, dort war es drei Monate festgesetzt. Danach ließ man es auslaufen, im Dezember war es auf Kurs nach Wesermünde. Man hatte sich dem Winter mit seinen Nebeln angepasst, das Schiff hatte einen grauen Tarnanstrich erhalten, um nicht von britischen Schiffen aus entdeckt und beschossen zu werden. Aus Wesermünde gelangte die Bremen nach Hamburg und wurde – wie die Europa – zum Truppentransporter für die Operation „Seelöwe“ umgebaut.

Am 16. März 1941 kam es zu einem Feuerausbruch. Es musste in bremischen Gewässern geflutet und auf Grund gesetzt werden. Der 17 Jahre alte Schiffsjunge Gustav Schmidt gab an, dass Feuer gelegt zu haben, ein Racheakt, weil ein Vorgesetzter ihn geohrfeigt hatte. Der Junge wurde zum Tode verurteilt, die Hinrichtung erfolgte sofort. Zwischenzeitlich war nicht mehr klar, ob Schmidt das Feuer gelegt hatte. Es kam nicht zu einem völligen Ausbrennen. Am 10. Oktober 1941 wurde das Schiff in Wesermünde am Kaiserdock II eingedockt, eine Schadensbesichtigung fand statt, Gegenstände der Einrichtung wurden ausgebaut und eingelagert. Die Bremen war heruntergekommen und wurde allmählich verschrottet. Das dauerte bis 1946, dann wurden die restlichen Doppelbodensektionen des Schiffes ans Nordufer der Weser gegenüber von Nordenham verschleppt und dort versenkt. Bei Ebbe sind auf einer Sandbank bei Blexen manchmal bis heute noch Bodenplanken und andere Teile der Bremen zu sehen.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer

REKORDBRECHER UND MILITÄRTRANSPORTER

Die Stirling Castle war seit 1936 ein Passagierschiff der britischen Reederei Union-Castle Line, im Postdienst zwischen Southampton und Südafrika. Sie brach den Geschwindigkeitsrekord.

Wenn das eindrucksvolle Schiff in den Hafen von Kapstadt einfuhr oder ihn verließ, fanden sich jedes Mal viele Menschen ein, die dem Ozeankreuzer hinterher staunten. Unter dem wuchtigen Bergpanorama der südafrikanischen Stadt hatte das elegante, schnittige weiß-rote Schiff, das riesige Wellen vor seinem Bug herschob, eine Aura. Er war ein echter Hingucker, so ein prachtvolles Schiff sah man nicht alle Tage. Wahrhaftig ein Castle, ein Schloss auf dem Wasser, nach einem gleichnamigen Schloss in Schottland benannt. Die im Mai 1936 in Dienst gestellte Schwester Athlone Castle war auch ein stolzes Wasserfahrzeug. Aber die Stirling Castle hatte ein Fludium, von ihr ging eine ganz bestimmte Atmosphäre aus. Irgendwie adelig, majestätisch, souverän und doch zugleich modern, also anderen Schiffen überlegen. Ihr Heimathafen war offiziell London, aber die britische Hauptstadt wurde nicht oft angesteuert.

Foto: Sammlung Jens Meyer

Das langgezogene, 25.550 BRT (15.687 NRT), große Doppelschrauben-Motorschiff war von der Werft Harland & Wolff im nordirischen Belfast als Baunummer 941 erstellt worden. Am 1. Mai 1934 erfolgte die Kiellegung, am 15. Juli 1935 ließen es die Arbeiter vom Stapel. Als Taufpatin fungierte Mrs. Robertson Gibb. 223,72 Meter war die Stirling Castle lang und 25,29 Meter breit, ihr Tiefgang lang bei maximal 9,8m. Der Schornstein mächtig und herausragend, schwarzrot gestrichen, dazu zwei Masten und zwei Propeller. Der Antrieb erfolgte durch zwei von Harland & Wolff in Lizenz von Burmeister & Wain gebaute zehnzylindrige Zweitakt-Dieselmotoren, die auf je einen Propeller arbeiteten. Diese bisher größten in Großbritannien hergestellten Motoren mit einer Bohrung von 66 cm und einem Hub von 150 cm waren 22 m lang, 10 m über Kurbelwellenmitte hoch und wogen 900 Tonnen. Die Maschinenleistung war enorm, 24.000 PS (17.652 kW), die Höchstgeschwindigkeit betrug 20 Knoten (37 km/h). Die Tragfähigkeit wurde mit 15.421 tdw angegeben. In der Ersten Klasse gab es Platz für 297 Personen, in der Kabinenklasse 492 Passagiere. Als Fracht wurde vor allem Post transportiert.

Am 7. Februar 1936 erfolgte die Indienststellung, dem Schiff sollten 40 Jahre bleiben. Am selben Tag begann die Jungfernfahrt von Southampton nach Kapstadt, das sollte fortan ihre Linie sein. Aber weil das Schiff so viel hermachte, musste es sich auch beweisen. Am 4. September stellte die Stirling Castle auf dieser Route erstmals alle Geschwindigkeitsrekorde ein, die zuvor erlangt worden waren. Sie erreichte Kapstadt nach einer Fahrtzeit von 13 Tagen, sechs Stunden und 30 Minuten. Und wieder hatten sich die staunenden Neugierigen am Hafen eingestellt. Sie wussten über den Rundfunk, dass der bisherige Rekord des SS Scot, eines Schiffes des Vorgängers der Reederei Union Line, gebrochen war. Er hatte lange gehalten, von 1893 an, er lag bei 14 Tagen, 18 Stunden und 57 Minuten.

Das Schwesterschiff der Stirling Castle, die Athlone Castle. Foto: Sammlung JSA

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Stirling Castle am 19. Oktober 1940 zum Truppentransporter, die Kabinen und andere Räume wurden umgebaut, das Schiff hatte nun eine Kapazität von 5000 Soldaten. Es fuhr unter anderen WS-Geleitzügen, 1942 war sie das Flaggschiff des ersten Konvois. WS bedeutete Winston’s Special, militärisch gesicherte, unregelmäßig verkehrende britische Konvois aus Truppentransportern und Frachtschiffen, die Menschen und Güter zu sämtlichen Kriegsschauplätzen brachten.

Während sich das Schiff nach Brasilien begab, erklärten die USA dem Deutschen Reich den Krieg. Von da an, ab 1943, lief es nur noch von Häfen der Vereinigten Staaten aus. Auf einer Fahrt befanden sich sogar 6000 Soldaten an Bord, der Einsatz erfolgte bis Kriegsende. In dieser Zeitphase hatte die Stirling Castle insgesamt 505.000 Seemeilen absolviert und 128.000 Mitglieder der US-Army befördert. Das Schiff kam unversehrt durch den Krieg, andere Schiffe der Reederei und anderer Reedereien hatten dagegen allerlei Beschädigungen vorzuweisen.

1946 wurde das Riesenschiff aus dem Regierungsdienst entlassen. Am 31. August desselben Jahres fuhr es nach Australien, am 28. September kam es in Fremantle an. Dort wurde das Schiff umgerüstet, um wieder in den Passagierservice zurückkehren zu können. Das geschah 1947, nachdem in den Monaten zuvor schon der Postdienst wieder übernommen worden war. Die Unterkünfte für Passagiere waren nun für 245 Reisende in der Ersten Klasse und 538 in der Touristenklasse ausgelegt und das Schiff wies eine um vier auf 25224 BRT vergrösserte Vermessung auf.

Der Zeitzeuge Rodney Gascoyne war Crewmitglied auf der Stirling Castle Ende der 1950er Jahre und in den 1960er Jahren. Er hat schriftlich festgehalten, was er an Bord des Schiffes erlebt hat. Nachdem er nach der Anmusterung seinen Job antrat, erhielt er, wie er schrieb, eine Kabine, „sie lag direkt vor dem Büro in der Ersten Klasse und überbrückte ein Brunnendeck (oder ein versunkenes Deck) unter dem Vorderdeck des Schiffes, aber mit Öffnungen nach See auf jeder Seite, die Tageslicht in die Kabine ließen. Es war eine umgebaute Erste-Klasse-Kabine mit einem Waschbecken und einer vollwertigen Koje, zusammen mit einem Schreibtisch, einem Tagesbett und Kleiderschränken, die aus Teakholz gebaut waren.“

Gascoyne beschreibt auch die massiven Dieselmotoren mit jeweils zehn Zylindern, „von einem minderwertigen Schweröl angetrieben, das erhitzt werden musste, um es brennbar zu machen. Es gab auch separate Generatorensätze, um Strom zu erzeugen, wenn die Hauptmotoren nicht liefen.“ Manchmal lag die Hitze im Maschinenbereich bei bis zu 140 Grad.

Trotzdem schaffte es das Schiff, die vorgegebenen Fahrtzeiten einzuhalten. Gascoyne berichtet: „Am Donnerstag um 6 Uhr morgens, zwei Wochen nach dem Auslaufen, würde das ausgehende Schiff in Kapstadt ankommen, während die Ankunft in Richtung Norden am frühen Freitagmorgen erfolgt. Das nach Süden fahrende Schiff würde über Nacht in Kapstadt bleiben und dann nach Port Elizabeth, East London, versegeln und schließlich das Ende der Fahrt in Durban am Indischen Ozean erreichen.“ Seine Feststellung: „Der Service lief wie am Schnürchen.“ Er merkte aber, die Stirling Castle „näherte sich dem Ende ihres Wirtschaftslebens, war aber im Laufe der Jahre gut gepflegt worden und sah immer noch sauber und ordentlich aus.“ Zwei Nachteile hielt er fest. Das Schiff hatte noch keine Stabilisatoren und keine Klimaanlage, was für die Routen in Tropenregionen ungünstig war.

1965 war das Ende der Stirling Castle entschieden worden. Ein geplanter Verkauf an einen Abbrecher in Taiwan (wie er bereits zwei Monate vorher für ihr Schwesterschiff gelungen war) war gescheitert. Am 30. November des Jahres schickte man sie zur letzten Überfahrt nach Southampton. In den kommenden Monaten wurde sie aber noch für Kreuzfahrten in der Nordafrikaregion eingesetzt. Am 1. Februar 1966 verließ das Schiff Southampton zum letzten Mal und kam am 3. März in Japan, im Hafen Mihara an, dort übernahm die Firma Nichimen Kagaku Kogyo K.K. das Abwracken.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer

Das Schiff mit den zwei Gesichtern

Die „Belgenland“ war ein Transatlantik-Dampfschiff der belgisch-amerikanischen Reederei Red Star Line, mit dem es schnell zu Ende ging.

Dieses Schiff war in seiner Zeit zu groß – es war überdimensioniert und hatte deshalb kein langes Leben. Dabei hatte alles gut angefangen mit dem Luxusliner unter der belgischen Registernummer 140517. Es waren die Jahre, in denen der Wettbewerb um die größten und schnellsten Schiffe für die Atlantikpassage tobte, der Untergang der RMS Titanic im April des Jahres 1912, der 1495 Menschen das Leben kostete, war schnell wieder vergessen.

Swimming Pool, BELGENLAND, 1925-1927, Foto: Collection City of Antwerp, MAS

Die Route Antwerpen – New York war beliebt, sie wurde von der Lapland der Red Star Line seit 1909 bedient. Die belgisch-amerikanische Reederei schwenkte im Kampf um die Gäste und immer höhere Einnahmen auf einen expansiven Kurs um, finanziell beteiligt war auch das Königreich Sachsen-Coburg. Die stärkste Konkurrenz war die Holland Amerika Line in den Niederlanden, der wollte man den Schneid abkaufen. Die Planung und Entstehung der Belgenland war ganz eindeutig an der Olympic und Titanic, den größten Schiffen dieser Zeit, ausgerichtet. Die Belgier hatten allerdings keineswegs die technischen Voraussetzungen, um ein solches Riesenschiff zu bauen. Der Auftrag ging deshalb an die Schiffswerft Harland & Wolff in Nordirland, 1851 in Belfast gegründet und mit 30.000 Mitarbeitern in ihrer Glanzzeit eine der größten Werften Europas; dort war auch die Titanic gebaut worden.

Dining Room, LAPLAND, 1910,
Foto: Collection City of Antwerp, MAS

Am 31. Dezember 1914 wurde das als Bau-Nr. 391 geführte Schiff unter dem Namen Belgenland vom Stapel gelassen, 1917 kam es im Transatlantikdienst unter dem Namen Belgic in Fahrt. Es war bei 213,3 Meter Länge und 23,88 Meter Breite mit 24547 BRT vermessen und mit der Antriebs-Technik von damals ausgestattet: mit einer Dreifachexpansions-Dampfmaschine, einer Niederdruck-Abdampfturbine und drei Propellern. Mit 18500 PS fuhr das sich durch sein Kreuzerheck auszeichnende Schiff mit 18 kn (33 km/h) über die Meere. Es wäre das größte Passagierschiff der Welt geworden, für 2500 Menschen war Platz in den Kabinen und auf den Decks – doch durch den Ersten Weltkrieg kam alles anders.

Belgien war in diesem Krieg zum Schlachtfeld geworden, Antwerpen wurde von der kaiserlich-deutschen Armee okkupiert. In jenen Jahren konnte das Schiff nicht übernommen werden. Da Großbritannien dringend Schiffsraum benötigte, wurde das als Passagierdampfer konzipierte Schiff mitten im Krieg provisorisch fertiggestellt, umgebaut, erst als Frachter, dann als Truppentransporter. Die Bereederung übernahm die britische White Star Line, die das Schiff außen und innen in eine ganz neue Form brachte. Statt der drei geplanten Schornsteine wurden dem Schiff nur zwei aufgesetzt, die anspruchsvollen Aufbauten strich man ganz, das Schiff wurde optisch als skurril empfunden.

Nach dem Krieg wurde es kurzzeitig und karg aufgehübscht als Passagierschiff eingesetzt, allerdings nur für Reisende der III. Klasse. Erst 1923 war es für die Red Star Line möglich, ihr Flaggschiff wieder zu übernehmen und mit seinem ursprünglichen Namen Belgenland zu versehen. Jetzt sollte es zum Superliner ausgebaut werden und auf dem Nordatlantik als Nonplusultra unter den Kreuzern gelten. In der Tat war es in jener Zeit ein einzigartiges Schiff, imposant und auch auf Winterrouten einsetzbar.

Die Band der BERGENLAND posiert für ein Foto, ca. 1925. Foto: Collection City of Antwerp, Friends of the Red Star Line vzw

Zunächst war die weiterhin in Liverpool registrierte Belgenland nach den ursprünglichen Plänen zum Luxusliner umgebaut und das dadurch auf 27132 BRT vergrösserte Schiff vor allem auf der Transatlantikstrecke eingesetzt worden. Später absolvierte sie als Kreuzfahrtschiff sechs Weltumrundungen, an denen britische und amerikanische Touristen und Geschäftsleute teilnahmen. Platz war für 500 Passagiere der Ersten Klasse, für 600 der Zweiten Klasse und 1500 der Touristenklasse. Bis 1936 war sie als eines der größten Schiffe der Welt unterwegs. Weil sie vorübergehend zur Belgic geworden und das Äußere so stark verändert worden war, sprach man auch von dem „Schiff mit den zwei Gesichtern“.

Die Belgenland erhielt eine attraktive Ausstattung. Es gab einen großräumigen Gesellschaftssalon, eine Bibliothek, Gymnastikraum und einen Swimmingpool. In der mit Palmen dekorierten Empfangshalle fand das gesellschaftliche Leben auf dem Schiff statt, das Bordorchester spielte auf und es wurden Tanzabende veranstaltet. Man konnte sich in einen Rauchsalon zurückziehen, in ein Verandacafé oder auf dem weitläufigen Promenadendeck spazieren. Der über 370 Plätze verfügende Speisesaal galt als „ultramodern“, die Passagiere ließen sich an Tischen mit zwei, vier oder sechs Stühlen nieder. Zudem gab es separate Lounges für Superreiche oder private Tischgesellschaften. Die Kabinen der Ersten Klasse boten fließend warmes Wasser und es waren immer dienstbare Geister zur Stelle.

Foto: Collection City of Antwerp, MAS

Die Belgenland galt vor allem in den „wilden Zwanzigern“ als außergewöhnliches Schiff, sie konnte mit den berühmten White Star-Liner mithalten. Ein goldener Käfig für reiche Zeitgenossen, die sich überschwänglichen Komfort leisten konnten. Es herrschten noch arge koloniale Vorurteile, mit denen die glamourös Reisenden manchen Volksgruppen blasiert begegneten, und es dominierte eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich. Am 4. Dezember 1924 gab es eine Weltreise von 133 Tagen, das hatte es auf einem Luxusdampfer zuvor noch nicht gegeben. Die Belgenland wurde daraufhin als „The Largest Ship to Circle the Globe“ beworben.

Einer der Passagiere war im März 1933 Albert Einstein, der nach dreimonatigem Aufenthalt in Amerika mit seiner Frau Elsa, seiner Sekretärin und einem Assistenten die Rückreise nach Deutschland angetreten hatte. Bereits an Bord erfuhr er, dass Adolf Hitler Reichskanzler geworden war, woraufhin er sich mit einem Schreiben von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften mit einem Rücktrittsgesuch verabschiedete. Er kehrte nicht nach Berlin zurück, sondern fuhr mit einem anderen Dampfer der Red Star Line, der Westernland, von Antwerpen wieder in die USA.

2. Klasse-Passagiere aus der Schweiz auf dem Außendeck der BELGENLAND, 1925-1927,
Foto: Collection City of Antwerp, MAS

Gegen Ende der 1920-er Jahre wurde die Red Star Line von der Weltwirtschaftskrise massiv getroffen. Das Unternehmen konnte sich nicht davon erholen, die Konsequenz war der Abschied von der Belgengrad. Im März 1933 brach das Schiff zum letzten Mal von New York auf nach Southampton, Le Havre und Antwerpen. Im Sommer des Jahres fanden noch drei Mittelmeerkreuzfahrten statt, aber der Atlantik wurde nicht mehr überquert. Im September 1933 legte man die Belgenland im Port of London an der Themse auf.

Außenbereich der BELGENLAND, Aktivitäten an Deck, 1923, Foto: Collection City of Antwerp, MAS

Dort blieb das Schiff bis 1935, dann wurde es an die amerikanische Atlantic Transport Company verkauft und von der ihr unterstellten Panama-Pacific-Line unter dem Namen Columbia als Kreuzfahrtschiff eingesetzt. Die Idee war, Passagiere ab New York in Kreuzfahrten über den Panamakanal nach Kalifornien zu bringen. Das lief schlecht an, so dass die Alternative nur Kreuzfahrten in der Karibik sein konnten. Dafür war die Belgenland/Columbia allerdings zu groß, es gab Probleme auf den Routen. Die Atlantic Transport Company gab auf, das Schiff wurde ausser Dienst gestellt.

Am 22. April 1936 begann die Fahrt von New York nach Europa, dort kam das Schiff am 4. Mai des Jahres im schottischen Bo’ness an und wurde dem Abbruchbetrieb P & W McLellan zum Abwracken übergeben. Seine Größe hatte dem Schiff zwar einige Zeit Vorzüge eingebracht, am Ende war es aber überdimensioniert.

Red Star Line Museum (Antwerpen/Belgien): Diverse Ausstellungen und Sammlungen zur Historie der Red Star Line und ihren Schiffen sowie der Geschichte der Auswanderer, geöffnet Di bis So 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr, Infos: www.redstarline.be/de/

Roland Mischke, Maritimes Lektorat: Jens Meyer


Ein fataler Fehler

Die „Andrea Doria“ war zu ihrer Zeit das größte und schnellste Passagierschiff der italienischen Handelsflotte. Im Juli 1956 versank sie im Nordatlantik.

Piero Calamai, ein erfahrener Kapitän im 58. Lebensjahr, hatte eine düstere Ahnung. Die Andrea Doria, die Mitte 1956 bereits 100 Atlantik-Überquerungen erfolgreich absolviert hatte, war nach dem am 17. Juli 1956 von ihrem Heimathafen Genua erfolgten Start nach acht Tagen in Amerika angekommen, vor Nantucket Island, Massachusetts, doch am neunten Tag, 25. Juli 1956, geriet sie in dichten Nebel. Das 1948 in Dienst gestellte schwedische Passagierschiff Stockholm kam auf Parallelkurs entgegen, sein Nebelhorn war nicht zu hören. Calamai hoffte, dass die Schweden das Nebelhorn der Italiener hörten, aber das 11500-BRT-Schiff, kleiner und wendiger, drehte plötzlich ab und kam auf sein Schiff zu. Das geschah 60 Seemeilen vor New York.

Die Stockholm, auf der Reise von New York heimwärts nach Göteborg, hatte einen viel stärkeren Eisbrecherbug. Damit rammte sie die Andrea Doria und riss deren Schiffskörper über 20 m Länge auf. Innerhalb weniger Minuten schossen 500 Tonnen Seewasser in das Schiff hinein – damit war das Schicksal des berühmten Ozeandampfers, der als eines der sichersten Schiffe der Welt galt, besiegelt. Über die Schuldfrage wurde viele Jahre vor Gerichten verhandelt, sie blieb ungeklärt. Klar war nur, dass neben der schlechten Witterung auch Leichtsinn und Technikgläubigkeit zum Untergang des Schiffes führten.

Der nach dem genuesischen Admiral Andrea Doria benannte Luxusliner war im Juni 1951 vom Stapel gelaufen, am 9.12.1952 abgeliefert worden und im Januar 1953 zur Jungfernfahrt gestartet. Das Schiff verfügte über opulenten Platz, es war bei 213,4 Metern Länge, 27,5 Metern Breite und 10,84 m Tiefgang mit 29.083 BRT vermessen. Sein Antriebssystem, zwei ölbefeuerte Kessel und zwei 50714 PS leistende Dampfturbinen, galt in der ersten Hälfte der 1950er Jahre als hochmodern, das Schiff erreichte damit über zwei Festpropeller eine Maximalgeschwindigkeit von 26 Knoten. Mit doppelwandigen Schotten und einem in elf Abteilungen unterteilten Rumpf galt es als eines der sichersten Schiffe auf den Weltmeeren, zudem war es bereits mit dem noch jungen Radarsystem ausgestattet, das aber auch störanfällig war.

Foto: Sammlung JSA

Erstellt wurde es von der Ansaldo-Werft in Sestri Ponente bei Genua als Baunummer 918. Zur Schiffstaufe erhielt es den Segen des Erzbischofs Giuseppe Siri, die Gattin des damaligen Ministers der Handelsmarine Italiens warf die obligatorische Flasche an den Rumpf. Schon auf der Jungfernfahrt geriet das Schiff vor Nordamerika in schwerste Stürme, meisterte aber bravourös die Lage und wurde daraufhin vom New Yorker Bürgermeister persönlich beglückwünscht.

Weil damals die Luftfahrt an Bedeutung gewann, wollte das Schiff mit einem nie dagewesenen Luxus Menschen anlocken. Das gelang, es war fast immer ausgebucht und warb mit mondäner Geselligkeit auf den Meereswogen. Für 1134 Passagiere und 572 Besatzungsmitglieder standen zehn Decks zur Verfügung. Die Gäste verwöhnte man in 31 Gesellschaftsräumen, einem Ballsaal und einem Wintergarten. Für die drei Klassen – Erste und Zweite Klasse sowie Touristenklasse – gab es je einen Swimmingpool, die Waschräume wurden prunkvoll eingerichtet, wie man es noch nie auf einem Schiff gesehen hatte; sie erinnerten an die Bäder im Rom der Cäsaren. Ganz modern waren dagegen die Information der Gäste durch die bordeigene Zeitung, die ihnen zum Frühstück druckfrisch auf die Tische gelegt wurde.

Allein für die Ausstattung und Kunstwerke des Schiffes, darunter eine lebensgroße Bronze-Statue seines Namensgebers, waren mehr als eine Million US-Dollar ausgegeben worden. Es versprach Vergnügungsreisen, wie sie seinerzeit einzigartig waren. Kellner servierten Cocktails in den Lounges, die Bordkapelle spielte auf, an Bord konnte man Tontaubenschießen oder in Liegestühlen dösen, im Schiffsinneren liefen Filme und es gab eine Bibliothek. Immer wieder hieß es, die Andrea Doria sei das schönste Schiff, das je auf die Meere geschickt wurde. Erst später wurden Mängel benannt, so neigte das Schiff insbesondere bei fast leeren Treibstofftanks zu Krängungen, Schräglagen die ein gravierendes Problem für die Stabilität und damit für Seetüchtigkeit und Sicherheit werden konnten.

Foto: Sammlung JSA

Am letzten Tag der Andrea Doria waren die Reisenden schon gespannt, einige machten sich bereits fertig, um durch Ferngläser die Fackel der Freiheitsstatue vor New York zu sichten. 22.45 Uhr sieht der in Italien als bester Kapitän geehrte Piero Calamai, aus altem Seeadel, auf dem Radar das 17 Meilen entfernte Schwedenschiff. Er unternimmt nichts, es gibt keine Kommunikation über Funk und auch die Offiziere halten offenbar eine Überprüfung für unwichtig. Die exakt geplante Annäherung der Schiffe war damals noch nicht möglich, es gab keine „true motion“-Geräte, die Geschwindigkeit und Kurs anderer Schiffe genau erfassten. Calamai verlässt sich auf seine Erfahrung, reduziert die Geschwindigkeit nur leicht von 23 auf 21,8 Knoten und lässt das Nebelhorn einschalten sowie den Kurs nur wenig Grad nach Süden ändern.

Foto: Sammlung JSA

Zugleich begehen die Schweden offensichtlich einen Fehler, als sie vermuten, dass die Andrea Doria, inzwischen auf zwölf Meilen nahe, an Backbord aufkommt und sie deshalb ihren Kurs um ca. 20 Grad nach Steuerbord ändern, um den Passierabstand an Backbord zu vergrößern. Gegen 23 Uhr sind es nur noch vier Meilen, der Rechtsverkehr auf See muss eingehalten werden – und jetzt hätte Calamai sicherheitshalber ein paar Grad in Richtung der offenen See gehen können. Das ordnet er nicht an, die Kollision war nach dem Insichtkommen der Gegner aus dem Nebel auch durch die eingeleiteten Manöver letzten Augenblicks nicht mehr zu stoppen. In der späteren Analyse hieß es, beide Schiffe seien zu schnell gefahren und beide Seiten hätten die Radarbilder falsch gedeutet.

Die Andrea Doria erlitt starke Schlagseite, wodurch nur die Hälfte der Rettungsboote auf das Wasser gebracht werden konnte. 1660 Passagiere überlebten, weil außer der Stockholm vor allem auch andere in der Nähe befindliche Schiffe zahlreiche von ihnen aufnehmen konnten. 46 Menschen von Bord der Andrea Doria starben. Am Morgen des nächsten Tages konnten einige der Überlebenden aus der Ferne noch sehen, wie das Schiff im Meer versank.

Piero Calamai hat das Unglück nie verkraften können, seine Reederei ließ ihn fallen, er verfiel in Depressionen. Der Kapitän starb 1972 im Gram. Die Stockholm, auf der es 5 Todesopfer gab, lief vom Kollisionsort zurück nach New York, wo der zerstörte Bug repariert wurde. 1960 wurde sie an die DDR verkauft, dort fuhr sie bis 1985 unter dem Namen Völkerfreundschaft. Nach zahlreichen weiteren Eigner- und insgesamt 11 Namenwechseln ist sie seit 2016 als Astoria nach wie vor ein beliebtes Kreuzfahrtschiff.

Roland Mischke

Auf allen Ozeanen

Die Achille Lauro wurde 48 Jahre alt, sie hatte eine bewegte Vergangenheit.

Die Holländer waren stolz auf dieses Schiff. Alte Schule, ein Traum aus Stahl, hieß es in niederländischen Zeitungen. Am 25. Januar 1939 war die Kiellegung auf der „De Schelde Scheepswerf“ in Vlissingen. Wegen der Kriegswirren lief es erst am 1. Juli 1946 vom Stapel, es erhielt den Namen Willem Ruys. Er war der Gründer des Koninklijke Rotterdamsche Lloyd. Die Willem Ruys war Ende 1947 fahrklar und wurde als Linienschiff zwischen Rotterdam, Southampton, Suez, Port Said, Colombo, Singapur und Djakarta auf der Ostindienroute eingesetzt. Es war sehr beliebt bei holländischen Familien, die meist zu Verwandten im damals unter orangefarbener Flagge stehenden Indonesien reisten. Für damalige Verhältnisse war die Willem Ruys gut ausgestattet, mit Speisesälen, Mahlzeiten in zwei Sitzungen, Bar, Bordmusik, Kino, Pool und einem Kindergarten. Doch nach der Unabhängigkeit Indonesiens 1949 fielen die Passagierzahlen rasant, so dass das Schiff dann zwischen Kanada, Australien und Neuseeland zum Einsatz kam und bald zum Verkauf stand.

Foto: Archiv Udo Horn

Es war damals 192 Meter lang, 25 Meter breit, mit einer Tonnage von 21.114 BRT und wurde 1965 an die italienische Lauro Line übergeben. Die ließ die Willem Ruys modernisieren, das Außenbild veränderte sich völlig. Die breiten und flachen Schornsteine wurden demontiert, schmale und hohe Aufbauten aufgesetzt, der graue Rumpf blau angestrichen und der Bug schnittig gestaltet. Im Inneren kam es zu dezentem Luxus.

Es erhielt den Namen Achille Lauro, fuhr erst im Liniendienst nach Sydney, ab 1972 wurde es nur noch für Kreuzfahrten benutzt. Der Schiffsname stammt von dem 1887 geborenen Achille Lauro, der als Unternehmer einige Jahre Bürgermeister von Neapel war, als Politiker zu monarchistisch orientierten Neofaschisten gehörte und dessen Flotte in den letzten Jahren vor seinem Tod 1982 in den wirtschaftlichen Ruin trudelte. Ihm wurden mafiöse Verbindungen nachgesagt.

Am 7. Oktober 1985 befand sich die Achille Lauro auf einer Traumkreuzfahrt im östlichen Mittelmeer vor der ägyptischen Küste. Vor Alexandria brachten vier palästinensische Terroristen das Schiff in ihre Gewalt. Sie drohten es in die Luft zu sprengen, wenn ihre Forderung nach Freilassung von 51 in Israel inhaftierten Gesinnungsgenossen nicht erfüllt würde. Anführer der Entführung war Mohammed Abu Abbas, der später in Abwesenheit zu mehrfacher lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Foto: Archiv Udo Horn

Nach drei Tagen Irrfahrt verhandelten die ägyptischen Behörden mit den Entführern vor Port Said. Das hätte womöglich gut ausgehen können, wären die Geiselnehmer nicht ihrem Judenhass gefolgt. Als sie wussten, dass der 69 Jahre alte US-Bürger Leon Klinghoffer Jude war, erschossen sie ihn und warfen den Toten mit seinem Rollstuhl über Bord. Der damalige Kapitän Gerardo DeRosa konnte den Mord nicht verhindern. Das Drama wurde 1990 von Hollywood verfilmt, Burt Lancaster spielte in dem Film „Achille Lauro“ die Rolle Klinghoffers.

Die Ägypter ließen die Terroristen zum Ärger der Amerikaner nach Tunesien ausfliegen, mit US-Militärjets wurde das Flugzeug zur Landung in Sizilien genötigt. Italienische Behörden schoben Anführer Abu Abbas nach Jugoslawien ab, wo sich die Spur des Terroristen verlor. Im Golfkrieg 2003 wurde er in Bagdad gefasst und in amerikanische Gefangenschaft gebracht. Dort starb er 2004 an Herzversagen im Alter von 56 Jahren. Die anderen Entführer erhielten in Italien lange Gefängnisstrafen.

Foto: JSA

Es war weltweit der erste Terrorangriff auf ein Kreuzfahrtschiff, der dann zu einer massiven Änderung der Sicherheitskonzepte für Kreuzfahrten bis zum ISPS-Code führte.

Das Ende der Achille Lauro war tragisch, als sie auf der Fahrt von Genua nach Durban mit 572 Passagieren und 408 Besatzungsmitgliedern an Bord 30 Seemeilen östlich des Horns von Afrika im Indischen Ozean vor Somalia kreuzte. Im Maschinenraum war am 30. November 1994 ein Feuer ausgebrochen, es konnte nicht unter Kontrolle gebracht werden. Als sich der Brand über mehrere Decks ausweitete, wurde das Schiff evakuiert, mehrere Schiffe reagierten auf die SOS-Rufe, darunter die Hawaiian King sowie zwei Schiffe der United States Navy. Sie nahmen mit Rettungsbooten Passagiere und Mannschaft auf, versorgten sie medizinisch und brachten sie nach Mogadischu. Bis zum 2. Dezember wurde versucht, das Schiff über Wasser zu halten, doch die Fluten aus Löschwasserpumpen übergossen den Kreuzer, er bekam zehn Grad Schlagseite. Als das Schiff von einem Schlepper in Küstennähe gezogen werden sollte, kam es plötzlich zu einer Explosion. Zehn Minuten später war die Achille Lauro unter der Wasseroberfläche verschwunden.

Foto: Sammlung JSA

Drei Personen kamen bei dem Unglück ums Leben. 2004 wurden Kapitän Giuseppe Orsi und die drei höchsten Schiffsoffiziere von einem Gericht in Neapel wegen „Verfehlungen“ zu zweieinhalb und dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Roland Mischke

Geschichte von Schiffen

Die Geschichte von Schiffen

Die Kungsholm

Es war einer der letzten Ocean Liner im pompösen Stil der 1960-er Jahre. 201 Meter lang, 26,5 Meter breit, mit Platz für 730 Passagiere, Tonnage seinerzeit: BRT 26.678. Die Kungsholm war ursprünglich von der Schwedisch-Amerika-Linie für den Nordatlantikliniendienst nach Amerika eingesetzt worden. 1964 bis 1966 hatte man das Schiff auf der Werft John Brown & Company in Clydebank, Schottland, bauen lassen. Es erhielt die Baunummer 728, Auftraggeber war die in Göteborg ansässige Reederei Svenska Amerika Linjen. Eine elegante Lady, ein weißer Schwan der Meere, hieß es lobend in der internationalen Schiffsbranche. Ein Schiff mit großzügigen, offenen Promenaden mit lasierten Holzplanken, weitläufigen Deckflächen, zwei Außen- und einen Innen-Pool und für stürmische Strecken verglaste Wintergärten.

Kungsholmen, Foto: JSA

In dieser Serie geht es um das Schicksal von berühmten und gern erinnerten Schiffen. Was wurde aus ihnen, die für die Kreuzschifffahrt entworfen, entwickelt oder aufbereitet wurden? Schiffe sind massive Stahlkörper für fragile Menschenkörper auf hoher, mitunter wilder See. Transportmittel und Schutzraum, Erlebnis und Erinnerung. Sie bringen Menschen sicher über die Meere und in andere Länder.

Jedes Schiff hat seine ganz eigene Geschichte, von der Errichtung über den Ankauf von Reedereien und den vielfältigen Gebrauch bis zur Ausserdienststellung. Manche dieser Schiffe gibt es nicht mehr, andere sind noch als Klassiker vorhanden. Es lohnt sich, an sie zu denken.

Foto: JSA

Im April 1966 lief die Kungsholm vom Stapel und ging auf die Jungfernfahrt nach New York. Sie kam noch als ein so genannter Zweischornsteiner in Fahrt, eine Huldigung an die traditionsreiche Seefahrt, wobei der Vordere allerdings eine Attrappe war. Nach dem Verkauf an P&O Cruises 1978/79 wurde er im Rahmen eines Großumbaus entfernt, um dem Gesamterscheinungsbild (corporate identity) der Reederei P&O zu entsprechen.

In all den Jahren bis zum Verkauf 1975 an Flagship Cruises waren die Schweden stolz auf dieses Schiff. An Bord hatten sich in den Jahren viele Menschen kennengelernt, manche hatten ihre Hochzeitsreise absolviert, andere nutzten die Fahrt in die Neue Welt mehrfach und es gab eine Menge treuer Schiffsfreunde.

Foto: JSA

Unter dem Eigner P&O bekam sie den Namen Sea Princess, später die Namen Victoria, Mona Lisa, Oceanic II und Veronica.

In Deutschland hatte das Schiff über Lord Nelson Seereisen (Holiday Cruises) eine treue Fangemeinde gefunden. Nach dem Hin und Her von Kontinent zu Kontinent wurde das Schiff 2010 bei den Olympischen Spielen in Vancouver, Kanada, erstmals als Hotelschiff genutzt. Zuletzt lag der beliebte „Dampfer“ als Hotelschiff unter dem Namen Veronica im Hafen von Duqm im Sultanat Oman. Dorthin war sie gebracht worden, weil sie den neuen Sicherheitsanforderungen nicht mehr entsprach. Ein schwimmendes Luxushotel mit 200 Zimmern für Touristen und Geschäftsreisende. Der Eigentümer, die Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering Oman, hatte das Schiff anspruchsvoll umgewandelt zu einer Augenweide in einem Stadtteil von Duqm, dem Hafen- und Werftneubau (Oman Drydock).

2013 wurde der einstige Transatlantik-Liner, der zwischen Schweden, den USA und zurück nach Schweden jahrelang Tausende Menschen hin und her befördert hatte und den es zuletzt in ein arabisches Land verschlagen hatte, als Hotel geschlossen.

2015 brachte der italienische Hochseeschlepper Kamarina das Schiff von Oman nach Indien. Zum Abwracken setzte man es auf einen Strand nahe der Stadt Alang. Damit war das Ende der einstigen MS Kungsholm besiegelt. Vielen wird sie unvergessen bleiben. RM

Text: Roland Mischke, Fotos: enapress.com, JSA