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LUXURIÖS VIKTORIANISCH

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gab man den Vorzeigeschiffen für die Nordatlantikroute auch Städtenamen. Neben Rom oder New York wurde 1889 die SS City of Paris zu Wasser gelassen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einem erbitterten Konkurrenzkampf im Transatlantikdienst. Flugzeuge waren zwar erfunden und erprobt worden, aber es sollte noch lange dauern, bis sie für den Passagierdienst geeignet waren. Wer von Europa nach Amerika wollte oder umgekehrt, für den kam nur die Überfahrt auf dem Schiff infrage. Die „Ozeankreuzer“ wetteiferten in der Geschwindigkeit, zunächst noch im Windjammer-Stil, aber mehr denn je schon mit Dampfern mit Maschinenkraft und Propellern. Es war die Übergangsphase, als die Windkraft nur noch Notbehelf war und die moderne Technik auftrumpfte.

Foto: Sammlung U. Horn

Mit der City of Paris – nahezu praktisch baugleich mit der City of New York, ihrer Schwester – begann im Wettrennen auf dem Atlantik eine neue Ära. Das „viktorianische Wunderschiff“, wie es wegen seiner Größe ehrfürchtig genannt wurde, war „das Beste, was bis dahin schwamm“, hieß es in Zeitungen. Der Luxusliner besiegelte endgültig die lange, legendäre Zeit der Segelschifffahrtsgeschichte. Das Finanzkapital in Großbritannien und den USA witterte schnell ein attraktives Geschäft, die Regierungen der Länder subventionierten die „Cities“ großzügig. Die City of Paris war der erste Dampfer mit zwei Schiffsschrauben, und damit waren Ausfall und Verlust einer Schraube – was häufig vorkam – überholt.

Prompt setzte das damals größte Schiff der Welt bisher nie dagewesene Geschwindigkeitsrekorde auf. Die City of Paris erhielt daraufhin das Blaue Band, sie hatte west- und ostwärts die Atlantikpassage in sechs Tagen absolviert. Die durchschnittliche Geschwindigkeit war 19,5 Knoten.

Das Passagierschiff gehörte der britischen Reederei Inman Line mit Sitz in Liverpool, es war von der Pennsylvania Railroad mitfinanziert worden. Die Außenansicht der City of Paris war ganz ähnlich zum Vorgängerschiff City of Rome, das 1881 in den Dienst gekommen war; sie war aber etwas vergrößert. Gebaut wurde es auf der Bauwerft von John Brown & Company in Clydebank, Baunummer 241.

Der Stapellauf fand am 20. Oktober 1888 statt, die Übernahme erfolgte am 3. April 1889. Das Schiff fuhr unter der Flagge des Vereinigten Königreichs, später und nach Umbenennungen unter den Farben der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Schiffslänge war 170 Meter, die Breite 19 Meter. Im Maschinenraum Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen, sie erbrachten eine Leistung von 20.880 kW (28.389 PS). Das Schiff hatte vier Schornsteine und zwei Propeller. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 20 kn (37 km/h). Auf dem Schiff waren 1740 Passagiere zugelassen, betreut von 232 Männern der Besatzung.

Den Neubau hatte man mit einem eleganten Klipperbug versehen. Die Räumlichkeiten Erster und Zweiter Klasse waren mit Walnussholz vertäfelt, so die Bibliothek und der Rauchsalon. Der Speisesaal Erster Klasse erhielt eine Glaskuppel, um den Innenraum tagsüber mit natürlichem Licht zu füllen. Die Kabinen hatten elektrisches Licht und elektrische Ventilatoren, die Bäder fließend Kalt- und Warmwasser. Solche Innovationen hatte in dieser Zeit kein anderes Schiff zu bieten. Die gesamte Ausstattung war luxuriös im viktorianischen Stil und technisch auf dem allerneuesten Stand. Das Schiff war für mehrere Jahre das mit Abstand beste unter den Luxuslinern, der höchstgelobte Dampfer, der Menschen stolz in die Neue Welt brachte. Die Einnahmen waren gut.

Foto: Sammlung U. Horn

Dennoch gab es Probleme bei der Inman Line, die für die Traditionsreederei zum Ende ihrer Existenz führte. Die britische Regierung stellte 1893 sämtliche Subventionen für die City of New York und die City of Paris ein, die Inman Line konnte das nicht ausgleichen. Sie war gezwungen, beide Schiffe an den Konkurrenten, die American Line, die in den USA registriert war, käuflich abzutreten. Damit musste auch das Präfix „City of …“ aufgegeben werden, das Markenzeichen der Reederei Inman Line wurde von der American Line geschluckt.

Die City of Paris nannte man in Paris um. Zudem wurden dem Schiff aus Kostengründen ein Schornstein und mehrere Ausstattungsbauten abgenommen. Im Juli 1891 hatte sie auch das Blaue Band verloren. Sie musste es an die Majestic abgeben, die zur White Star Line gehörte. Im August des Jahres durchbrach die Teutonic ebenfalls den Geschwindigkeitsrekord.

Das einst schnellste Schiff auf dem Nordatlantik wurde während seiner Dienstzeit mehrfach umbenannt. Nach Paris (1893-1898 und 1898-1901) Yale (1898), dann Philadelphia (1901-1918) und danach Harrisburg (1918-1919).

Im März 1890 kam es bei hoher Fahrt zu einem kritischen Vorfall. Eine der Schraubenwellen des Schiffes zerbrach, der Rumpf der City of Paris wurde erheblich beschädigt, die Maschinen zerstört. Das Schiff wurde in den nächsten Hafen geschleppt. Umfangreiche Reparaturen waren notwendig, die Arbeiten dauerten ein ganzes Jahr. Das soll dem Schiff sozusagen den Hals gebrochen haben. Danach ging es wieder auf die Nordatlantikroute, hatte aber viel von seiner Großartigkeit beim Publikum eingebüßt.

1898 kam es zum Spanisch-Amerikanischen Krieg, er wurde aus wirtschaftlichen Gründen geführt. Zehn Tage vor Ausbruch des militärischen Geschehens wurde die Paris – inzwischen kurzfristig in Yale umbenannt – von der Regierung beschlagnahmt und zum Truppentransporter umgebaut. Das geschah auch mit anderen Passagierschiffen der American Line. Auf den Schiffen wurden Bordgeschütze installiert, im Innern alles für den Kriegseinsatz ausgestattet. Die Yale diente mehrere Monate als Transportschiff, im August 1898 ging sie wieder zurück an ihre Reederei. Und wurde ab Dezember abermals in den Passagierdienst geschickt.

Auf der ersten Zivilfahrt gelang es der Besatzung der Paris bei rauer See, dem in Not geratenen britischen Tanker Vidobala zu helfen. Sie rettete 22 von 23 Besatzungsmitgliedern. Am 2. Mai 1899 kam die Paris selbst in eine gefährliche Situation, als sie im Nebel vor Cornwall auf Grund lief. Sie wurde als quasi Totalschaden eingestuft und blieb vor der Küste monatelang liegen, bis ein Schlepper sie nach Belfast brachte. Bei der Reparatur modernisierte man zugleich das Schiff, die Maschinenanlage wurde erneuert und drei Schornsteine durch höhere ersetzt. Im August 1901 ging sie wieder in den Dienst, mit dem neuen Namen Philadelphia.

1913 wurde die Philadelphia Auswandererschiff, die Erste Klasse gestrichen. Im Ersten Weltkrieg nahm sie als Transporter für die US-Truppen teil. Sie bekam den Namen Harrisburg. Ab September 1919 wurde das Schiff noch im zivilen Schiffsdienst zwischen New York und Southampton genutzt, 1920 ausgemustert. Das Schiff lag zwei Jahre auf, dann sollte es im Mittelmeer eingesetzt werden. Das funktionierte nicht mehr. Nach der Aufliegezeit in Neapel brachte man es 1923 zum Abwracken nach Genua.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jürgen Saupe