Die Meyer Werft in Papenburg bekommt erstmals staatliche Gesellschafter. Das Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitern steckt in der schwersten Krise seit seiner Gründung 1795. Grund sind die Folgen der Corona-Pandemie, wodurch weniger Schiffe 2021 und 2022 abgeliefert wurden als geplant war.
Weniger Ablieferungen bedeuten auch weniger Einnahmen. Das gestreckte Orderbuch hat in Millionenloch in die Liquidität des Unternehmens gerissen. Bei der Werft fehlen nach Medienberichten etwa 400 Millionen Euro für die Fortführung des Betriebs ab Mitte September.
Diese Lücke wird jetzt durch den Einstieg vom Bund und dem Land Niedersachsen geschlossen. Am Donnerstag besuchten deshalb Bundeskanzler Olaf Scholz und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (beide SPD) die Werft. Auf einer Betriebsversammlung sicherten die beiden Politiker der Werft die Unterstützung für den Neustart zu. Vor der Belegschaft machte Scholz klar, worum es gehe. Was hier gearbeitet wird, ist beste deutsche Arbeit. Das ist ‚Made in Germany at its best‘, und deshalb müssen und werden wir dafür sorgen, dass das hier weiterhin seine große Kraft entfalten kann, in der Region und für unser Land“, so Scholz.
Mit der Überbrückung der Finanzlücke können die zuletzt hereingenommenen Aufträge zum Bau neuer Kreuzfahrer der Reedereien Disney und auch Carnival bis 2031 in die Bauzeitfinanzierung gehen. Bedingung ist allerdings ein Sanierungsprogramm. Dabei soll die Werft gemäß eines bereits erstellten Gutachtens profitabler und effizienter aufgestellt werden.
Zuletzt war die Ertragssituation nicht so, wie sie für ein Unternehmen dieser Größe sein sollte. Trotz gefüllter Auftragsbücher mit einem Volumen von fast elf Milliarden Euro steuerte die Werft deshalb jetzt auf die Insolvenz zu.
Deshalb wird jetzt bis 2027 die Gesellschafterstruktur durch den Einstieg von Bund und Land erweitert. Die Familie Meyer tritt aus der ersten Reihe der Geschäftsführung zurück und bekommt einen Sitz im Aufsichtsrat. Unter Leitung des aktuellen Werftvorstands Bernd Eikens und des Sanierungsexperten Ralf Schmitz soll nun eine Sanierung in den kommenden zwei Jahren die Werft in Papenburg fit für die Zukunft machen.
Aktuell hat die Werft acht Kreuzfahrtschiffe für Disney, NYK und Carnival und das Forschungsschiff Meteor im Auftragsbestand. Außerdem werden in Papenburg Stahlbausektionen für vier Offshore-Plattformen gebaut.
Durch die Bereitstellung des Eigenkapitals geben die Banken dann die Bauzeitfinanzierung frei. Bund und Land sichern diese Bauzeit-Kredite noch zusätzlich mit Bürgschaften in Milliardenhöhe ab.
„Wir sind dankbar, dass es mit einer so großen Verantwortungspartnerschaft zwischen der Werft, der Familie, der Politik, den Banken und den Mitarbeitenden gelungen ist, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Krise hinter uns zu lassen, die Werft wieder wettbewerbsfähig zu machen und auf ein profitables Wachstum auszurichten“, ließen Bernd Eikens und Ralf Schmitz nach dem Besuch des Kanzlers mitteilen.
Die Familie Meyer ist zukünftig als Minderheitsgesellschafter mit Sitz und Stimme im neuen Aufsichtsrat. „Die jetzt gefundene Lösung ist zwar für die Familie nicht einfach, aber wir haben immer gesagt, dass die Belange des Unternehmens über denen der Familie stehen. Wir sehen die große Chance mit dem Unternehmen wieder auf Kurs Zukunft zu gehen“, so Bernard Meyer. Er hatte bis zuletzt um eine Lösung ohne Staatsbeteiligung gekämpft und sogar eine Beteiligung von Reedereien und Investoren an der Werft prüfen lassen.
„Mit der Vereinbarung über ein Rückkaufsrecht für die Familie bleibt uns die Möglichkeit erhalten, wieder ein Familienunternehmen zu werden“, so Meyer.
Die Gewerkschaft IG Metall Küste begrüßt den Rettungsplan. „Durch den geplanten Einstieg von Bund und Land werden nicht nur die Standorte Papenburg und Rostock gerettet, sondern wichtige Teile des Schiffbaus in ganz Deutschland“, sagte IG-Metall Bezirksleiter Daniel Friedrich. Insgesamt hängen bis zu 18.000 Arbeitsplätze in der Ems-Region an der Werft.
Auf der Werft in Papenburg ist die Stimmung durchwachsen. Der Betriebsratsvorsitzende der Meyer Werft, Andreas Hensen, verwies auf die Geschlossenheit. „Wir konnten einen Stellenabbau zwar nicht verhindern, aber erreichen, dass weniger Jobs gestrichen werden als zunächst geplant und dass es vorerst keine betriebsbedingten Kündigungen gibt“, so Hensen. Bis März 2025 soll ein Freiwilligenprogramm greifen, welches im Detail noch ausgehandelt wird und in Kürze der Belegschaft vorgestellt werden soll. FB
Fotos: Meyer Werft, Christoph Assies