Worauf Großsegler-Fans unter den Kreuzfahrern seit 2017 vergeblich gewartet haben, soll ab September möglich sein: Buchungen auf einem der legendären France II aus dem Jahr 1913 nachempfundenen Fünfmastbark-Neubau, der als größter aktiver Rahsegler der Welt mit Passagieren dank seiner Eisverstärkung und Polar-Eisklasse auch in polaren Regionen operieren kann und u.a. auch aufgrund seiner für Schiffe dieser Art ungewöhnlichen Safe-Return-to-Port-Auslegung einen Platz im Guinness-Buch der Rekorde finden dürfte. Bemerkenswert auch, dass dieser auf Probefahrten bereits bewährte Neubau entgegen den Erwartungen des Marktes nicht als Flying Clipper im Katalog seines Auftraggebers, der monegassischen Reederei Star Clippers, zu finden ist, sondern von dem britischen Kreuzfahrt-Start-up Tradewind Voyages als Charterer unter dem Namen Golden Horizon vermarktet wird.
Ursprünglich wollte der visionäre Star Clippers-Gründer Mikael Krafft das am 5. Dezember 2015 als Bau-Nr. 483 bei dem zur kroatischen DIV-Gruppe gehörenden Brodosplit-Werft auf Kiel gelegte und mit zweijähriger Verspätung im Sommer 2019 fertiggestellte Schiff rechtzeitig zum 25-jährigem Jubiläum 2017 als vierte Einheit und neues Flaggschiff der Reederei unter dem Namen Flying Clipper unter Malta-Flagge in Dienst stellen. Wegen Differenzen über die Kontrakterfüllung war die Übergabe des Neubaus im August letzten Jahres auf unbestimmte Zeit verschoben und ein Arbitrageverfahren eingeleitet worden, in dessen Verlauf von Star Clippers eine gerichtliche Anordnung erwirkt wurde, die der Bauwerft den zwischenzeitlichen Verkauf des Neubaus an Dritte und die Verwendung des Namens Flying Clipper untersagt. Unter Berücksichtigung dieser Verbote wurde das nicht abgelieferte und daher noch im Besitz einer Tochtergesellschaft der Werft bzw. ihrer Muttergesellschaft befindliche und am Ausrüstungskai in Split liegende Schiff an den mit DIV Group-Beteiligung gegründeten, im Februar im Londoner Handelsregister eingetragenen und in Hadleigh, Suffolk ansässigen Betreiber Tradewind Voyages verchartert, was auch zur Minimierung der durch das Aufliegen anfallenden Kosten beitragen dürfte. CEO der Neugründung ist – wie berichtet – der bereits seit Jahresbeginn für DIV-Gruppe tätige Engländer Stuart McQuaker, ein ehemaliger Royal Navy-Commander und Consultant, der u.a. über Erfahrungen aus Führungsposition bei Saga plc und Saga Cruises verfügt. Zu seinem derzeit auf 15 Personen wachsenden Team gehören u.a. der früher für Carnival UK und Holland America Line (HAL) tätige Produkt-Chef Oliver Hammerer und der zuvor für P & O Cruises sowie Norwegian Cruises tätige Verkaufs- und Marketing-Direktor Jeremy McKenna sowie die für Vertrieb und Marketing verantwortliche Amanda Norey, die über einschlägige Erfahrungen aus ihrer früheren Tätigleit für Royal Caribbean und Kuoni verfügt.





Obwohl die DIV-Gruppe neben ihren Schiffbauaktivitäten seit 2013 mit der Tochtergesellschaft DIV Cruises d.o.c. selbst mit einer Flotte von kleinen Kreuzfahrtschiffen, Megayachten und Seglern sowie als Charteragent auf dem Kreuzfahrtmarkt tätig ist, werden für den Betrieb der Golden Horizon derzeit Gespräche mit externen Managern für den Decks-Maschinen- und Hotelbereich geführt. Bereits in Planung ist bei Tradewind die Flotte auf bis zu vier Kreuzfahrtsegler zu erweitern, für die nach Angaben von McQuaker der Designprozess bereits angelaufen ist. Mit Blick auf die im Schiffbaubereich der DIV-Gruppe vorhandenen Kapazitäten und das Know-how im Großseglerbau werde dabei an um 10 Meter grössere Schiffe gedacht, wobei der Stahlschnitt für das nächste Schiff möglicherweise schon in einem Jahr erfolgen könnte.
Die Vermarktung der Golden Horizon solle sich in ihrer ersten Saison auf das United Kingdom und andere englischsprachige Märkte fokussieren, wobei die in dem bereits vorliegenden Exposé avisierten Reisen im September in den Verkauf gehen sollen. Wie Verkaufschef McKenna ergänzte, werde man auch Kapazitäten für Direktbuchungen vorhalten, doch sei es das Ziel ca. 95 Prozent des Vertriebes über Reisebüros bzw. Agenturen abzuwickeln. Beginnend im Mai nächsten Jahres sollen bis August in Nordeuropa sieben Abfahrten von Harwich und zwei Reisen von Glasgow geboten werden, bevor der Einsatz ab September im Mittelmeerraum mit einem Anlauf in Dubrovnik erfolgt und es über den Suez-Kanal entlang der historischen Seidenstraße nach Jakarta und weiter nach Bali geht. In Nordeuropa werden u.a. die Kanal-Inseln und die Scilly-Inseln besucht und Reisen nach Dänemark, Island, in die norwegischen Fjorde, die baltischen Metropolen einschl. Rundreisen nach St. Petersburg bis hinauf nach zum Nordkap und Spitzbergen angeboten, wobei die Dauer zwischen 10 und 21 Tagen variiert. Ab Ende 2021 steht dann eine im Dezember beginnende Umrundung Australiens auf dem Programm, der 2022 Reisen im Indischen Ozean, nach Japan, Alaska, Amerika und den Pazifischen Inseln folgen sollen. Das 162,2 m lange und 18,5 m breite 8770 BRZ-Schiff, das über 150 Kabinen für 300 Gäste verfügt, soll von Tradewind Voyages mit nur 272 Gästen in 140 Aussenkabinen und Suiten und einer von 138 auf 159 Personen verstärkten Crew betrieben werden, wobei nach Angaben von McQuaker nach Möglichkeit pro Saison zu 70 Prozent unter Segeln gefahren werden soll. Das von uns bereits mehrfach vorgestellte Schiff verfügt über fünf Decks, drei Pools und eine ausklappbare Marina am Heck, kann an seinen fünf bis zu 60 m hohen Masten 35 Segel mit 6347 qm Fläche an den Wind bringen, mit denen unter günstigen Bedingungen eine Geschwindigkeit bis zu 20 kn erreicht werden soll. JPM
Text: JPM, Fotos: Brodosplit