Wann wird der weltweit größte Kreuzfahrt-Konzern wieder an neue Aufträge denken können? Diese Frage treibt gerade besonders Werftbeschäftigte von Finnland bis Italien um. Das Orderbuch der Carnival Corporation schrumpft weiter. Mit der Ablieferung der Arvia von der Meyer Werft sank das Auftragspolster auf nur noch fünf Schiffe. Drei Neubauten sind bei Fincantieri in Bau und je ein Schiff bei Meyer in Papenburg und Mariotti in Genua. Ende 2020 waren noch zwölf Neubauten im Autragsbestand.
Die Queen Anne ist aktuell das letzte Schiff für eine europäische Carnival-Marke im Orderbook. Das 3000-Betten-Schiff soll zur Sommersaison 2024 zur Cunard-Flotte stoßen. Im Sommer 2025 steht bei Fincantieri die Auslieferung des letzten Carnival-Neubaus an. Es ist für Princess Cruises bestimmt. Danach ist dann erstmal Schluss.
Selbst wenn jetzt neue Aufträge vergeben würden, wäre die Lieferung erst ab 2026 möglich. Die Folge für die Werften sind ein Umschwenken auf andere Produkte. Alle drei großen europäischen Anbieter für Kreuzfahrtschiffe setzen bereits auf andere Produkte für die zweite Hälfte der Dekade. Dazu gehören Spezialschiffe für Offshore-Projekte, Luxusyachten und ganz besonders Rüstungsprojekte, die seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine überall starken Aufwind bekommen.
Die Carnival Cruise Corporation verweist auf die weiter deutlich zu schwachen Passagierzahlen. So lag im Geschäftsjahr 2022 (bis 30.11.) die Zahl der beförderten Passagiere bei 7,7 Millionen. Zum Vergleich: 2019 wurden 12,9 Passagiere befördert. Und wenn der nordamerikanische Markt 2022 nicht so überproportional zugelegt hätte, wäre auch dieses Ergebnis nicht erreicht worden. In Europa kamen die Carnival-Marken 2022 nur auf 2,1 Millionen Passagiere, statt 4,2 Millionen in 2019.
Die aktuellen Neubauprogramme der Reedereien bringen die Passagierkapazitäten der gesamten Branche bis 2025 von heute 563000 auf 764000 Betten. Bei Carnival steigen die Kapazitäten durch die Neubauten von heute 259000 auf dann rund 272000 Betten. Diese Kapazitäten gilt es nicht nur zu füllen, sondern auch wieder in die Profitzone zu bringen.
Auch 2022 fuhren die Carnival-Marken ein dickes Minus ein. Bei den Carnival-Marken standen am 30. November zwar Einnahmen von 12,168 Milliarden Euro aus Ticketverkauf und Bordumsatz (5,1 Milliarden) auf der Habenseite. Doch die operativen Ausgaben für die 91 Carnival-Schiffe lagen bei 16,5 Milliarden Dollar. Dabei sind Treibstoff und Personal mit je 2,1 Milliarden Dollar mit die größten Einzelposten.
Aktuell soll das Ziel eines profitablen Schiffsbetrieb der Flotten wieder für 2024 erreicht werden. Das ist abhängig von einer gewissen Sicherheit in den Zielgebieten und beim robusten Konsumverhalten. Der profitable Betrieb ist wichtig für den Abtrag des Schuldenstands.
Deshalb sind in der Finanzplanung aktuell auch 2025 nur noch 895 Millionen Euro für Neubauten eingestellt. Für 2026 und 2027 sieht der Haushaltsplan keine neuen Schulden für Neubauten vor. Bis 2027 sind 32 Milliarden Dollar allein für Schuldendienst eingeplant, wobei rund vier Milliarden auf die noch aussehenden Neubauten entfallen.
Wann wieder die berühmte Tinte unter einen Neubaukontrakt gesetzt wird, steht aktuell in den Sternen. Ein wichtiger Aspekt könnte der Umweltschutz und die Nachhaltigkeit sein, die die Reedereien irgendwann zur Ausmusterung der Alttonnage drängt und neue Schiffe mit neuen Technologien wirtschaftlich attraktiv macht.
Bei AIDA in Rostock wird bereits an einem Zero-Emission-Ship geplant. Der Neubau könnte zum Beginn des nächsten Jahrzehnts in Fahrt kommen. Dabei sollen auch die Erfahrungen mit der Brennstoffzelle auf der AIDAnova und der neuen Batterietechnik der AIDAprima mit einließen. AIDA will innerhalb der Carnival-Gruppe die Rolle als Technologieführer für Zukunftsprojekte ausbauen. FB