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Neue Studie zur maritimen Energiewende

Verbot fossiler Treibstoffe könnte Technologie-Wandel beschleunigen

Kreuzfahrtschiffe gelten in vielen Bereichen – von der Abfallentsorgung über die Ballastwasserbehandlung, Wärmerückgewinnung und Abgasreinigung bis zu Hybrid-Antriebskonzepten, Einsatz von Dual-Fuel-Motoren sowie alternativen Brennstoffen und Bestellung erster Neubauten mit Brennstoffzellen für die Energieerzeugung – als Vorreiter in der als vergleichsweise umweltfreundlich bekannten Schifffahrtsbranche. Dennoch stellt sich die Frage, ob fossile Brennstoffe in der internationalen Schifffahrt in Zukunft verboten werden müssen, wenn die aktuellen Klimaziele erreicht werden sollen.

Nach den Ergebnissen der jetzt von MAN Energy Solutions und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) vorgelegten Zukunftsstudie „AHOY2050“ könnte ein solcher Schritt bereits in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts notwendig werden. Die Studie skizziert vier Szenarien, die nicht nur untersuchen, wie die Klimaziele der maritimen Industrie bis 2050 erreicht werden können, sondern auch Versäumnisse berücksichtigen.

„Die maritime Industrie hat derzeit ein Ziel, aber noch keinen Weg dorthin“, sagt MAN Energy Solutions-CEO Dr. Uwe Lauber. „Bis 2050 will die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), dass die Treibhausgasemissionen um 50 Prozent sinken, aber diese Ziele wurden noch nicht durch konkrete Maßnahmen untermauert.“ Lauber: „Die Zeit drängt – 2050 ist nur eine einzige Schiffsgeneration entfernt.“

„Schiffe sind allen anderen Verkehrsträgern überlegen“
– Dr. Uwe Lauber, CEO MAN Energy Solutions.
Foto: MAN Energy Solutions

Auch MAN Energy Solutions versteht die Studie als einen Weckruf, der sich allerdings nicht nur auf die Schifffahrt allein beschränkt. „Bei der Schifffahrt spricht jeder immer über die technische Seite. Technisch ist die Energiewende im Seeverkehr aber längst machbar. Seit Jahren liegt die Herausforderung auf politischer und gesellschaftlicher Gesamtebene“, fasst Lauber die Situation zusammen. „Heute können wir Motoren bauen, die mit emissionsfreien Kraftstoffen betrieben werden, aber die Entscheidung, synthetische Kraftstoffe auf dem Markt anzukurbeln, ist nicht etwas, was wir allein tun können.“

Schließlich sei die maritime Industrie nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines globalen Ökosystems zu sehen. Angefangen mit dem gesellschaftlichen Bewusstsein für das Problem und der Bedeutung des Klimaschutzes – und dessen Ausweitung auf Rohstoffpreise, globale wirtschaftliche Entwicklung und Covid-19 – wirke sich eine Vielzahl von Faktoren auf die globale Schifffahrt aus. Lauber: „Es sind diese Zusammenhänge, die weitgehend darüber entscheiden werden, wie entschlossen die maritime Energiewende verfolgt wird.“

Dazu wurden für die AHOY2050-Studie gewichtige Stimmen aus der Industrie und darüber hinaus gesammelt. Für den qualitativen Teil befragte das Fraunhofer-Institut rund 40 Experten aus allen Bereichen der maritimen Industrie, aber auch aus Verbänden, Wissenschaft und Politik. Über 30 Branchenexperten diskutierten anschließend in einem Workshop die auf dieser Grundlage erarbeiteten Szenarien.

Vier Zukunftsszenarien

In vier Szenarien zeigt die Studie mögliche Entwicklungspfade für die Schifffahrtsindustrie und deren Auswirkungen auf. Sie betrachtet die Meeresindustrie als Teil eines globalen Ökosystems, das für allgemeine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidungen sensibel ist. In zwei der Szenarien werden die Klimaziele bis 2050 erreicht oder sogar übertroffen. Im Gegensatz dazu deuten die beiden anderen Szenarien auf ein mögliches Scheitern der Klimapolitik hin.

Nach einem wichtigen Take-away, der den Marktkräften überlassen wird, könnte die Schifffahrtsindustrie in einem Selbstoptimierungsmodus bestehen bleiben, in dem der Fokus dann auf der weiteren Maximierung der Effizienz liegen würde, ohne dass wirkliche Veränderungen stattfinden. Ein durch einen gesellschaftlichen Konsens unterstützter Rechtsrahmen könnte dagegen nicht nur einen solchen technologischen Wandel auslösen, sondern auch zu einem Boom in der Schifffahrt führen. Ein vollständiges Verbot fossiler Brennstoffe in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts könnte einer solchen Entwicklung zufolge eine solche Entwicklung erheblich fördern.

„Wir dürfen uns nicht in egoistische Interessen verstricken“, warnt Uwe Lauber. Ein klarer politischer Kurs und globale Regulierung sind aus seiner Sicht die Schlüsselparameter für eine erfolgreiche maritime Energiewende: „Wenn sich die Welt in egoistische Interessen verstrickt, werden wir keine Klimawende erreichen. Im Gegensatz dazu kann ein klug erlegener, globaler Regulierungsrahmen die Dekarbonisierung der Schifffahrt zu einem Wachstumsmotor für die Branche machen. Denn wenn die globale Lieferkette konsequent auf den Klimaschutz ausgerichtet ist, sind Schiffe allen anderen Verkehrsträgern weit überlegen.“ JPM